Gabriele Reiterer gebürtig aus Meran gibt Antwort in ihrer Biografie über die Bildhauerin, Musikerin und Kosmopolitin Anna Mahler. Das Buch wird während der Gustav-Mahler-Wochen in Toblach vorgestellt. Der für heute geplante Termin musste krankheitsbedingt verschoben werden. Das genaue Datum steht noch nicht fest.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053816_image" /></div> <BR /><b>Sie stellen die oben angeführte Aussage der Biografie voran, betonen in der bildhauerischen Arbeit von Anna Mahler das Musikalische. Wie sehr spielt der berühmte Vater eine Rolle?</b><BR />Gabriele Reiterer: Anna war eine exzellente Musikerin, sie spielte Klavier, Geige und Cello. Als Tochter Gustav Mahlers, der als Dirigent bereits zu Lebzeiten eine Legende war – die breite Anerkennung seiner Kompositionen setzte dann erst später ein – und einer musikalisch hochbegabten Mutter, war Musik, in Annas eigenen Worten wie „essen, trinken, atmen“. Im Hause Mahler drehte sich alles um Musik. Entsprechend wurde Anna geprägt. Musik ist auch ein Schlüssel zu ihrem bildhauerischen Werk, sie war gleichsam Annas künstlerischer Urgrund. Dass ihre Faszination dem Werk von Johann Sebastian Bach galt, verweist natürlich auch auf die „Nähe“ zum Vater. Sie hat ihn verehrt, war ihm im Charakter ähnlich. Der „gottgleiche“ Vater war trotz seines frühen Todes in ihrem Leben emotional sehr präsent. Ihre Beziehung zu ihm barg jedoch Ambivalenzen. Ein frühes überlebensgroßes Porträt, das sie in den 1930er Jahren von ihm gestaltet hat, hat sie anschließend wieder zerstört. Im hohen Alter hat sie ihn erneut porträtiert und seinen Kopf expressiv, mit verrissenen Zügen geformt. Das sagt viel aus. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053819_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Half ihr der berühmte Vater als Türöffner?</b><BR />Reiterer: Natürlich standen ihr als Tochter Gustav Mahlers Tür und Tor offen. Sie verdankte dem Namen einen guten Teil ihres künstlerischen Erfolges in den 1930er Jahren. Dazu kam, dass sie in einem persönlichen Naheverhältnis zum austrofaschistischen Kanzler Kurt Schuschnigg – sie war zeitweilig seine Geliebte – stand. Auch ihre Mutter und Franz Werfel, der obwohl jüdisch, poeta laureatus des Regimes war, waren Anhänger des Austrofaschismus und verfügten über beste Beziehungen. Düstere Farben also. Es war eine mehrfach privilegierte Situation, die Anna für sich genutzt hat. <BR /><BR /><BR /><b>Drei von Anna Mahlers Ehemännern waren Musiker. Nach der Scheidung vom Dirigenten Anatole Fistoulari hat sie wieder den Vaternamen angenommen. In Ihrer Biografie deuten Sie an, dass sie dem Namen ambivalent gegenüberstand, was könnten Gründe dafür sein?</b><BR />Reiterer: Der Wechsel zum Namen Mahler kann vieles bedeutet haben. Vielleicht war es auch eine Art Rückbesinnung auf die Welt, der sie sich letztendlich immer verpflichtet fühlte. Der Name Mahler war für Anna Fluch und Segen zugleich: Einerseits umgab er sie mit herkunftsbedingtem Ruhm. Auf der anderen Seite stand ihr der Name im Weg, als sie in London und den Vereinigten Staaten versuchte, ihren künstlerischen Platz zu finden. Interessant ist, dass in jener Zeit fast alle Interviews oder Artikel über Anna als Überschrift den Hinweis auf ihren Tochterstatus – der Mahlerdaughter – tragen, ein Hinweis darauf, dass sie in erster Linie als Tochter Gustav Mahlers gesehen wurde. Das muss sie ziemlich genervt haben. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053822_image" /></div> <BR /><b>Sie erzählen einfühlsam von Annas frühen Traumatisierungen; im Alter von 7 Jahren verliert sie den Vater, das Verhältnis zur Mutter gestaltet sich kompliziert; als Erwachsene vernichtet sie die Briefe ihrer Mutter Alma Mahler-Werfel, ein Akt der Befreiung von der erdrückenden Dominanz der Mutter?</b><BR />Reiterer: „Mami konnte Sklaven machen“, war nur eine der diesbezüglichen Äußerungen von Anna als Erwachsene. Anna und ihre Mutter waren ein Leben lang ineinander verheddert. Die Mutter war in ihrem Leben sehr dominant aber auch umgekehrt: Alma brauchte ihre Tochter immer wieder als emotionale Stütze. Anna wiederum war finanziell von ihrer Mutter abhängig, weil sie allein mit ihrer Kunst nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Auch in den Ehen sprang Alma immer wieder finanziell ein, wie etwa in der Zeit mit Anatole Fistoulari. Mutter und Tochter oszillierten zwischen Liebe und Hass. Befreit fühlte sich Anna erst als ihre Mutter 1964 starb.<BR /><BR /><BR /><b>„Jede Geschichte über Anna endet mit Alma“, hat ein Rezensent einmal geschrieben. Ihre Biografie endet zwar nicht mit Alma, trotzdem spielt sie eine wichtige Rolle. Herrscht Alma noch posthum über ihre Tochter?</b><BR />Reiterer: Damit sind wir bei der Rezeption und der Geschichtsschreibung. Alma Mahler, die Mutter, bildete durch ihr Leben als Gefährtin bedeutender Künstler bis in die Gegenwart eine unglaublich ergiebige Projektionsfläche für alle möglichen Deutungen. Viele sind männlich, ich denke dabei an das reduzierte Alma-Bild der männerverschlingenden femme fatale. Dabei war Alma eine sehr facettenreiche begabte Frau. Solche Klischees lassen sich aber gut vermarkten. Die Geschichte ihrer Tochter ist tiefgründiger, introvertierter, vielleicht auch spröder, aber umso faszinierender und gewaltiger. Anna war selbst Künstlerin und die Kunstform der Steinbildhauerei war und ist bis heute eine Männerdomäne. Eine Frau die diesen Weg wählt, nimmt sich schon allein damit einen besonderen Platz in der (Kunst)Welt. Dass die Mutter die Tochter über den Tod hinaus beherrscht, ist eher ein Konstrukt der Nachwelt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053825_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die Toblacher Sommerfrische kommt in Ihrer Biografie zwar nicht vor, aber sicher hat Anna dort zumindest atmosphärisch die ehelichen Turbulenzen ihrer Eltern mitbekommen. Sie selbst hat sich von allen ihrer 4 Ehemänner „befreit“...</b><BR />Reiterer: Meine Erzählweise ist nicht durchgängig linear. Die Toblacher Sommerfrische kommt in der Biografie als eine Rückblende vor. Ich lasse Anna in ihrer Londoner Zeit eine Erinnerung erzählen und zwar jene über ihre kindlichen Gefühle in jenem Sommer. Das kleine Mädchen erlebte die schwere Ehekrise der Eltern, ausgelöst durch Almas Ehebruch mit Walter Gropius, natürlich atmosphärisch – und als sehr bedrohlich. Aus Almas Briefen ist belegt, dass sie damals „hoch fieberte“ und an „Darmproblemen“ litt. Für den narrativen Kunstgriff der Rückblende habe ich mich entschieden, weil Anna in London mit dem Ehebruch Anatole Fistoularis konfrontiert war, und bei ihr vermutlich die Erinnerung an Toblach hochkam. Vielleicht auch spätes Verständnis für ihre Mutter, die damals ihr Recht auf Leben forderte. Annas „Befreiung“ von den Ehemännern waren mit Sicherheit schwierige und schmerzhafte Prozesse, die auf ihrem Lebensweg unvermeidlich waren.<BR /><BR /><BR /><b>Die schwierigen Beziehungen in Annas Herkunftsfamilie scheinen sich in ihren eigenen familiären Beziehungen fortzusetzen; bis zu welchem Punkt gelingt es ihr, sich als Künstlerin und als Frau zu emanzipieren?