„Poesie ist die Essenz“ - Literatur

Trägerinnen dieser Kampagne sind die Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV) und die Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV). von Sabine Peer Wie definieren Sie Poesie? Jörg Zemmler: Für mich ist Poesie umfassend, schließt alle literarischen Gattungen ein. Ich möchte sogar behaupten, Poesie ist das, was Kunst im Allgemeinen ausmacht, sie ist die Essenz. Ihre Plakataktion zum Tag der Poesie ist poetisch... Zemmler: Bereits den Akt, Plakate mit poetischen Zitaten im öffentlichen Raum aufzuhängen, finde ich einen Akt der Poesie. Es geht dabei auch um die Gestaltung von öffentlichem Raum. War diese Aktion Ihre Idee? Zemmler: Ja. Bereits vor 2 Jahren habe ich sie zum ersten Mal auf die Beine gestellt. Nur waren damals die Plakate rosarot mit blauer Schrift, und es waren nur SAAV-Mitglieder beteiligt. Diesmal habe ich die GAV mit ins Boot geholt und daraus ein Gemeinschaftsprojekt gemacht. Das Konzept ist immer dasselbe: Das Los entscheidet, welche Autoren und Autorinnen dabei sind. Dafür habe ich mich im Bozner SAAV-Büro mit der Geschäftsführerin, Joanna Voss, zur Ziehung getroffen – 9 Autoren der SAAV und 10 Poetinnen der GAV. Warum die Zahl 19? Zemmler: Multipliziert man 19 mit der Zahl 7, denn so viele Plakate werden je Autor, je Autorin aufgehängt, kommt man auf 133, genau diese Zahl wird vom Plakatierungsdienst übernommen. Die Orte, in denen die Plakate hängen, befinden sich fast nur in der Westhälfte unseres Landes... Zemmler: Auch dies ist bedingt durch den Plakatierungsdienst, der nur diese Orte bedient. Für die östliche Landeshälfte ist mir keiner bekannt. Und nach welchen Kriterien wurden die Zitate ausgesucht? Zemmler: Meine ganz persönlichen Vorlieben gaben den Ausschlag. Waren die Kandidaten gezogen, habe ich mir ihre Texte vorgenommen. Einige Zitate sind Sätze, die ich Romanen oder Erzählungen entnommen habe, andere wiederum sind Gedichte. Und dann finden sich Zitate, deren starker Bezug zur Gegenwart den Ausschlag gab, Themen, die uns beschäftigen, wie Krieg etwa. Wer hat die Plakate entworfen? Zemmler: Das Design stammt von mir, ich mag das intensive Blau. Die Zitate sind diesmal in weißer Schrift gehalten, damit sie hervorstechen. Der schmale rote Streifen auf der linken Seite, auf dem vertikal der Name der Autorin oder des Autors und das Werk, aus dem das Zitat entnommen ist, stehen, war der Wunsch der SAAV, die damit alle SAAV-Projekte kenntlich macht. Die Plakate sind im Format A 3 gedruckt. Etwas klein? Zemmler: Ich habe mich aus 2 Gründen für diese Größe entschieden: einmal aus Kostengründen, zum anderen gefällt mir beim Poetischen das Kleine. Protzen wäre nicht stimmig. Leise Töne bei der Präsentation, vom Inhalt her darf es dagegen kraftvoll und wuchtig sein. Wie haben die gewählten Autoren und Autorinnen reagiert? Zemmler: Das Feedback war von allen durchwegs positiv. Manche der Gezogenen haben bisher nur in Zeitschriften publiziert, aber noch kein Buch veröffentlicht. Die Plakataktion ist auch eine Art Veröffentlichung... Was war bei dieser Aktion die größte Herausforderung? Zemmler: Der Zeitdruck. Von November, als die Zusage, die Finanzierung zu übernehmen, von GAV und SAAV kam, bis Anfang März ist eine kurze Zeitspanne... Was halten Sie von Gedenktagen: Brauchen wir einen &bdquo;Tag der Poesie“ überhaupt noch? Zemmler: Es wäre schön, wenn es nicht nötig wäre. Ich hätte gerne viel mehr Poesie in unserem Alltag, im öffentlichen Raum. Und deshalb auch diese Aktion. Manche greifen zur Spraydose, wir eben zu Papier. Wenn Sie die Entwicklung der Literatur in unserem Land beobachten, was fällt Ihnen auf? Zemmler: Die Relevanz von Literatur in der Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Heute haben Aussagen von Schriftstellern oder Autorinnen viel weniger Gewicht. In den 1970er-Jahren lösten Worte Heinrich Bölls im &bdquo;Spiegel“-Essay in Deutschland einen Skandal aus. Er wurde von der &bdquo;Bild“-Zeitung“ attackiert, Politiker haben sich eingemischt. So ein Effekt ist heute nahezu undenkbar. Wenngleich wir durchaus relevante Themen in unserer Prosa, Lyrik und Dramatik aufgreifen. Wie könnte man da entgegensteuern? Wie vermittelt man heute Poesie? Zemmler: Indem man der Poesie eine größere Plattform bietet. Ich sehe die Plakataktion als Geschenk für Menschen, die unterwegs sind: Um sie zu überraschen, um ein neues Publikum zu gewinnen, aber nicht, um die Verkaufszahlen der Bücher zu steigern, sondern um die Welt – sagen wir um 0,7 Prozent – schöner zu machen oder zumindest bunter. Ich fände es auch ungemein wichtig, wenn an Schulen jungen Menschen vermehrt ein Zugang zu Poesie und Kunst im Allgemeinen vermittelt würde. Termin: Die Plakate hängen bis 2.4. in: Andrian, Burgstall, Eppan, Gargazon, Glurns, Graun, Kaltern, Kastelbell, Kuens, Kurtatsch, Laas, Lana, Latsch, Leifers, Mals, Nals, Naturns, Partschins, Plaus, Prad, Riffian, Schlanders, Schluderns, Schnals, Stilfs, St. Pankraz, Taufers, Terlan, Tscherms, Tramin, Ulten. Teilnehmende Autoren und Autorinnen Das sind die für die Plakataktion zum &bdquo;Tag der Poesie“ 2025 gezogene Autorinnen und Autoren: Eeeva Aichner SAAV – Helga Gorfer SAAV – Sabine Gruber SAAV/GAV – Andreas Gottlieb Hempel SAAV – Robert Huez GAV – Sieglinde Klettenhammer GAV – Kurt Lanthaler GAV/ SAAV – Sepp Mall GAV/SAAV – Waltraud Mittich SAAV – Lene Morgenstern SAAV – Maxi Obexer GAV/SAAV – Gontran Peer SAAV – Sabine Peer SAAV – Katja Renzler GAV/SAAV – Alf Schneditz GAV – Hermann Staffler GAV – Silvana Steinbacher GAV – Jörg Zemmler GAV/SAAV – Joseph Zoderer (Haymon) SAAV SAAV Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung, gegründet am 30. 11.1980 mit 20 Mitgliedern. Heute zählt diese Interessensvertretung 110 Mitglieder. GAV Die Grazer Autorinnen Autorenvereinigung wurde 1973 zwar in Graz gegründet, hat ihren Sitz aber seit 1975 in Wien und ist die größte Autoren und Autorinnen Vertretung Österreichs mit 750 Mitgliedern. Zur GAV zählen 9 Regionalgruppen, darunter auch eine für Südtirol, die 30 Mitglieder zählt.