Die Veranstaltung findet am morgigen Samstag, 1. Februar von 14 bis 17.30 Uhr im Waltherhaus in Bozen statt. Paula Fürstenberg, Stefanie Gerhold, Behzad Karim Khani, Sara Klatt, Jessica Lind und Dominika Meindl lesen aus ihren 2024 erschienenen Romanen und diskutieren mit der Moderatorin Jutta Wieser über ihre Werke. Der Eintritt ist frei.<BR /><h3> Mutter/Kind Beziehung</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124352_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Roman handelt von der Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind. Was bringt diese Verhältnis ins Wanken?</b><BR />Jessica Lind: Auf der Oberfläche ist es ein Vorfall in der Schule. Luca soll etwas mit einem Mädchen gemacht haben – ein Übergriff. Es war aber niemand dabei, die Anschuldigung steht im Raum. Luca sagt nichts dazu. Während Jakob, der Vater, überzeugt auf Lucas Seite ist, beginnt Pia, die Mutter, ihn zu beobachten. Aber eigentlich war ihre Beziehung auch schon davor von Misstrauen geprägt – nicht unbedingt Misstrauen gegenüber Luca, sondern gegenüber ihrer Mutterrolle, was direkt damit zu tun hat, wie sie selbst aufgewachsen ist.<BR /><BR /><BR /><b>Pia ist geprägt von dem Trauma, das sie als Kind erlebt hat. War dieses Thema der Ausgangspunkt für den Roman?</b><BR />Lind: Tatsächlich waren die Schwestern Pias als erstes da. Ich wollte eine Geistergeschichte ohne Geister erzählen und das habe ich mit Pias Erinnerungen versucht, die sie als Erwachsene immer wieder überrollen wie Wellen und ihr schließlich den Boden unter den Füßen wegziehen.<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b><BR />Jessica Lind wurde 1988 in St. Pölten geboren und lebt heute mit ihrer Familie als Drehbuch- autorin und Schriftstellerin in Wien. Ihr Roman „Kleine Monster“ erschien 2024 bei Hanser Berlin und war für den Österreichischen Buchpreis nominiert. <BR /><h3> (Un)beziehung zum „Overtourism“</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124355_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie haben Hallstatt als Schauplatz Ihres Romans gewählt. Warum?</b><BR />Dominika Meindl: Weil es keinen anderen Ort gibt, der das Problem „Overtourism“ so konzentriert erfahrbar macht. Hallstatt im Salszkammergut ist klein, hatte im Jahr 2024 gerade noch 741 Einwohner. In der Hochsaison kommen aber mehr als 3500 Tagesgäste. Andererseits ist das Salzkammergut wunderschön, ich bin selbst unglaublich gern hier unterwegs. Im Toten Gebirge und am Dachstein denke ich an unzählige Bergtouren mit meinem Vater im Villnößtal; an manchen Stellen glaubt man sich hier in den Dolomiten. Dort ist Overtourism ja mittlerweile auch ein Thema geworden. Darum bin ich auch schon gespannt, was mir die Menschen in Südtirol darüber erzählen.<BR /><BR /><BR /><b>War die durch den (Über)Tourismus belastete Beziehung zwischen Einheimischen und Gästen das, worü- ber Sie in erster Linie schreiben wollten? Oder waren Ihnen andere Themen wichtiger?</b><BR />Meindl: Nein, mir waren alle Stränge des Romans wichtig. Ich will, dass der Zustand der „realen“ Welt sich im Leben der Figuren niederschlägt, ich will aber auch frei erzählen, was sie innerlich umtreibt. Sie erleiden Verluste und erleben Schönes. Und dann geht es ja auch noch um das Verhältnis des alten Europa zu China.<BR /><BR /><b><BR />Zur Person:</b><BR />Dominika Meindl (*1987) ist Moderatorin, Journa- listin, Literaturveranstalterin. Sie lebt und arbeitet in Wilhering, Wels & Linz. „Selbe Stadt, ande- rer Planet“ ist ihr erster Roman.<BR /><h3> Keine neue Heimat Beziehung</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124358_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Ich-Erzähler ihres Romans ist mit seinen Eltern, beides hoch gebildete Perser, nach Deutschland migriert. Wie ist seine Beziehung zu dieser neuen Heimat?</b><BR />Behzad Karim Khani: Nun, als Erstes: Sie ist und wird auch keine neue Heimat. Für keine der Figuren. Was der Protagonist aber stattdessen findet, ist sein Platz in der Heimatlosigkeit. Dieser Platz ist –nicht nur – aber eben auch positiv besetzt. Er lernt, dass er es sich dort durchaus einrichten kann. Er lernt, fremd zu sein.<BR /><BR /><BR /><b>Vor Gewalt und Drogendeals schreckt der junge Mann irgendwann nicht mehr zurück. War es Ihnen auch ein Anliegen zu zeigen, wie es dazu kommen kann?</b><BR />Khani: Nein. Es ist nicht meine Aufgabe als Autor, Kausalitäten darzulegen oder zu warnen. Meine Bücher sind Romane, keine Debattenbeiträge oder Milieustudien. Und es sind auch keine politischen Bücher. Ich erzähle eine Geschichte. Die Gewalt und der Drogenhandel sind eher beiläufige Begleiterscheinungen. Sie sind in meiner Literatur nichts Aufregendes.<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b><BR />Behzad Karim Khani wurde in Teheran<BR /> geboren und wuchs in einer <BR />Künstlerfamilie auf. Kaum zehnjährig kam als er mit seinen Eltern nach Deutschland ins Ruhrgebiet. Seit 2003 lebt er in Berlin- Kreuzberg. „Als wir Schwäne waren“ ist sein 2. Roman.