Rolf Steininger, der mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen weit über den deutschsprachigen Raum hinaus bekannt ist, untersucht in seinem neuesten Band die Politik der USA im Nahen Osten seit 1945. Die Darstellung ist klar strukturiert, chronologisch aufgebaut und nach den Regierungszeiten der amerikanischen Präsidenten von Roosevelt bis Trump unterteilt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="766271_image" /></div> <BR />Seit 1945 waren die USA auch im Nahen Osten die entscheidende Macht. Außerdem war diese Region wegen der Ölvorkommen von strategischer Bedeutung für den Westen. Das Interesse der USA an den Geschehnissen im Nahen Osten begann bereits im Februar 1945, als Präsident <b>Franklin D. Roosevelt</b> sich mit dem saudi-arabischen König I<b>bn Saud</b> auf dem amerikanischen Kriegsschiff USS Quincy im Suezkanal traf. Dort versicherte der Präsident dem König, der vehement gegen die Einwanderung von Juden in Palästina war, dass er die Juden niemals auf Kosten der Araber unterstützen werde. Der König sagte darauf den USA eine Luftwaffenbasis in Dhahran zu. Dieses Treffen begründete laut Steininger eine strategische Partnerschaft zwischen den USA und Saudi-Arabien, die <i>„alle Stürme der Zeit bis heute überdauert hat“.</i> Für saudisches Öl gab es als Gegenleistung amerikanische Sicherheit. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="766274_image" /></div> <BR />Roosevelts Nachfolger, <b>Harry S. Truman</b>, spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung des neuen Staates Israel. 11 Minuten nachdem Israel unabhängig geworden war, erkannte er dessen Regierung de facto an. Verkürzt meint Steininger: <Kursiv>„Ohne Truman hätte es im Mai 1948 kein Israel gegeben.“</Kursiv> Trumans Politik entsprang laut Steininger einem <Kursiv>„innerpolitischen Kalkül:“</Kursiv> Truman benötigte die Stimmen der 4,6 Millionen jüdischer Bürger, um im Herbst 1948 die Präsidentschaft zu gewinnen. <BR /><BR /><b>Suezkrieg</b><BR /><BR />Der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel sollte die Politik der USA bis zum heutigen Tag bestimmen. Im Jahre 1956 setzte Präsident <b>Dwight D. Eisenhower</b> zusammen mit der Sowjetunion Israel, Großbritannien und Frankreich unter Druck, um ihre militärische Intervention gegen Ägypten zu beenden. Der Suezkrieg war das Ende der britischen Hegemonialstellung im Nahen Osten, die jetzt von den USA übernommen wurde. Die USA wurden zum „wichtigsten Player“ in der Region. Öl spielte eine herausragende Rolle in der amerikanischen Nahostpolitik: 2 Drittel der globalen Ölvorkommen befanden sich im Nahen und Mittleren Osten. Außerdem sollte die vom Präsidenten im 1957 begründete „Eisenhower Doktrin“ den Einfluss der Sowjetunion im Nahen Osten verhindern. Ganz neu und spannend zu lesen: Präsident <Fett>Kennedys</Fett> vergebliches Bemühen, die israelische Atombombe zu verhindern und die Luftraumüberwachung Saudi-Arabiens durch US-Flugzeuge.<BR /><BR /><b>Sechstagekrieg</b><BR /><BR />Der Sechstagekrieg im Juni 1967endete mit Israels totalem Sieg über Ägypten, Syrien und Jordanien. Israel eroberte die Sinai-Halbinsel, Gaza, die Westbank, die Golanhöhen und Ostjerusalem – und wurde Besatzungsmacht. Laut Steininger veränderte dieser Krieg die politische Gesamtlage in der Region. Der Kalte Krieg war definitiv im Nahen Osten angekommen.<BR /><BR /><b>Yom Kippur-Krieg</b><BR /><BR />Moskau schickte Waffen nach Ägypten und Syrien, die zur völligen Überraschung 1973 Israel angriffen (Yom Kippur-Krieg). Die USA verhinderten Israels Niederlage durch eine Luftbrücke mit täglich tausend Tonnen Kriegsmaterial und bereiteten gleichzeitig den Einsatz ihrer Atomwaffen vor. Im Gegenzug verhängten die arabischen Staaten ein Ölembargo gegen den Westen. Die USA wurden jetzt „definitiv zur Schutzmacht Israels.“ <BR /><BR /><b>Historische Wendemarke</b><BR /><BR />Ein neues Kapitel beginnt mit der Wahl des rechts-nationalen <b>Menachem Begin</b> zum israelischen Ministerpräsidenten im Jahre 1977. Das war, so Steininger, <i>„eine historische Wendemarke in der Geschichte Israels“</i> mit dem Beginn einer massiven Siedlungspolitik in der Westbank – für Begin grundsätzlich das befreite Judäa und Samaria. Mit zu den spannendsten Kapiteln des Buches gehören die auf Druck von Präsident <b>Carter</b> geführten Verhandlungen zwischen Begin und Ägyptens Präsident <b>Sadat</b> in Camp David Ende 1978, die im März 1979 zum Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern führten: diplomatische Anerkennung Israels durch Ägypten und als Gegenleistung Israels Rückzug aus dem Sinai. Auf der Basis neuester Akten zeichnet Steininger diese Dinge detailliert nach. Spannender und lesbarer kann man so etwas kaum machen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="766277_image" /></div> <BR /><BR />Carter gelang es damals nicht, Israels Siedlungspolitik zu stoppen. Begin lehnte auch Präsident <b>Ronald W. Reagans</b> Friedensplan für den Nahen Osten ab. Trotzdem galt für Reagan Israel als strategisches Bollwerk gegen sowjetisches Vordringen im Nahen Osten. Amerikas Engagement im Libanon wurde zu einem Desaster. Die Israelis führten ihre Siedlungspolitik fort. Der ehemalige General Y<b>itzhak Rabin</b> versuchte 1993 eine Lösung – und wurde 2 Jahre später von einem Juden erschossen. Mit seinem Tod geriet der Friedensprozess im Nahen Osten ins Stocken. Unter Präsident <b>Donald Trump</b> wurden die Beziehungen zwischen den USA und Israel verstärkt, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und die Golanhöhen als Staatsgebiet Israels anerkannt.<BR /><BR /><b>Brennpunkt Iran</b><BR /><BR />Ein weiterer Brennpunkt der amerikanischen Nahostpolitik ist Iran. Auch hier ging es, so der Autor, hauptsächlich um Öl. Da der Iran unter Ministerpräsident <b>Mossadegh</b> mit der Verstaatlichung der britischen Ölmonopole drohte, wurde er 1953 mit Hilfe der CIA gestürzt und mit einem den USA akzeptablen Ministerpräsidenten ersetzt. Steininger geht dann ausführlich auf die iranische Revolution vom Jahre 1979 ein, insbesondere auf die Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in Teheran und den Versuch im April 1980, die Geiseln durch eine militärische Operation (Eagle Claw) zu befreien. Die Aktion missglückte und trug maßgeblich zum Scheitern der Wiederwahl Präsident Carters bei. <BR /><BR /><b>9/11</b><BR /><BR />Nach dem Angriff arabischer Terroristen auf das World Trade Center im September 2001 in New York, erklärte <b>George W. Bush</b> den „Krieg gegen den Terror,“ gegen die Terrororganisation al Qaida und das Taliban Regime in Afghanistan. Die USA waren jetzt militärisch in Afghanistan und im Irak engagiert und versuchten, den Einfluss muslemischer Terroristen im Nahen Osten einzudämmen. Mit dem Irakkrieg, so Steininger, <Kursiv>„gerieten die USA in die Falle des imperialen overstrech“</Kursiv>. Die Vorstellung, nach einem regime change dort Demokratie nach westlichem Vorbild einizuführen, war <Kursiv>„anmaßend und naiv“</Kursiv>. Der Niedergang Amerikas als globale Führungsmacht war nach dem Irakkrieg nicht mehr aufzuhalten.<BR /><BR /><b>Afghanistan-Krieg</b><BR /><BR />Neues berichtet Steininger auch über den Afghanistan-Krieg. Kritisch beurteilt er Präsident <b>Obamas</b> Nahostpolitik. Kurz nach Amtsantritt kündigte Obama in einer großen Rede in Kairo einen „Neuanfang“ im Nahen Osten an – und scheiterte „grandios.“ Am Ende seiner Amtszeit, so Steininger, war alles schlimmer als vorher. Obamas Zweistaatenlösung und Siedlungsstopp in der Westbank wurden von Ministerpräsident <b>Benjamin Netanjahu</b> torpediert. Zwar beendete Obama den Krieg im Irak, doch blieben amerikanische Kampftruppen zurück und das Land trieb <i>„weiter am Rand des Chaos.“</i> Der „arabische Frühling“ führte zum Sturz von <b>Gaddafi</b> in Libyen und <b>Mubarak</b> in Ägypten, der „Drohnenkrieg“ erreichte einen neuen Höhepunkt. In Afghanistan erhöhte Obama die Zahl der US-Truppen. Als der syrische Diktator <b>Assad</b> die von Obama angedrohte „rote Linie“überschritt und nichts geschah, übernahm Russlands Präsident <b>Putin</b> Syrien, mit all den bekannten Konsequenzen – auch für Europa.<BR /><BR />Für Steininger bleibt auf Obamas „Habenseite“ die Tötung von bin Laden und ein <i>„sehr lesbarer erster Memoirenband“</i>. Immerhin musste Obama das Erbe von George W. Bush übernehmen: den „Krieg gegen Terror“ und die Kriege in Afghanistan und im Irak.<BR /><BR />Die vorliegende umfassende Untersuchung basiert auf den veröffentlichten Dokumenten der Foreign Relations of the United States sowie die online-Sammlungen im National Security Archive. Außerdem hat der Autor die von ihm herausgegebenen 14 Bände der Berichte aus Israel der österreichischen Botschafter in Israel (1945 –1990) sowie Material amerikanischer Präsidentenbibliotheken zu Rate gezogen. Hilfreich waren auch die Memoiren amerikanischer Präsidenten und deren Mitarbeiter. 43 sorgfältig ausgewählte Fotos und eine Karte ergänzen den Band.<BR /><b><BR />Fazit</b><BR /><BR />Eine bahnbrechende Studie mit zahlreichen neuen Erkenntnissen, spannend, erhellend und gut geschrieben. Eine ganz vorzügliche, weil quellengesättigte und zugleich quellenkritische Darstellung, nicht nur für den Historiker und Politologen von großem Interesse, sondern auch eine spannende Lektüre für den allgemeinen Leser. Eine englischsprachige Übersetzung wäre wünschenswert, um dem amerikanischen Leser eine von einem Nichtamerikaner einzigartige Perspektive aufzuzeigen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="766280_image" /></div> <BR />Zum Rezensenten: em. Prof. Dr. Wolfgang Schlauch, Eastern Illinois University, Charleston, Il.<BR /><BR /><b>Buchtipp:</b> Rolf Steininger, „Die USA, Israel und der Nahe Osten. Von 1945 bis zur Gegenwart“ Olzog Edition im Lau Verlag, Reinbek 2022, 445 Seiten, 43 Fotos, 1 Karte.<BR />Bestellen: www.athesiabuch.it<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />