<i>von C. F. Pichler</i><BR /><BR />Oscar Wilde, der Lyriker, Essayist, Satiriker, Dramatiker, Kritiker und wegen Päderastie und Sodomie zu 2. Jahren erschwertem Zuchthaus verurteilt, war Mensch und Künstler der Extreme. Als protestantisch geborener Sohn im katholischen Dublin eines Augenarztes und einer revolutionären Lyrikerin, die sich für die Unabhängigkeit Irlands einsetze, hatte der Jugendliche mit seiner Privatausbildung in frühester Zeit Kontakt mit Literaten und Künstlern im Hause seiner Mutter Jane. Wildes Vater war indessen ein Schwerenöter, also ein bizarrer geadelter Frauenheld und Freimaurer, den die englisch – viktorianisch - puritanische Society umgarnte.<BR /><BR /><b>Studium und Erregungen in Dublin und Oxford</b><BR /><BR />Oscar Wilde, der zuerst in Dublin und anschließend in Oxford Altphilologie studierte, definierte sich als gewandter, ja ausschweifend brillanter Redner mit Selbstinszenierung ausgeprägt durch seine auffällige Kostümierung, als Genie: <i>„Mein ganzes bisheriges Leben war bloß der Traum eines Schulknaben.“</i><BR /><BR />Freilich fiel Oscar Wilde keineswegs (noch) ob seiner Literatur auf. Nein, denn Wilde hätte mit den Jahreszinsen seiner Mutter von 200 Pfund ein bequemes Leben führen können. Das reichte niemals und nimmer, denn allein für seine hochmodischen Angora-Anzüge, seine seidenen Kniestrümpfe und „pflaumigen“ Kniehosen und letztlich für sein Porzellan verpuffte sein Ererbtes: <i>„Es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, auf dem Niveau meines blauen Porzellan zu leben“,</i> sagte Wilde in Oxford, als er aus dem Altgriechischen ein Martyrium übersetzte. Allerdings traf er in Oxford auf seine ästhetischen Ideengeber <b>John Ruskin</b> und dessen Schüler <b>Walter Pater,</b> deren sehr unterschiedliche Vokabularien Oscar Wilde prägten. Ruskin verfolgte die Moral des Gottesglaubens und war gegen das Amüsement, Pater plädierte für das Lustbarkeitsprinzip und den totalen Exzess.<BR /><BR /><b>Der Glattrasierte heiratet Constance Lloyd</b><BR /><BR />Als Oscar Wilde von einer finanziell äußerst erfolgreichen Vorlesungsreihe in 125 amerikanischen Städten wiederkehrte, heiratete er die hübsche Irin <b>Constance Lloyd,</b> die mit ihm zwei Söhne hatte. Wilde musste ab nun seinen luxuriösen Lebensstil drastisch einschränken, doch schon bald hatte er mit seiner Literatur, genau mit dem Jahrhundert-Roman <b>„Das Bildnis des Dorian Gray“</b> einen veritablen Erfolg. <BR /><BR />Er konnte nun unabhängig schreiben, und wem wunderst, er fand 1886 im viel jüngeren Lord <b>Alfred Douglas</b> seine glattrasierte Lebensläsion! Glattrasiert? Nun die Glattrasierten galten in England oder in Frankreich als abstoßend und als moralischer Verfall des männlich kulturellen Klimas. Die Ehe mit Constance wurde übrigens nie geschieden, denn die herzhafte Gemahlin versorgte mit ihrer notariell beglaubigten Mitgift von 150 Pfund Oscar Wilde, als er nach dem Zuchthaus ins Exil nach Paris ging. In der Seine-Metropole fand Oscar Wilde schon 1882 in der Künstler-Avantgarde um <b>Paul Verlaine</b>, <b>Émile Zola</b> oder <b>Edgar Degas</b> seine künstlerisch-literarischen Bezugspunkte, die sich in seinen Werken auch in der französischen Sprache – die Ausnahmetragödie „Salomé“ schrieb Wilde in französisch – wiederfinden!