</b><BR />Reiterer: Annas Geschichte war letztendlich eine Geschichte der Befreiung. Während ihre dem Kosmos des Fin de Siècle verhaftete Mutter gegen Ende des Lebens ihre Berechtigung des Daseins als Gefährtin männlicher Genies, in eigenen Worten „als Steigbügelhalterin der Ritter des Lichts“, rechtfertigte, hatte sich Anna schon früh für einen eigenen künstlerischen Weg entschieden. Trotz schwieriger Beziehungskonstellationen lebte sie ein selbstbestimmtes Leben. Mit über 80 trennte sich Anna noch von ihrem 5. Ehemann Albrecht Joseph. Sie wolle frei sein für die Zukunft, erklärte sie ihm und unternahm hochbetagt alleine noch Reisen nach China. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053828_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie ordnen Sie als Kunsthistorikerin das bildhauerische Werk von Anna Mahler ein? Die Kunstkritik ist sich nicht einig. Ernst H. Gombrich hat sie geschätzt, andere kritisieren jedoch Anna Mahlers prinzipielle Ablehnung der Abstraktion, ihr Festhalten an einer Kunstauffassung der 50er Jahre...</b><BR />Reiterer: Ein definitives Urteil über ihre Kunst kann erst getroffen werden, wenn – was leider bis heute nicht stattgefunden hat – ihr gesamtes Werk systematisch erfasst und im kunstwissenschaftlichen Sinn klassifiziert wird. Dazu müsste es uneingeschränkt zugänglich sein, was leider auch nicht der Fall ist. Ich sehe Anna Mahlers Werk als für sich stehend und abseits des Stromes. Dass sie sich dem damaligen Zeitgeist verweigerte, finde ich interessant. Während die Welt um sie in die Abstraktion tauchte, bezog sie eine absolut singuläre Position. Diese mündete in eine wunderbare Haltung von Transzendenz. Diese spirituelle Dimension ihrer Kunst ist bis heute kaum erkannt. Anna Mahler sah den Mensch als Zentrum der Schöpfung, des Universums und daher auch als unabdingbaren motivischen Mittelpunkt in der Kunst. Übrigens hat sie vorsichtig abstrahiert, ist jedoch immer in der Figur geblieben. Gombrich ist der einzige Kunsthistoriker, der diese Dimension ihrer Kunst verstanden hat. Er hat ihre Grabrede gehalten und da mit wenigen, ergreifenden Worte auf das mystische Moment verwiesen. <BR /><BR /><BR /><b>Als Kind saß Anna Mahler im Atelier von Kokoschka, kannte Komponisten der Moderne persönlich, hatte Walter Gropius als Stiefvater, nahm als junge Frau Unterricht bei De Chirico und Fritz Wotruba. Später lehnte sie jedoch jede Begegnung mit zeitgenössischen Kunstschaffenden und zeitgenössischer Kunst ab. Haben ihre frühen Erfahrungen ihr Interesse an der Moderne und am Zeitgenössischem verdorben?</b><BR />Reiterer: Sie war eine große Individualistin und dürfte – auch nach eigenen Aussagen – die Dimension von Zeitgeist nicht gebraucht haben. Ich glaube nicht, dass ihr Interesse an moderner zeitgenössischer Kunst verdorben war, sondern dass sie sich mit ihrer Kunst Anderem und Überzeitlichem verpflichtet fühle. Interessant finde ich, dass sie sich mit ihrer singulären Position einen Platz in der Kunstwelt hätte erkämpfen können, aber dazu ist es nicht gekommen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053831_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Die meisten Menschen, die Anna Mahler gekannt haben, waren von ihrer Ausstrahlung und Persönlichkeit fasziniert. Eine Ahnung davon gibt der Roman „Nachwelt“ von Marlene Streeruwitz. Margarethe, die Protagonistin des Romans, auf Spurensu- che in Los Angeles, bemüht sich posthum, ebenfalls von Anna bezaubert zu sein. Es will ihr nicht recht gelingen. Wie ist es Ihnen ergangen?</b><BR />Reiterer: Als ich mit den Recherchen begann, wusste ich wenig über die Tochter von Gustav und Alma Mahler. Wenige Wochen zuvor war meine Mutter gestorben. Ich überlegte, ob es wirklich eine gute Idee ist, über das Leben einer Frau zu schreiben, in deren Zentrum Familienthemen und eine gewaltige Mutterbeziehung stehen. Da ich nicht an Zufälle glaube und auch dies nicht als Zufall betrachtete, ließ ich mich darauf ein. Die Arbeit war intensiv. Ich hatte mit Themen wie transgenerationaler Weitergabe von Traumata zu tun, mit brisanten Themen weiblicher Biografien – sprich woran Frauen in unserer Gesellschaft gemessen wurden und werden, wenn sie freiheitsliebend sind und andere – eben künstlerische Wege gehen. Schließlich auch mit Flucht und Exil. Anna Mahlers Lebensgeschichte hat mich in den Bann gezogen, mit allen Höhen und Tiefen. Es war faszinierend an all die Orte, an denen sie gelebt hat, zu reisen. Ich habe mich übrigens zu Beginn der Arbeit am Buch mit Marlene Streeruwitz getroffen, um mich mit ihr auszutauschen. An diesen gemeinsamen Abend denke ich besonders gerne zurück. <BR /></TD><TD><BR /><BR /><b>Die Romanprotagonistin scheitert mit ihrem Versuch einer Biografie über Anna Mahler. Sie stellt viel Zerstörerisches fest, auch geschuldet der Emigration in der Nazi-Zeit. Abgesehen davon, dass sich Ihre Biografie einem anderen Objektivitätsan- spruch verpflichtet als der Roman von Streeruwitz, welche „Nachwelt“ wünschen Sie sich für Anna Mahler?</b><BR />Reiterer: Berührt hat mich der mit Sicherheit heftigste „Riss“ in Annas Leben: Flucht und Exil. Ab dann führte sie ein nomadisches Leben in Enklaven. Sie pendelte zwischen Los Angeles, London, Spoleto. Es fehlte der Raum der Zugehörigkeit. Nach Österreich kehrte sie nicht mehr zurück. Anna Mahlers Lebenserzählung hat viel Interesse geweckt. Als ihre Biografin wünsche ich mir noch entsprechende Aufmerksamkeit für ihr Werk, es wartet darauf entdeckt zu werden.<BR /><h3> Buchbesprechung</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="1053834_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Anna Mahler muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein. Elias Canetti hat ihr im „Augenspiel“, dem abschließenden Band seiner Lebensgeschichte, den Titel und eindrückliche Passagen gewidmet. Wie unzählige andere Männer war er ihr verfallen. Die erste Begegnung in ihrem Wiener Atelier in der Operngasse schildert er als Schock: „Sie bestand aus Augen, was immer sonst man in ihr sah, war Illusion. Man fühlte das auf der Stelle, aber wer hätte die Kraft und Einsicht gehabt, sich das zu sagen. Wie soll man dieses Ungeheuerliche wahrhaben: dass Augen geräumiger sind als der Mensch, dem sie zugehören.“ Annas Eltern, Alma und Gustav Mahler, gaben ihrer zweiten Tochter den Kosenamen „Gucki“, sobald sie ihre ausdrucksvollen veilchenblauen Augen gesehen hatten. Veza Canetti hat Annas Augenspiel kühler analysiert: „Worauf sie ihre Augen einmal gerichtet habe, damit müsse sie spielen, das müsse sie sich gewinnen, wie einen Knäuel, einen Gegenstand, nicht wie etwas Lebendes.“ Veza Canetti erkennt hellsichtig das große Freiheitsbedürfnis ihrer Freundin, niemand dürfe sie zu binden versuchen. Das erfuhren nicht nur Elias Canetti, sondern auch Annas 5 Ehemänner. <BR /><BR />Anna Mahler (1904-1988) war eine Frau voller Widersprüche, voller Kraft, unkonven- tionell, unangepasst, mit einer für ihre Zeit ungewöhnlichen Biografie. Die Autorin <b>Gabriele Reiterer</b> ist den Spuren dieses Lebens mit Einfühlung und wissenschaftlicher Sorgfalt nachgegangen. Nachdem man sich auf den ersten Seiten an die vielen Anmerkungen gewöhnt hat, möchte man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, so spannend ist sein Inhalt. Es führt in einen kulturell und materiell reichen Kosmos, in eine Welt des Großbürgertums, in Stadt- und Sommerfrischevillen, die man sich von bekannten Architekten errichten ließ, in die man sich gegenseitig einlud, um sich in einer Flut von Räumen zu inszenieren, zwischen Musikzimmern, Salons, Studios und Bibliotheken. <BR /><BR /><BR />In diesen Wiener Kosmos wurde Anna Mahler hineingeboren. Wie das Leben vieler anderer Menschen jüdischer Abstammung wurde auch ihres 1938 jäh unterbrochen. Flucht und Emigration führten sie zuerst nach London, dann in die USA. Im Alter erinnert sich Anna Mahler nicht gerne an die Wiener Zeit. Als Kind wird sie früh mit dem Tod konfrontiert, mit dem Tod der älteren Schwester Maria, mit 7 Jahren verliert sie den berühmten Vater, bleibt nachher lange gefangen in den Netzen ihrer Mutter. Ihre Jugend verbringt sie inmitten der „zynischen Ausschweifungen des Mahler-Zirkusses“, wie Ernst Krenek, Anna Mahlers zweiter Ehemann, die familiären Zirkel boshaft beschreibt. Annas erste 3 Ehemänner stammen aus dem unmittelbaren Umkreis der begabten und spendablen Gastgeberin und begnadeten Netzwerkerin Alma Mahler-Werfel. <BR /><BR /><BR />Die Biografin verflicht die verfügbaren Quellen, Fotos und Gemälde, Briefe, Berichte von Zeitzeugen, Annas bildhauerische Arbeiten, ihre seltenen Selbstauskünfte, die wenigen Interviews und Filmporträts zu einem dichten Gewebe. Sie rekonstruiert die größtenteils nicht mehr erhaltenen Häuser und Ateliers anhand von Berichten und Fotos und zieht aus deren Einrichtungen vorsichtige Schlüsse auf den Alltag der Bewohnerinnen zwischen der Josef-Hofmann-Villa auf der Hohen Warte, den Häusern der Mutter Alma in Venedig, London und Beverly Hills, Annas eher spartanischen eigenen Wohn- und Gartenateliers in Wien, Los Angeles, Spoleto. Gabriele Reiterer interpretiert die Foto- und Öl- Porträts von Anna Mahler, studiert Haltung und Physiognomie, stellt Fragen nach einem vermutlich schwierigen Verhältnis zum eigenen Körper, erwähnt psychosomatische Symptome. Die biografische Erzählung bleibt diskret, deutet manches an, was die Leserin weiterdenken kann. So Annas nicht existente Beziehung zu ihrer ersten Tochter mit dem bezeichnenden Namen Alma, die besser gelungene zur Tochter Marina, die heimliche Affäre mit dem austrofaschistischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg. <BR /><BR /><BR />Die Biografie ist vor allem eine spannend erzählte Geschichte der Befreiung zur und über die Kunst. Gabriele Reiterer bildet sprachlich die innere und äußere Bewegung ab, inmitten politischer Verwerfungen und gesellschaftlicher Umbrüche. Die Autorin nimmt die Leserin mit auf die Wege und Umwege durch die Kunsträume in Paris, der Schweiz, in Rom, zu Annas Zeichen- und Malversuchen, hin zum Wechsel zur Bildhauerei, zur Arbeit am Stein und damit zu einer Geste radikaler Freiheit. Ab da arbeitet die Bildhauerin unermüdlich und künstlerisch hochproduktiv an ihrem Lieblingssujet, der monumentalen weiblichen Figur. Die Anerkennung und der internationale künstlerische Durchbruch blieben Anna Mahler verwehrt. <BR /><BR /><BR /><b>Buchtipp:</b><BR />„Anna Mahler. Bildhau- erin – Musikerin – Kosmopolitin“ von Gabriele Reiterer, Molden Verlag 2024, 253 Seiten<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><Rechte_Copyright></Rechte_Copyright>