Luca Fregona, Chef vom Dienst der Tageszeitung „Alto Adige“, hat – nach „Das vergessene Vietnam“ – mit einem zweiten im Athesia-Verlag erschienen Buch über die gefallenen Südtiroler im Französischen Indochinakrieg (1946 bis 1954) weiter Licht ins Dunkel dieses Kapitels der Weltgeschichte gebracht. + von Luca Masiello<BR /><BR /><b>Was hat Sie dazu bewogen, ein zweites Buch über gefallene Fremdenlegionäre im Französischen Indochinakrieg zu schreiben? </b><BR />Luca Fregona: „Das vergessene Vietnam“ war ein Erfolg – und ich spreche nicht von Verkaufszahlen. Mir war schon beim Schreiben klar, dass ich Geschichten erzählen würde, die noch nie aufgeschrieben wurden. Die Bestätigung dafür kam nach der Veröffentlichung: Ich habe Dutzende Nachrichten und Anrufe von Angehörigen anderer Legionäre erhalten, die in Vietnam gefallen sind. Sie haben gesagt: „Endlich kann uns jemand Antworten geben, denn wir wissen nichts über unsere Verwandten, nicht einmal, wo sie begraben sind.“ Ich habe Kontakt zu ihnen aufgenommen und einige getroffen – sie haben mir Unmengen an Unterlagen zur Verfügung gestellt: Fotos, Briefe, Postkarten, Zeitungsausschnitte, Stoffstücke von Uniformen, Verdienstkreuze... <BR /><b><BR />Dennoch muss es nicht einfach gewesen sein, alle Informationen zusammenzubringen.</b><BR />Fregona: Es war alles andere als einfach. Die offizielle Zahl der gefallenen Italiener liegt bei 525 – hinzu kommen aber einige Hundert Vermisste. Für letztere gab es wenig Hoffnung, dass die Familie etwas in Erfahrung bringt. Die Bürokratie war auch damals eine zu große Hürde. Eine Familie aus Brixen, die ihren Sohn im Indochinakrieg verloren hat, hat mich um Hilfe gebeten. Ich konnte herausfinden, dass er sich mit 16 Jahren bei der Fremdenlegion gemeldet hat. Im Jänner 1954 verschickte er den letzten Brief, dann galt er als vermisst. Mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen – das ist frustrierend. <BR /><BR /><b>Aber bei anderen Vermisstenfällen hatten Sie mehr Glück.</b><BR />Fregona: Stimmt, zum Beispiel im Fall des Bozners Alfredo Decarli, den seine Familie seit 70 Jahren nicht mehr gesehen oder gehört hatte. Mit 18 Jahren hatte er der Liebe wegen Bozen verlassen. Die Familie seiner Verehrten war gesellschaftlich besser aufgestellt als seine, sodass sie sich gegen eine Hochzeit aussprach. So beschloss Alfredo, zur Fremdenlegion zu gehen – ohne es jemandem zu verraten. Er hoffte, in den 5 Dienstjahren etwas Geld zu sparen und so die Heiratserlaubnis vonseiten der Familie zu erhalten. Bereits während der Ausbildung in Algerien verstand er jedoch, einen Fehler begangen zu haben: Seine Verehrte teilt e seine Entscheidung nicht und verließ ihn mit einem Brief. Im März 1954 erreichte er Indochina, am 13. April meldete er sich freiwillig, mit dem Fallschirm in die Schlacht um Dien Bien Phu zu springen – obwohl er noch nie mit Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen war. Am 18. April, Ostersonntag, sprang er aus dem Flieger, tags darauf erlag er den Verletzungen, die er sich in der Schlacht zuzog. Der Schwester von Decarli, die mich kontaktiert hatte, hatte noch niemand Alfredos tragische Geschichte erzählt. Zwar war die Familie in die Quästur geladen worden, wo man ihr mitteilte, dass Alfredo gestorben war – aber nicht wie, wo und wann. Über meine Quellen wurden mir Unterlagen zugespielt, mit denen ich die Geschichte Alfredos rekonstruieren konnte und auch in Erfahrung brachte, dass er mit einem Silberstern geehrt wurde. <BR /><BR /><b>Unter den 7 Geschichten ist auch jene eines Meraners. </b><BR />Fregona: Ildo della Torre di Valsassina, der Großvater des Landessekretärs der Demokratischen Partei, Alessandro Huber. Ich habe die Frau und die Kinder des Vermissten in Triest besucht, wohin die Familie nach dem Französischen Indochinakrieg gezogen war. Während sich die anderen Personen, von denen ich erzähle, wegen des Geldes bei der Fremdenlegion meldeten, tat es Ildo, weil er ein überzeugter Faschist war. Er hatte für die Jungen Faschisten in Libyen gekämpft und nach dem Ende des Weltkriegs fühlte er sich als Verlierer, versteckte sich und meldete sich schließlich freiwillig bei der Fremdenlegion. Er wurde nach Indochina geschickt, in eine der gefährlichsten Zonen, wo sein Bataillon ständig unter Beschuss stand. Indochina veränderte ihn: Nach dem Krieg kehrte er nach Italien zurück, wo er großes bürgerliches Engagement an den Tag legte. Er nahm auch Kontakt mit dem „Alto Adige“ auf, um seine Geschichte zu erzählen – ohne seinen Namen zu nennen, nur seine Matrikelnummer. <BR /><BR /><b>Schließlich gibt es auch einen noch lebenden Zeugen, Giorgio Cargioli aus La Spezia. </b><BR />Fregona: Eine köstliche Person, ein ehrlicher Mann, der bald ein Freund geworden ist. Ich habe 3 Tage bei ihm verbracht, er hat selbst Memoiren geschrieben, die ich lesen durfte. Dank der Namen der Kommilitonen, an die er sich noch erinnern konnte, konnte ich den Marschplan seines Bataillons ausfindig machen und damit auch jedes Detail der Schlachten. Cargioli ist ein besonderer Fall: Mit 18 Jahren meldete er sich freiwillig, um einer Haftstrafe zu entgehen, die verhängt worden war, nachdem er illegal in Frankreich eingewandert war. Bei der Fremdenlegion versuchte er zu desertieren, aber es gelang ihm nicht: Er wurde nach Indochina geschickt, stand an vorderster Front und nach dem Waffenstillstand musste er immer noch 3 Jahre bei der Fremdenlegion bleiben. Er wurde nach Algerien versetzt, wo die Zeichen auf Krieg standen. Doch er war müde von den Massakern und beschloss, sich den Vietnamesen auszuliefern. Diese sperrten ihn 8 Monate lang ein, dann gaben sie ihm 2 Möglichkeiten: Gehen oder für immer in Vietnam bleiben – aber das hätte bedeutet, wieder der französischen Rechtsprechung ausgeliefert zu sein. Er wollte aber nach Italien, allerdings wurde er vom Militärgericht in Saigon zu 2 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt – zusätzlich zu den 3 Jahren bei der Fremdenlegion, die er unterbrochen hatte. Auf dem Weg nach Algerien begingen aber 104 Fremdenlegionäre Meuterei, konnten jedoch nur eine halbe Stunde lang die Gendarmen überwältigen. Dieses Zeitfenster nutzte Cargioli, um in den Suez-Kanal zu springen und die Flucht zu ergreifen.<BR /><BR /> <a href="https://www.athesia-tappeiner.com/de/9788868396206" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Hier können Sie das Buch bestellen.</a>