Doch seine größte Leidenschaft blieb bis zuletzt das Schreiben. Die Endlichkeit des irdischen Daseins hat der Autor in skurrilen Geschichten unzählige Male mit fast erbarmungslosen Vergnügen verarbeitet. Selbst am Ende des Lebenswegs angekommen, ging es ihm um die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und um das, was auf ewig bestehen bleiben mag.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996907_image" /></div> <b><BR />Welches waren Ihrer Meinung nach die großen Verdienste Ihres Mannes?</b><BR />Julia Rosendorfer: Grundsätzlich würde ich sagen, das größte Verdienst meines Mannes war es, den Menschen wunderbare und außergewöhnlich fantasievolle Geschichten auf eine sehr eigene und humorvolle Weise zu schenken. Wobei man leider sagen muss, dass gerade sein besonderer Humor so manchen Rezensenten die Nase rümpfen ließ. Es war auch manchmal schmerzhaft für ihn, vom Feuilleton nicht so ernst genommen zu werden. Ganz besonders in diesen Zeiten würde ich sagen, dass ein großer und enorm wichtiger Verdienst meines Mannes war, nie müde zu werden, an den Horror der Nazi-Zeit zu erinnern und zu mahnen. Er sagte immer wieder: „Es haben ALLE gewusst.“ Und dennoch konnte es geschehen. Das Trauma dieser Zeit ließ ihn nie los, und er wäre unsäglich entsetzt über die derzeitige Entwicklung.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996910_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Mann erhielt für sein Lebenswerk 2010 den CORINE-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten. Er ist auch Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, des Bayerischen Verdienstordens und Honorarprofessor für Bayerische Literaturgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wird München sich zum 90. Geburtstag an seinen illustren Bürger erinnern?</b><BR />Rosendorfer: Die Frage, ob man sich seiner zum 90. Geburtstag erinnert, beschäftigt mich tatsächlich auch. Er fürchtete schon immer, dass sein Werk schnell vergessen würde. Aus den Augen, aus dem Sinn. Dies ist leider oft der Fall. Man sieht dies schon an der „Haltbarkeit“ eines Buches heutzutage. Wenn es nicht sofort zum Bestseller wird, verschwindet es binnen ein paar Monaten aus den Regalen, um Platz für Nachschub zu machen. Wobei natürlich „Bestseller“ kein Gütesiegel ist. So bin ich nun selbst gespannt, ob München seiner gedenken wird. Und bin sehr froh und dankbar, dass Südtirol dies tut. Darüber wird er sich an seinem Grieser Platzerl auch freuen (Anm. d. Red.: Herbert Rosendorfer ist am alten Friedhof von Bozen begraben).<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996913_image" /></div> <BR /><BR /><b>Überhaupt, wie erleben Sie die Rezeption seines Werkes in Deutschland heute?</b><BR />Rosendorfer: Was die Rezeption des Rosendorfer-Werkes in Deutschland betrifft, ist es eigentlich genau so, wie er es erwartet (befürchtet?) hat, und wie es schon vielen seiner längst verstorbenen Kollegen erging. Ich stelle immer wieder fest, dass kaum mehr jemand die Schriftsteller, die mein Mann kannte und schätzte, kennt. Das geht so schnell. In den meisten Buchhandlungen liegen, wenn überhaupt, nur noch die<TextHBlau> „Briefe in die chinesische Vergangenheit“</TextHBlau> und <TextHBlau>„Der Ruinenbaumeister“</TextHBlau> vor. <Kursiv>„Was bleibet aber, stiften die Dichter“</Kursiv> (Friedrich Hölderlin) ist also leider auch nur Wunschdenken. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996916_image" /></div> <BR /><BR /><b>Apropos erinnern: Woran erinnern Sie sich gerne, wenn Sie an Ihren Mann und Schriftsteller Rosendorfer denken bzw., was vermissen Sie noch heute?</b><BR />Rosendorfer: Ich erinnere mich besonders gerne an den Humor meines Mannes. Diesen vermisse ich auch. Ich mochte die Skurrilität seiner Geschichten, das Absurde, das komische Ausufern. Diesen Humor hatte er auch oft im Leben, den Blick für Komisches, für die seltsamen Verhaltensweisen der Menschen. Wobei ich es für problematisch hielt und halte, Menschen aus dem persönlichen Umfeld negativ zu karikieren, sie also zu verletzen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996919_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und welches seiner Bücher würden Sie heute einem jungen Menschen nahelegen?</b><BR />Rosendorfer: In diesen Zeiten würde ich vor allem <TextHBlau>„Die Nacht der Amazonen“</TextHBlau> empfehlen. Zum einen, da es ohnehin eines meiner Lieblingsbücher meines Mannes ist, aber vor allem da es eine Mahnung und Warnung ist, was den Wahnsinn und Terror des Nazi-Regimes betrifft. Nie wieder ist jetzt!<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996922_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Mann, Ihre Tochter und Sie haben viele Jahre in Eppan, gelebt, kehren Sie noch manchmal zurück nach Südtirol?</b><BR />Rosendorfer: Wir haben tatsächlich eine sehr lange Zeit in Südtirol gelebt, und ich kann sagen, dass ich mich vom ersten Tage an wohl gefühlt habe und sehr bald auch „zu Hause“. Ich habe mich schnell willkommen gefühlt und wunderbare Freunde gefunden, die ich sehr vermisse. Südtirol ist für mich mit vielen Erinnerungen verbunden. Meine Tochter Cosima ist hier aufgewachsen und groß geworden. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996925_image" /></div> <BR /><BR />Was ich bei meiner Rückkehr nach Bayern lernte, war der Unterschied zwischen „Zu Hause“ und „Heimat“. Hier bin ich daheim. Es ist ein eigentlich nicht greifbares Gefühl. Eine Vertrautheit von Kindheit an, die das Gefühl der Geborgenheit ganz stark innehat. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb mein Mann immer zurück nach Südtirol wollte. Ich hatte eigentlich nicht den Drang nach Bayern zurückzukehren in meiner Wohnung in der Andreas-Hofer-Straße, mit dem geradezu erschütternd schönen Blick auf den Rosengarten. Und doch: In Bayern bin ich daheim. Back to the roots also. Ich komme natürlich immer gerne nach Bozen, doch daheim bin ich hier. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996928_image" /></div> <h3> Vita</h3><BR />Herbert Rosendorfer wurde am 19.2.1934in Gries/Bozen gebo- ren. 1939 übersiedelte er mit seiner Familie nach München. Nach dem Jurastudium arbeitete er als Staats- anwalt und Amtsrichter. Seit seiner Pensionierung 1997 lebte er in Eppan. Bekannt geworden ist er vor allem für seinen Roman „Briefe in die chinesische Vergangenheit“. Am 10.9. 2012 erliegt der Schrift- steller in Bozen einem heimtücki- schen Leiden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="996931_image" /></div> <BR /><BR /><h3> Buchtipp, neuste Überlegungen zu Herbert Rosendorfer</h3><BR />Ferruccio Delle Cave, Katrin Klotz, Toni Coleselli, „Heimat an der Grenze. Streifzüge durch die Literatur aus Südtirol seit den 1960er Jahren“, Alfabeta-Verlag Meran 2024. Im Kapitel „Wir gingen: Franz Tumler, Herbert Rosendorfer, Joseph Zoderer und Norbert C. Kaser“ geht F. Delle Cave auf die Literatur Herbert Rosendorfers ein.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />