Wie es zur Kooperation Busoni-Klavierwettbewerb und Deutsche Grammophon kam und wovon beide profitieren erklärt der Mann, der seit 2015 die kaufmännisch-strategischen wie auch die künstlerischen Belange des 125 Jahre alten Labels verantwortet. <BR /><BR /><b>Sie waren das erste Mal Juror beim internationalen Ferruccio-Busoni-Klavierwettbewerb. Wie würden Sie die künstlerischen Leistungen der jungen Pianisten und Pianistinnen dieser 64. Ausgabe auf den Punkt bringen?</b><BR />Clemens Trautmann: Der diesjährige Busoni-Wettbewerb ist ein eindrucksvolles Spiegelbild der internationalen Klavierlandschaft auf höchstem Niveau. Es sind verschiedene Traditionslinien festzustellen, auch anhand des Teilnehmerfeldes ablesbar, wobei sich der Einfluss der nationalen Klavierschulen etwas aufzulösen scheint. Das ist auch bedingt durch die sehr internationalen Biographien, insbesondere aus Asien stammende Pianisten und Pianistinnen, die in den USA und in Europa studieren oder leben. Wir stellen als Jury schon fest, dass oft die individuelle persönliche Aussage den Notentext und die Intention des Komponisten überlagert, was in vielen Fällen hochspannend ist, in manchen aber auch zu weit geht.<BR /><BR /><b>Die Anforderungen an technischer Bravour, Interpretation und musikalischer Reife sind in den letzten Ausgaben enorm gestiegen, allein durch das breite Repertoire, das von den einzelnen zu bewältigen ist, dazu die Proben mit dem Streichquartett und 2 Vorschläge für die abschließenden Konzerte mit Orchester. Finden Sie, dass die hohen Anforde rungen im Sinne der Aussage Ingolf Wunders, es sollte ja schließlich der „musikalischte Pianist“ gewinnen, übertrieben oder berechtigt sind?</b><BR />Trautmann: Nur eine komplette Künstlerpersönlichkeit sollte den Busoni-Wettbewerb gewinnen, genauso wie der Namensgeber Busoni ja auch in einem Schaffen sehr breit aufgestellt war, von seinen kühnen kompositorischen Würfen über die Arrangements bis zu seinem eigenen Klavierspiel. Nicht zuletzt die Kammermusik, die er geschrieben hat, und sein faszinierendes Klavierkonzert. Wenn man also dem Namensgeber dieses Wettbewerbs treu bleibt, sollten alle Genres vom Solorecital über die Kammermusik bis zum Klavierkonzert präsentiert werden, und auch die zeitgenössische Musik sollte nicht zu kurz kommen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="935530_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie sieht denn genau die Zusammenarbeit zwischen der renommierten Deutschen Grammophon und dem Busoni-Preis aus und was bringt es den jungen Pianisten und Pianistinnen?</b><BR />Trautmann: Die Deutsche Grammophon ist ja schon immer in der Nachwuchsförderung von absoluten Spitzentalenten tätig, etwa in dem Format „Yellow Lounge“, klassische Musik in Clubs, wo eben auch junge Menschen über junge Klassik-Stars an das Genre herangeführt werden. Die direkte Zusammenarbeit mit einem Wettbewerb ist nicht ganz neu, es hat dies beispielsweise regelmäßig mit dem Chopin-Wettbewerb gegeben, wo wir seit Jahrzehnten das Gewinneralbum veröffentlicht haben. Der erste, mit dem es dann eine langfristige exklusive Zusammenarbeit gab, ist kein Geringerer als <Fett>Maurizio Pollini</Fett>, gefolgt von Preisträgern wie <Fett>Krystian Zimerman</Fett> oder aus jüngeren Jahren <Fett>Rafal Blechacz, Seong-Jin Cho</Fett> und zuletzt <Fett>Bruce Liu</Fett>. <BR /><BR />So intensiv wie beim Busoni-Wettbewerb allerdings war die Zusammenarbeit jedoch noch nie. Das liegt daran, dass wir erst seit kurzem die Möglichkeit haben, audiovisuell und live zu übertragen und einen Wettbewerb in allen Facetten zu begleiten. Wir sind mit der neu gegründeten Klassikstream-Plattform „STAGE+“ Partner des Busoni Wettbewerbs und tragen dieses Signal in die ganze Welt, begleitet durch lokale Sprachversionen und Moderationen. <BR />So sind wir unter anderem in Japan mit STAGE+ in der Landessprache präsent und schaffen es so, den jungen Künstlern eine globale Aufmerksamkeit bei einem breiten Publikum zu schaffen und zugleich beim Fachpublikum, also Intendanten und Agenten, die auf dieser Plattform den Wettbewerb verfolgen. Sichtbarkeit schaffen und eine Karriere anzustoßen, das ist unser Beitrag. Wir werden auch mit dem Gewinner eine audiovisuelle Produktion im Rahmen unserer „Rising Stars“ auf STAGE+ kreieren, wo ein ganzes Recital eingespielt wird; daraus entstehen Video- und Audioveröffentlichungen. <BR /><BR /><BR /><b>Werden Sie mit anderen großen Wettbewerben dieses Format weiterentwickeln?</b><BR />Trautmann: Mit dem Busoni-Wettbewerb haben wir ein erfolgreiches Pilotprojekt auf STAGE+ geschaffen, und ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Format für andere Wettbewerbe und Instrumentengattungen weiter entwickeln; aber wenn, dann sehr selektiv, sodass es auch der Reputation unserer Marke entspricht, und das ist nur mit den führenden Wettbewerben in Betracht zu ziehen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="935533_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Und was ist das Reizvolle am Busoni-Wettbewerb?</b><BR />Trautmann: Ich empfinde den Busoni-Wettbewerb als besonders innovativ. Was hier in den letzten Jahren konzeptionell und medial entwickelt wurde, ist enorm spannend. Da gibt es eben auch die Offenheit zur Zusammenarbeit mit globalen Medienpartnern, was bei national geprägten Wettbewerben nicht immer der Fall ist, wo meist die lokale Rundfunkanstalt im Fernsehen und Radio überträgt. Die Klassikwelt ist mittlerweile ja durchgehend international und digital, und das begreift der Busoni-Wettbewerb als Chance.<BR /><BR /><BR /><b>Sie sind als Instrumentalist Klarinettist. Haben Sie sich im Laufe der letzten 2 Wochen angesichts eines so überbordenden Tastenrauschens den schönen weichen Klang der Klarinette herbeigewünscht?</b><BR />Trautmann: Ich liebe das Klavier, als engagierter Nebenfachpianist habe ich einige wenige Bach-Bearbeitungen aus dem Busoni-Repertoire auch gespielt. Deswegen habe ich sehr genossen, als Juror auch tiefer in die Partituren einzusteigen. Mit Tablets konnten wir direkt an unseren Jury-Tischen alle relevanten Partituren einsehen, auch das eine tolle Innovation. Neben den großen Klassikern wie der Liszt-Sonate und den Chopin-Etüden gab es hochspannendes zeitgenössisches Repertoire und Werke von Busoni kennenzulernen, die mir bisher nicht so vertraut waren. Eine Woche der Entdeckungen, in der ich die Klarinette nicht vermisst habe. <BR /><BR /><BR />I<b>m Busoni-Talk referieren Sie über den „Künstler der Zukunft“. Wie soll er oder sie sein? Welches sind die großen Herausforderungen?</b><BR />Trautmann: Zu den großen Herausforderungen zählt die immer stärkere Fragmentierung unserer Welt. Einzelinteressen werden größer und Fan-Gemeinden für diese Spezialgebiete kleiner. Zugleich werden Aufmerksamkeitsspannen immer kürzer. Da mit künstlerischen Leistungen durchzudringen und gesellschaftliche Relevanz zu erlangen, ist extrem schwierig. Das geht über die hervorragende Beherrschung des Handwerks weit hinaus. Man braucht eine große künstlerische Vision mit Alleinstellungsmerkmalen und mindestens eine genauso große Kommunikationsgabe, um diese zu vermitteln. Und das schließt eben auch eine organische und authentische Arbeit mit sozialen Netzwerken ein. In den USA und Skandinavien spielen z.B. analoge Medien kaum eine Rolle mehr. 85 Prozent der Klassik-Verkäufe in den USA sind Streams, nur noch sehr wenige CDs oder Schallplatten. Die künstlerische Leistung muss auch digital glaubwürdig transportier- und erlebbar sein. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="935536_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Haben Sie beim Busoni solche Persönlichkeiten entdeckt?</b><BR /> Trautmann: Ich würde es mit einem klaren Ja beantworten. <BR /><BR /><BR /><b>Das Problem in nächster Zukunft ist ja auch die Frage der Autorenrechte. Jeder kann mit einem Klick alles Mögliche herunterladen. Wie sehen Sie diese Thematik? Welchen Schutz bietet da auch ein Traditionslabel wie die Deutsche Grammophon?</b><BR />Trautmann: Wir stehen dafür ein, dass die Rechte der Künstler und Künstlerinnen und zugleich der Werkmittler wie der Labels und Verlage umfassend geschützt werden. Dazu gehört auch, dass künstlerische Leistungen adäquat vergütet werden. Der Schutz der Rechte in der digitalen Welt ist eine Herausforderung, wo wir als Traditionslabel zusammen mit unserer Muttergesellschaft Universal Music unseren Künstlern und Künstlerinnen viel Gestaltungskraft und Know-How bieten können, auch wenn es darum geht, gegen nicht autorisierte Veröffentlichungen im Internet vorzugehen.<BR /><BR />Das Interview wurde vor der Bekanntgabe der Preisträger geführt.<BR />