Vielleicht ist sein Geheimnis, „dass meine Musik gewisse Emotionen trifft.“ Dazu komme auch, dass einige berühmte Lieder in Filmen vorkamen. Die Musik mit dem Visuellen assoziieren, bringe Vorteile. Denn wenn man „What a feeling“ höre, dann tauche man sofort wieder in jenes Gefühl, das der Film einst vermittelt habe, meint der Musiker.<BR /><b><BR /><BR />Herr Moroder, ich war ein Kind, als meine ältere Schwester in den 70ern mit „I feel love“ wie wild durch die Wohnung tanzte. In den 80ern habe ich selbst mit „What a Feeling“ meine Eltern zur Weißglut gebracht und heute hört meine Tochter wieder „Daft Punk“ by Giorgio Moroder. Warum glauben Sie, dass Sie über so viele Jahrzehnte so viele Generationen immer wieder aufs Neue ansprechen. Ist dieses Disco feeling vielleicht ein „freier Raum“ für jeden und zu jeder Zeit?</b><BR />Giorgio Moroder: Tanzmusik läuft immer gut: Rock 'n' Roll wird heute gehört und hatte vor 30 Jahren einen unglaublichen Hype. Jeder will tanzen, Tanzen bringt Freude, und wenn die Musik gut ist, dann lebt sie eben weiter. Ich habe 5 oder 6 Lieder, die wohl gut sein müssen, weil sie immer noch gespielt werden.<BR /><BR /><BR /><b>Da sind Sie sehr kritisch zu sich selbst…</b><BR />Moroder: Nein, ich glaube nicht. Wenn man nach 40, 50 Jahren noch ein paar Lieder hat, die immer noch angehört werden, kann man glücklich sein. <BR /><BR /><BR /><b>Und doch gibt es ein Geheimnis…</b><BR />Moroder: Vielleicht trifft meine Musik gewisse Emotionen. Dazu kommt auch, dass einige berühmte Lieder in Filmen vorkamen. Jeder erinnert sich, wie Jennifer Beals in „Flashdance“ zu „What a feeling“ getanzt hat, oder „Thake my breath away“ in „Top Gun“ mit Tom Cruise und „Call me“ im Film „American Gigolò“ mit Richard Gere. Die Musik mit dem Visuellen zu assoziieren, bringt Vorteile. Denn wenn man „What a feeling“ hört, dann ist man sofort wieder in dem Gefühl, das der Film einst vermittelt hat. <BR /><BR /><BR /><b>Ja, aber meine Tochter kennt den Film gar nicht, hört aber Ihre Musik und tanzt dazu.</b><BR />Moroder: (Lächelt) <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="682667_image" /></div> <BR /><BR /><b>Zum Freitagabend: Was haben Sie empfunden, als mit dem Musical „I Feel Love“ in Bozen eine Uraufführung mit Ihren berühmtesten Hits stattfand? Sind Sie zufrieden mit der musikalischen und darstellerischen Umsetzung?</b><BR />Moroder: Ja, es hat gepasst. Die Sänger waren sehr gut. Steven Lloyd hat ein hervorragendes Arrangement insgesamt gemacht. Auch die Übergänge zwischen dem einen und dem anderen Song waren perfekt. Die Hintergrundgeschichte des Musicals kann ich nicht beurteilen. Darüber lässt sich diskutieren. Die Lieder allerdings habe ich als DJ 100 Mal gespielt und live aufgeführt. Die Emotion, sie noch einmal zu hören, ist interessant, aber nicht übermäßig groß. Die meisten Songs waren dem Original sehr ähnlich – was gut ist – einige anders arrangiert, aber gut. <BR /><BR /><BR /><b>Und was sagen Sie zum Hauptdarsteller Giulio, der ja eine Art „alter Ego“ zu Ihnen sein sollte. Haben Sie sich da ein wenige wiedergefunden?</b><BR />Moroder: Als Sänger war er sehr gut. Als Schauspieler auch. Aber es ist immer kritisch, wenn man sich „selbst“ sieht, dann fragt man sich, wie man das gemacht hätte. Er hat sich gut geschlagen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="682670_image" /></div> <BR /><BR /><b>Dieses Musical sollte schon 2020 eine Hommage für Sie (zum 80. Geburtstag) werden, musste aber Covid-bedingt verschoben werden. Wie kam es zur Auswahl der Musik? Haben Sie die Hits mit dem Autor (Stefan Vögl) und dem Regisseur (Andreas Gergen) gemeinsam ausgesucht, bzw. wie viel Giorgio Moroder steckt dahinter?</b><BR />Moroder: Ich habe nie über die Reihenfolge der Songs gesprochen, da ich die Geschichte nicht kannte. Mit Steven Lloyd habe ich lediglich darüber geredet, wie man einige Lieder für die Bühne etwas anders arrangieren könnte. Mehr nicht. Ich habe 25 Songs zur Verfügung gestellt. Ausgewählt wurden schlussendlich 24. Bei den Liedern muss man allerdings nicht so sehr auf die Melodie, sondern auf den Text achten, damit das Musical auch schlüssig ist. In die Dramaturgie selbst wollte ich mich nicht einmischen. Ich vertraute Steven und wusste, dass die Geschichte gut ist. <BR /><BR /><BR /><b>Gab es zuguterletzt dann doch noch ein Aha-Erlebnis?