Alice, ein kleines Mädchen mit guten Manieren, folgt einem weißen Kaninchen und verirrt sich schließlich im Labyrinth einer absurden Welt. <BR /><BR /><BR />Der Wahnsinn ist eine hinterlistige Grauzone: Wenn nichts mehr Sinn ergibt, wenn die Welt verrückt spielte, welche Entscheidungen sind dann richtig? Der Komponist <b>Matteo Franceschini</b>, 2018 mit dem Silbernen Löwen bei der Biennale von Venedig ausgezeichnet, bringt ein musikalisches Wunderland auf die Bühne, in dem die Wahrheit verworren ist. Alice muss ihren Horizont erweitern, um zu verstehen, dass Wahnsinn eine Frage des Standpunktes ist: „Ich bin nicht verrückt! Meine Realität ist einfach anders als deine.“<BR /><BR /><b>Experimente</b><BR /><BR />In Matteo Franceschinis Bühnenwerken wird auf unterschiedlichste Weise experimentiert: Forést etwa ist eine „Food Opera“, My Way To Hell hingegen eine „Electropera“, in der sich Elemente von Monteverdi bis Metallica wiederfinden. Der Komponist zieht jedoch auch bedeutende literarische Werke als Gegenstand für seine Opern heran, zum Beispiel Raymond Queneaus Roman „Zazie dans le métro“ oder Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“. <BR /><BR />Was all diese Werke verbindet, ist eine gewisse Traumdimension, ein Bezug zur Märchenwelt, ein „überaus interessantes Terrain, das sowohl aus textuellen Gesichtspunkten als auch in der musikalischen Auslegung großen Gestaltungsspielraum ermöglicht. Noch nie zuvor habe ich eine solche Schaffensfreiheit erlabt wie bei Alice, wo die Textvorlage selbst bereits den Einsatz verschiedener musikalischer Muster nahelegt. Genau das ist es, was mich daran so reizt: herauszufiltern, was herauszufiltern ist, und das Ganze dann mit meiner persönlichen Poetik zu vervollständigen“, so der Komponist Franceschini.<BR /><BR /><BR /><b>Uraufführung</b><BR /><BR />Nach der halbkonzertanten Uraufführung 2016 in der Pariser Philharmonie (danach machte das Stück an anderen französischen Theatern Station), wurde Alice umgearbeitet. Franceschini verkleinerte die Besetzung (aus dem Orchester wird ein Ensemble), verwandelte einige gesprochene Teile in Gesangspassagen und übersetzte das Libretto von Edouard Signolet ins Italienische. Das Resultat ist eine kompaktere Kammerversion, die jedoch die Idee des Originals, dessen breite Farbpalette, dessen Reichtum an stilistischen Andeutungen und jene „Prise Irrsinn“ – von der laut dem Komponisten in dieser Oper mehr steckt als in all seine anderen Werken – in vollem Ausmaß mittransportiert. <BR /><BR />Franceschini charakterisiert Alice als moderne Jugendliche, als lebhaftes, überlegtes, neugieriges Mädchen, das sich ohne Scheu auf eine Reise ins Unbekannte begibt und mit einer ganzen Reihe von seltsamen Wesen konfrontiert wird, die ihr völlig fremd sind und sich oft verrückt oder nicht besonders nett verhalten. Ihre Reise ist eine Traumsequenz (und gleichzeitig ein Prozess des Heranwachsens), in der alles unlogisch ist (obwohl die Figuren stets das Gegenteil behaupten), wo Vernunft und Illusion, Wirklichkeit und Fantasie miteinander verschwimmen. <BR /><BR />Der Komponist hat ihr eine überaus vielfältige Gesangspartie (für Sopran) auf den Leib geschrieben, die zwischen verschiedenen Stilen und Klängen changiert und von Geflüster über intensiv lyrische Passagen bis hin zu stimmlich schrillen Stellen reicht, um Alices Gefühlslage in jeder Situation zu unterstreichen. Die restlichen Figuren werden von vier Interpreten gesungen, die in jeder Szene die Rollen wechseln, Alice aber auch als Erzähler zur Seite stehen. Dabei sind sie auch durchgehend fester Bestandteil der Handlung: als Alices Echo, als madrigalartiger Kommentar oder einfach als Beschreibung der Situation oder Alices Verhalten an den verschiedenen Stationen ihrer Reise. So bilden sie ein dichtes, polyphones Stimmennetz, das reich ist an Reibung und Kurzschlüssen.<BR /><BR /> Auch im Instrumentalpart werden stilistische Konnotationen miteinander verknüpft, Anspielungen auf alte und neue Klänge, Zitate, Anlehnungen an den Jazz, Tanzrhythmen, Naturechos. Franceschini nutzt das volle Klangspektrum seines 18-köpfigen Ensembles aus, das vorwiegend aus Bläsern besteht, wobei bei den Blechbläsern sehr häufig die Dämpfer zum Einsatz kommen (mitunter auch die sogenannten practice mutes, Übungsdämpfer). So rückt das Akkordeon mehr in den Vordergrund, während die lyrischen Passagen einem Streichquintett in die Hände gelegt werden. Spezielle Farbeffekte trägt schließlich das Schlagwerk bei: Zwei Perkussionisten schöpfen aus einem schier endlosen Arsenal an Schlaginstrumenten, das auch den ein oder anderen Klangwitz bereithält. Dramaturgisch ist die Struktur auf geschlossenen Formen aufgebaut, auf kurzen Episoden und Szenen, die sich jeweils durch eine eigene Farbe und Atmosphäre auszeichnen.