<BR /><h3> Eine Gesellschafts-Beziehung</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124361_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie greifen in Ihrem Roman auf eine historische Figur zurück. Wer war James Simon?</b><BR />Stefanie Gerhold: James Simon war ein vermögender Baumwollhändler aus Berlin. Er gehörte der kleinen Schicht jüdischer Bürger an, die vor dem Ersten Weltkrieg die Entwicklung der Stadt wesentlich mit geprägt haben. Er wurde ein bedeutender Kunstmäzen und Förderer von Archäologen wie Ludwig Borchardt. Dass er selbst auf ein Studium der Altertumskunde verzichtet hat, erklärt dieses Engagement. Ludwig Borchardt fand bei einer seiner Grabungen dann die Nofretete-Büste.<BR /><BR /><BR /><b>James Simon hat als Mäzen der Gesellschaft viel gegeben. Ist die Beziehung zwischen ihm und der Gesellschaft eine der gegenseitigen Anerkennung?</b><BR />Gerhold: Natürlich erfuhr James Simon Dank. Bis heute hebt man seine Selbstlosigkeit hervor, aber das entbindet auch davon zu sehen, dass er als Jude zeit seines Lebens um gesellschaftliche Teilhabe rang. Letztlich gilt das bis heute. Die Nofretete-Büste kennt jeder, aber der Zwiespalt, in den James Simon ihretwegen geriet, ist nicht im Bewusstsein. Darum habe ich dieses Buch geschrieben.<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b><BR />Stefanie Gerhold (*1967) wurde bekannt als Übersetzerin für spanisch- sprachige Literatur. „Das Lächeln der Königin“ ist ihr erster Roman. Sie lebt und arbeitet in Berlin.<BR /><h3> Beziehung zum (normalen) Alltag</h3><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124364_image" /></div> <BR /><BR /><b>Ihr Roman führt nach Israel. Welche Beziehung haben Sie zu diesem Land?</b><BR />Sara Klatt: Für viele Menschen mit jüdischem Familienhintergrund spielt Israel sowohl in der Vergangenheit, in der Gegenwart und auch in der Zukunft eine wichtige Rolle. Das Israel der Vergangenheit verbinde ich mit meinem Großvater. Für ihn war es ein Land der Neuordnung, der Perspektiven und der Hoffnung, in dem er als deutscher Jude die Möglichkeiten hatte, die Nazideutschland ihm verwehrte. Gegenwärtig ist Israel im Krieg. Mein Roman ist irgendwann dazwischen entstanden. Als Schriftstellerin versuche ich, all das mit einzubeziehen. Ich wollte mich aber auch Freischreiben von der eigenen Biografie und andere Geschichten erzählen, die ich für wichtig halte. An Zukunft ist gerade kaum zu denken.<BR /><BR /><BR /><b>Ihr Buch entstand vor dem 7. Oktober 2023. Wie haben Sie die Beziehung zwischen Juden und Arabern erlebt?</b><BR />Klatt: Seit dem 7. Oktober ist auf beiden Seiten sehr viel Trauma hinzugekommen. Es ist ein neues Land, eine neue politische Situation. Im Nahen Osten löst für gewöhnlich ein Krieg einen anderen ab. Mein Roman handelt davon nicht, er erzählt die Geschichten der kleinen Leute, die irgendwie in dem Ganzen ihre ganz gewöhnlichen Sorgen und Sehnsüchte haben, und die einfach ihr Leben leben wollen.<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b><BR />Sara Klatt (*1990) ist in Hamburg auf- gewachsen und lebt als Foto- grafin in Berlin. Sie ist Enkelin eines nach Israel ausgewan- derten Berliner Juden und Tochter eines aus Königsberg geflüchteten Deutschen. Sie verbrachte mehrere Aufent- halte in Israel. „Das Land, das ich dir zeigen will“ ist ihr erster Roman und wurde mit dem Lange-Rode-Debütpreis 2024 ausgezeichnet.<BR /><h3> Freundesbeziehung zwischen Mann/Frau<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1124367_image" /></div> </h3><b>Ihr Roman handelt von der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Aber es ist keine Liebesgeschichte. Was verbindet die beiden?</b><BR />Paula Fürstenberg: Meine Hauptfiguren sind eng befreundet. Sie kennen sich seit der Schulzeit, sind beide Einzelkinder alleinerziehender Mütter und im Osten aufgewachsen. Jetzt, mit Anfang dreißig, wohnen sie zusammen. Neben der gemeinsamen Vergangenheit verbindet sie ein etwas fatalistischer Humor und die Neigung zu langen Diskussionen. Ihre Freundschaft zueinander ist die wichtigste Beziehung in ihrem Leben und sie kümmern sich umeinander wie in einer Familie.<BR /><BR /><BR /><b>Sie führen in Ihrem Roman den Begriff „Freundschaftskummer“ ein. Ist das ein bislang zu wenig beachtetes Gefühl?</b><BR />Fürstenberg: Als Emotionen ähneln Liebeskummer und Freundschaftskummer einander, aber der gesellschaftliche Umgang mit ihnen ist ein völlig anderer. Bei Liebeskummer können wir uns auf stapelweise Ratgeber, viel Verständnis und sogar professionelle Hilfe in Form von Paartherapien verlassen, für Freundschaftskummer gibt es nicht einmal ein etabliertes Wort. Ich finde, es ist Zeit, über die Bedeutung von Freundschaften zu sprechen – und auch über den Kummer, den sie erzeugen können.<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b><BR />Paula Fürstenberg (*1987) wuchs in Potsdam auf und lebt in Berlin. Sie studierte u. a. am Schweizerischen Literaturinstitut. Für ihr Schaffen wurde sie mit zahlreichen Stipendien ausgezeichnet. „Weltalltage“ ist ihr zweiter Roman.