<BR /><BR /><b>„Der Erfolg scheint ihm vorauszueilen“ (André Gide)</b><BR /><BR />In der Zeit des Aufstiegs der neuen Klassen nach 1848, als die bürgerliche Gesellschaft revoltierte, hatte ausgerechnet das Leben des Dandyismus seine Blütezeit: „Der symbolische Ausdruck des vollkommenen Dandy ist die aristokratische Überlegenheit seines Geistes“, schrieb <b>Charles Baudelaire</b> 1869 über einen erfolgreichen Personenkult, der bei Oscar Wilde mit seinem „vorauseilenden Erfolg“ eine ungeheure Leidenschaftlichkeit der décadence wie nie zuvor erfahren wird. <BR /><BR /> Jedes unerlaubte Eintreten des Lebens ist Kunst, da Lüge, Täuschung eben nicht Wahrheit und schon gar nicht die Natur ist, sondern eine Zelebration des Nutzlosen und Unerlaubten. Hierin schaut Oscar Wilde mit seinen Satiren, Aphorismen, Essays, Gedichten aber auch mit seinen unübertrefflichen Märchen in einen Spiegel und nimmt jegliche Maske ab: „<i>Die Kunst drückt nie etwas anderes aus als sich selbst“</i> und <i>„nichts was wirklich geschieht, hat auch nur geringste Bedeutung!“</i><BR /><BR /><BR /><b>Streiflichter zur Literatur von Oscar Wilde</b><BR /><BR /><i>„Einst hast du mich in deinem Garten spielen lassen; heute sollst du mit mir in meinen Garten kommen, der das Paradies ist“</i>, so die Selbstvision und Freundschaft im Märchen „Der ergebene Freund“. Oder die grandiosen fünf Kunstmärchen „Der glückliche Prinz“ mit biblischer Klangpoesie und nicht zuletzt die „Die Nachtigall und ihre Rose“, wo mit gottgefälliger Gerührtheit die Liebe für das Studium geopfert wird. Wunderschön, von erlesener Poesie und einfacher Sprache sind die vier Kunstmärchen „Das Granatapfelhaus.“ Unbedingt lesen sollten ins besonders junge Menschen „Das Gespenst von Canterville“, Wildes erste romantische und wirkungsmächtige Geistergeschichte. <BR /><BR />Naturgemäß gehören der Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“, „Die Ballade von Zuchthaus zu Reading“, „De Profundis“ oder unter den Bühnenwerken die „Salomé“, „Der ideale Gatte“ und „Lady Windemere’s Fächer“ zum Kanon der Meisterwerke von Oscar Wilde. Der sagte zu einem Kritiker lakonisch: <i>„Ich habe Sie schon immer für den besten Kritiker meine Stücke gehalten!“</i> „<i>Aber ich habe Ihre Stücke doch gar nicht kritisiert“</i>, sagte er. Wilde<i>: „Eben darum!“</i><BR /><BR /><b>Oscar Wilde im Zuchthaus, im Pariser Exil, der Tod</b><BR /><BR />Durch eine gezielte Intrige mit aufgelisteten und bezahlten Zeugen aus dem Strichermilieu wurde Oscar Wilde 1985 wegen Päderastie und Sodomie zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Der erste sadistische Gefängnis Colonel behandelte Wilde wie einen Schwerverbrecher. Er rationierte sein Essen und verbot jeden Besuch. Der zweite Colonel genehmigte Oscar Wilde indes ausgesuchte Lektüre, er behandelte ihn gut. Sein Freund John Ross und die Gemahlin Constance durften ihn besuchen und waren erschüttert. <BR /><BR />Auch von der Uraufführung der „Salomé“ in Paris erfuhr der Dichter. Die Mithäftlinge waren berührt, doch Wilde sagte nur, er sei einer wie sie. Noch am Abend nach der Entlassung reiste Wilde nach Paris ins Exil. Im drittklassigen „Hotel d'Alsace“ bewirtete ihn der Besitzer mit erlesen Weinen und Speisen, sodass Wilde mit der Mitgift von 150 Pfund seiner Gemahlin Constance nach Neapel zu Lord Alfred Douglas reisen konnte.<BR /><BR /> In den letzten Pariser Lebenstagen und am Sterbetag am 30. November 1900 war ein katholischer Priester anwesend, der Oscar Wilde nottaufte, die Sakramente spendete, einen Rosenkranz in die Hand und Palmzweige auf die Brust legte: <i>„Der Katholizismus ist der einzige Glaube, mit dem man sterben kann!“</i> (Oscar Wilde) <BR /><BR />Von der Bestattung berichtete Wildes Freund im Geiste, der Nobelpreisträger <b>André Gide</b>, ausführlich über das Prozedere einer einmaligen Trauerfeier. 1912 fügte der Bildhauer <b>Auguste Rodin,</b> ein guter Freund des Dichters, auf das 20 Tonne schwere Oscar Wilde Denkmal ein Feigenblatt auf Wunsch der Stadtverwaltung hinzu. Als der gute <b>John Ross</b>, der 1918 verstarb, verfügte er seine Asche in Oscar Wildes Grab beizusetzen mit der Inschrift aus „Der Ballade vom Zuchthaus Reading“: Und fremde Tränen füllen ihm des Mitleids zersprung’nen Krug .<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />