Die Autorin im Gespräch... Von Ferruccio Delle Cave<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1173933_image" /></div> <BR />Die Geschichte führt uns von Toblach bis nach Bolivien und zeichnet in autobiografischen Erinnerungen die wechselvollen Geschicke der Familie und Herkunft mütterlicherseits nach. Im Gespräch geht die Autorin auf Inhalt, Personen und Vorgänge ihres neuen Romans ein und auch auf die Frage, ob „Hierorts.Bleiben“ eine typische Herkunftsgeschichte ist.<BR /><BR /><b>„Hierorts.Bleiben“ ist der Titel Ihres neuen Romans. Was bedeutet dieser im Zusammenhang mit dem Romantext?</b><BR />Waltraud Mittich: Der Titel bezieht sich zunächst auf die ca. 500-jährige zum Teil dokumentierte Geschichte der erzählten Familie, die immer auf demselben Hof geblieben ist und noch jetzt da lebt. Bleiben ist aber ein zentrales Wort in der Geschichte Südtirols. Bleiben und gehen, auswandern über alle Berge und optieren, weil die große Weltgeschichte dazu aufgefordert, aber auch die Wahl zu bleiben vorgesehen hat. Ich sähe es gern, wenn die Leser Titel und Text so läsen. Und noch etwas wäre mir lieb und recht: Wenn der Text gelesen würde als die Geschichte einer Bauernfamilie wie es sie landauf, landab gibt in diesem Land.<BR /><BR /><BR /><b>In „Hierorts.Bleiben“ changiert die Erzählung zwischen Familien- und historischem Roman, zwischen Erinnerungen und autobiografischen Passagen, nicht zuletzt aber auch zwischen Heute und Zukunft. War es für Sie wichtig, Ihre Herkunft schreibend festzuhalten und daraus eine ganz neue Geschichte zu machen?</b><BR />Mittich: Herkunftsgeschichten sind zur Zeit sehr gefragt, gern geschrieben, gern gelesen. Es scheint so, als ob unsichere Zeiten verunsichern und die Frage nach der eigenen Geschichte in den Mittelpunkt rücken. Aber waren die Zeiten je sicherer? Und haben nicht alle Schreibenden immer ihre eigene Geschichte erzählt? Und: Natürlich entstehen dabei andere Geschichten, neue. Ich setze dem Begriff Herkunft einen neuen, anderen gegenüber: Hinkunft. Wer oder wie werden wir in Hinkunft sein? Wir hier – hierorts – und anderswo.<BR /><BR /><BR /><b>Sie schreiben zu Beginn Ihres Romans: Die im Jetzt Schreibende, manchmal sagt sie ganz einfach das Ich oder ich. Wobei dieses Ich ein gespaltenes, auch verunsichertes, nicht immer ernst zu nehmendes ist. Ist das so zu verstehen, dass im Roman die Ich-Erzählerin vorhanden ist, aber zuweilen aber nicht, dass in Ihrem neuen Text die Erzählhaltungen und Erzählstränge einander abwechseln?</b><BR />Mittich: Die Ich-Erzählerin ist ein Chamäleon, lässt sich nicht festlegen, nicht immer, sie spielt mit sich selbst, mit dem Leser mit dem Genre. Manchmal wird aus der Perspektive des Kindes erzählt. Manchmal gibt es Situationskomik, wenn die Erzählerin – das Ich – etwa dem Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater begegnet auf dem weiten Feld und sie sich als Frau nicht ganz ernst genommen fühlt, obwohl beide Komplizen sind. Niemals spielt die Erzählerin mit der Geschichte des Landes, wenn Sie so wollen mit der Heimat.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1173936_image" /></div> <BR /><BR /><b>In „Hierorts.Bleiben“ befindet man sich als Leser an mehreren Schauplätzen, immer ausgehend von Toblach bis nach Bolivien. Dadurch werden die Lebensspuren der Protagonistinnen und Protagonisten weit ausgelegt. Hat sich dies peu à peu beim Schreiben so entwickelt oder war es von Beginn an beabsichtigt?</b><BR />Mittich: Es war bei diesem Buch nicht schwierig anzufangen. Ich hatte die Unterlagen, eine, wenn auch lückenhaft, rekonstruierte Familiengeschichte, ich hatte das erzählte oder dokumentierte Leben von einzelnen Familienangehörigen, die des Paters, der im fernen Bolivien gelebt hat als Missionar und dort starb. Ich hatte die Sterbebilder des Ur-Ur-Ur-Ur-Großvaters, Gemeinde-Vorsteher und Geschäftsmann, der mir nichts dir nichts beginnt, Hüte herzustellen im Hinterhof, weswegen sich der Hof Schneiderhuter nennt. Ich hatte das Familiengrab als Quelle und ich hatte die Familiengeschichten, die man sich in keiner Familie und niemals erzählt. So auch jene von enteigneten Grund-Parzellen zur Zeit des Faschismus etwa.<BR /><BR /><b>Ähnlich wie im Falle von wechselnden Schauplätzen sind auch die historischen Phasen des Romans im Hintergrund speziell auch für die Geschichte unseres Landes erkennbar. Bildet die Geschichte unseres Landes das Substrat, die Grundlage des gesamten Geschehens oder geht es weiter?</b><BR />Mittich: Die Geschichte geht immer weiter, wenn ihr nicht ein Verrückter ein Ende bereitet. Wir haben weltweit zurzeit mehrere davon. Die große Geschichte, die Geschichte ist das Substrat, wie übrigens in allen meinen Büchern. Hoffend, dass sie weiter geht, hoffend, dass wir in diesem Land das Richtige tun, wenn’s einmal brennt. <BR /><BR /><BR /><b>Buchtipp:</b> „Hierorts.Bleiben“ von Waltraud Mittich, Laurin Verlag 2025, 112 Seiten