</b><BR />Moroder: Ja, eigentlich 2: Das Finale war sensationell. Sehr gelungen. Und ca. zur Hälfte wurden 5 Lieder nur ca.10 Sekunden angedeutet und gemixt, das war sehr interessant – eine Art Potpourri mit verschiedenen Tonarten und Sängern.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="682673_image" /></div> <b>Ihr weltberühmtes Oeuvre ist schlichtweg unüberschaubar, gibt es trotzdem Songs oder Filmmusiken Ihrer langen Karriere, die Sie besonders mögen. Oder anders gefragt: Waren die ersten Erfolge für Sie vielleicht die schönsten, oder etwa die letzten?</b><BR />Moroder: Bei meinen allerersten Erfolgen gab es 2, 3 Lieder, die ich gerne in Erinnerung behalte. Danach bin ich in die Staaten ausgewandert, und mit Donna Summer ist die neue Welle gekommen. Diese Zeit hat mich wesentlich mehr angespornt, noch härter zu arbeiten. <BR /><BR /><BR /><b>In den USA haben Sie auch technologisch mit Ihrer Musik Neuland betreten…</b><BR />Moroder: Ja, es ist nicht nur wichtig, Musik zu komponieren, sondern auch wie man sie präsentiert. Ich war einer der Ersten, der aufgezeigt hat, was man alles mit einem Synthesizer machen kann, der das Potential dieses elektronischen Musikinstruments erkannt und auch dessen Möglichkeiten bis zum Äußersten ausgereizt hat. Seitdem gab es kein Lied mehr ohne Synthesizer.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="682676_image" /></div> <BR /><b><BR /><BR />Als Weltkünstler haben Sie mit den berühmtesten Pop-Sängern, Regisseuren, Schauspielern des Kontinents Geschichte geschrieben und umgekehrt diese mit Ihnen. Die Frage, mit wem Sie am liebsten gearbeitet haben, stellt sich wohl nicht. Doch vielleicht könnten Sie uns einige Momente erwähnen, die für Sie zu den eindrucksvollsten Ihrer Karriere und besonders Ihres Lebens zählen?</b><BR />Moroder: Zuallererst muss ich auch hier Donna Summer erwähnen. Als Sängerin ist natürlich Barbara Streisand das größte Talent überhaupt. Und dann Bill Medley vom Soul-Duo Righteous Brothers, er hat in „Rambo III“ „He Ain’t Heavy, He’s My Brother“ gesungen – das war eine unglaubliche Stimme. David Bowie natürlich war ein Ausnahmetalent: Für den Film „Cat People“ hat er „Putting Out Fire“ nur 2 Mal aufgenommen, dann war der Song schon perfekt für den Film. Paul Schrader, der Regisseur konnte es kaum fassen, denn es ist sehr ungewöhnlich, dass 2 Aufnahmen genügen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="682679_image" /></div> <BR /><BR /><b>Gibt es bei Ihrer Arbeit, bei Ihrem Schaffen einen Punkt, wo Sie sich sagen: „Ich hab's geschafft“, oder bestehen immer gewisse Zweifel?</b><BR />Moroder: Ich glaube, dass ich an einem Punkt angelangt bin, wo die Lust nachlässt. Früher habe ich manchmal komponiert und mir danach überlegt, wer das Lied singen könnte. Jetzt würde ich das nicht mehr tun. Ich arbeite nur mehr auf Auftrag. Wenn zum Beispiel die Organisatoren der Fußballweltmeisterschaft in Katar anklopfen würden, dann würde ich ja sagen. <BR /><BR /><BR /><b>Und womit sind Sie derzeit beschäftigt?</b><BR />Moroder: Das möchte ich noch nicht verraten, doch es hat nichts mit Musik zu tun.<BR /><BR /><BR /><b>Giorgio Moroder ist eine Pop-Ikone. Wie aber ist Ihr Verhältnis zur Klassik oder zur sogenannten klassischen Moderne? Gibt es Komponisten oder Werke, die Sie besonders mögen, oder die Sie etwa gar beeinflussten?</b><BR />Moroder: Ich höre grundsätzlich wenig Musik, weder Pop noch Klassik. Doch mag ich Mozart, Beethoven, einige Werke von Rachmaninov, ich höre sie sporadisch, wenn es mir gerade einfällt.<BR /><BR /><BR /><b>„No Disco“, heißt es seit dem Ausbruch der Pandemie. Wie empfinden Sie diese Zeit, die wir so noch nie kannten. Gibt es eine Spirale für eine bessere Zukunft, insbesondere für die Jugend? Vielleicht gerade mit „I feel love“...</b><BR />Moroder: Mich hat die Pandemie glücklicherweise kaum aus meinem Lebensrhythmus geworfen. Mein Tag ist gut eingeteilt, ich lese Zeitungen, mache Kreuzworträtsel und gehe spazieren. Das war in Los Angeles, wo ich lebe, auch viel einfacher als hier. In die Disco gehe ich nie, nur wenn ich muss, ich war da oft genug. Die Jugendlichen aber haben ein Jahr verloren, das sie nicht mehr nachholen können. Hoffen wir auf bessere Zeiten. Die einzige Lösung ist natürlich die Impfung.<BR /><BR />Eva Bernhard und C.F.Pichler<BR /><BR /><BR />