<BR /><BR /><b>Vita</b><BR /><BR /><Fett>Matthias Losek</Fett> wurde 1969 in St. Pölten/ Niederösterreich geboren. Bereits in der Unterstufe schnupperte erstmals Bühnenluft als Regisseure und Darsteller selbstverfasster Stücke. Er besuchte das ORG St. Pölten mit Schwerpunkt Musik, gewähltes Instrument Klavier, welches er bereits mit 8 Jahren begann zu erlernen. Nach der Matura begann er mit dem Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien. Parallel dazu startet er Mitte der 1990er Jahre seine Laufbahn<BR />im Opernbetrieb. Zunächst als Regieassistent und Produktionsleiter bei diverseren Bühnen und freien Gruppen in Niederösterreich, Salzburg und Wien (hier etwa im legendären Wiener Operntheater des späteren langjährigen Intendanten des Klangforum Wien Sven Hartberger).<BR /><BR />Nach eigenen Regiearbeiten in den Jahren 1997 bis 1999 sowie den Abschluss seines Studiums (die Diplomarbeit schrieb der bekennende TV-Serien Fan über österreichische Fernsehserien) engagierte ihn der damalige Intendant der Bregenzer Festspiele nach Bregenz. Dort baute er die zeitgenössische Schiene der Festspiele Kunst aus der Zeit, welche bis zu seinem Abgang 2007 höchst erfolgreich lief.<BR /><BR />Matthias war in Bregenz in dieser Funktion sowie in seiner Verantwortung als Chefdisponent, künstlerischer Administrator für Orchesterkonzerte und Schauspiel sowie Referent für die Jugendarbeit Teil der inneren Führungsmannschaft der Bregenzer Festspiele. Mit dem Wechsel von<BR />Sir David Pountney an die Spitze der Festspiele 2002 wurde Matthias auch dessen Persönlicher Referent.<BR /><BR />2007 wechselte es als Persönlicher Berater in das Büro des damaligen Wiener Kulturstadtrates, Dr. Andreas Mailath-Pokorny. In seinem Verantwortungsbereich lagen alle von der Stadt Wien subventionierten Betriebe und Organisationen im Bereich Oper, Theater und Tanz (darunter das Theater an der Wien, das Tanzquartier Wien, Volkstheater und Theater in der Josefstadt, sowie die Wiener Symphoniker).<BR />2010 entschied er gegen eine Vielzahl von Bewerbern die Neubesetzung der Position des Künstlerischen Leiters des Festivals Wien Modern für sich. 1988 von Claudio Abbado gegründet zählt Wien Modern bis heute zu den wichtigsten und renommiertesten Festivals für Musik der Gegenwart. Bis 2015 hatte er diese Funktion inne und arbeitete in dieser Zeit mit einigen der wichtigsten Komponisten unserer Zeit: Georg Friedrich Haas, Olga Neuwirth, Beat Furrer, Peter Eötvös, Rebecca<BR />Saunders, Wolfgang Mitterer, Patrick Dusapin, Friedrich Cerha und Johannes Maria Staud. Neben dem RSO Wien und dem Klangforum Wien arbeitet er in diesen Jahren etwa mit dem Arditi Quartett,<BR />dem Ensemble Modern, dem Ensemble Intercontemporain, dem SWR Orchester, der London Sinfonietta sowie den Wiener Philharmonikern.<BR /><BR /> In seiner Intendanz wurde etwa die SitCom Opera von Bernhard Gander realisiert sowie der Tanzabend für Fortgeschrittene, für den er von der Zeitschrift Kurier Freizeit mit der Rose für die künstlerische Leistung ausgezeichnete wurde.<BR /><BR />2015 wurde er von der Stiftung Haydn von Bozen/ Trient beauftragt eine Schiene für zeitgenössisches Musiktheater zu konzipiere, welcher er ab der Saison 2015/16 auch als Künstlerische Leiter vorsteht.<BR />In den vier Jahren bisher wurden unter anderem Opern von George Benjamin, Johannes Maria Staud, Luca Francsesconi, Klassiker wie Lulu, La Wally oder Figaros Hochzeit sowie zahlreiche Uraufführungen und italienische Erstaufführung gezeigt. Mit dem Projekt Fringe installierte er se2018 auch eine Schiene noch weniger bekannte Name. <BR /><BR />Matthias Losek unterrichtete mehrere Semester an MUK Wiener Privatuniversität, er war Mitglied diverser Gremien und Jurys (Wiener Theaterjury, Musikpreis der Stadt Wien, Ernst Krenek Preis), im<BR />September 2015 hielte er auf Einladung von Georg Friedrich Hass eine Lecture für dessen Studenten an der Columbia Universität New York.<BR /><BR />Neben der Oper liebt Matthias Literatur und Film, zudem ist der passionierte Gärtner leidenschaftlicher Tennisspieler. Matthias Losek ist verheiratet und Diener einer Katze.