Michael Pichler aus Lüsen lebt in Heidelberg, wo er Chordirektor am Theater ist und seit einigen Monaten leitet er auch die neu gegründete „Südtirol Filarmonica“.<BR /><BR /><BR />Von Eva Bernhard<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Können Sie sich an Ihr erstes Stück erinnern, das Sie dirigiert haben?</b><BR />Michael Pichler: Meine ersten dirigentischen Gehversuche absolvierte ich bei der Musikkapelle Lüsen mit einer Art Rockarrangement, nichts spektakuläres also.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Welches Werk/Mensch hat Sie bewogen, diesen Weg einzuschlagen?</b><BR />Pichler: Die Begeisterung für Musik war schon als Kind vorhanden. Der Wunsch, Dirigent zu werden, reifte allerdings erst um meinen 15. Geburtstag herum. Entscheidende Motivation, dieses Ziel auch ernsthaft zu verfolgen, erhielt ich aber von meinem damaligen Tuba Lehrer an der Musikschule Brixen, Toni Pichler.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Gibt es ein Ereignis, das Ihr Weltbild total verändert hat?</b><BR />Pichler: Mit dem Studienbeginn in Wien vor 11 Jahren habe ich mich mehr und mehr mit dem Thema Bewusstsein und Bewusstwerdung beschäftigt, und dadurch tauchte irgendwann auch die Frage nach dem Sinn im Allgemeinen auf. Der erste „Augenöffner“ in diese Richtung war das Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ und aktuell lese ich bereits zum wiederholten Male „Quantenphilosophie und Spiritualität“ von Ulrich Warnke. Es geht darum, die geistige, gedankliche Ebene mit der physischen, körperlichen Ebene in Einklang zu bringen.<BR />Die Erkenntnis, dass man durch seine eigenen Gedanken in jeder Sekunde seines Lebens die geistige Ursache für seine eigene Realität setzt, wird mich wohl für den Rest meines physischen Daseins prägen. Dieses „Ereignisse“ bestimmen mein Weltbild.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Mehr denn je hat sich in dieser Zeit gezeigt, dass die Gesellschaft Kultur braucht, weil..</b>.<BR />Pichler: Kultur ist per Definition all das, was der Mensch durch sein Tun hervorgebracht hat und somit das Gegenteil zur Natur. Daher wird es Kultur solange geben, wie es auch den Mensch geben wird. Viel interessanter aber finde ich, die Kultur im Zusammenhang mit dem Begriff Kunst zu erwähnen. Denn Kunst ist ein kaum erklärbarer Begriff und verlangt dadurch vom „Kunsterlebenden“ eine Auseinandersetzung auf einer höheren, geistigen Ebene und genau deswegen ist Kunst und Kultur auch der geistige Nährboden einer Gesellschaft.<BR />Sie zwingt zum denken, sie bringt Chaos in die Ordnung und Ordnung in das Chaos. In Kunst und Kultur spiegeln sich die Werte, die Intuition und der Spirit einer Gesellschaft wider. Kunst und Kultur bieten einer Gesellschaft die Möglichkeit, sich zu einigen sowie sich in Frage zu stellen. Beides ist notwendig.<BR />Interessant finde ich auch das Phänomen, dass – wie bereits erwähnt – der Begriff Kunst kaum allgemein gültig erklärbar ist. Bei konkreter Nachfrage aber, ob dies oder jenes Kunst sei oder nicht, erhält man dennoch von den meisten Menschen eine klare Antwort. Nur eine Erklärung nach dem Warum bleibt oft unbefriedigend. Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass die Gesellschaft sehr wohl mit ihrer eigenen Empfindung Kunst von „Nichtkunst“ unterscheiden kann. <BR /><BR /><BR /><b>Frage: Wer ist für Sie der bedeutendste Künstler der Geschichte?</b><BR />Pichler: Beethoven. Sein Schaffen stellt ganz klar die Mitte aller sinfonischer Musik dar. Ich möchte sogar so weit gehen und sagen, dass es musikgeschichtlich ein Vor und ein Nach Beethoven gibt. Seine Neunte ist wohl der markanteste Eckpfeiler in der Musikgeschichte. Der berühmte Dirigierprofessor Hans Swarowsky sagte: „Mit Beethoven hat die Musik zu denken begonnen.“ Mehr noch – sie zwingt uns sogar zum Denken und das bis heute. <BR /><BR /><BR /><b>Frage: Welche Frage würden Sie ihm gerne stellen?</b><BR />Pichler: Wahrscheinlich würde ich mit Beethoven hauptsächlich über kompositionstechnische Fragen sprechen. Sehr gerne würde ich aber verstehen wollen, wie er beispielsweise auf das Hauptthema der Fünften Sinfonie gekommen ist. Möglicherweise wäre die Antwort aber genauso banal wie die Frage und würde klischeegemäß in Richtung „So pochte das Schicksal an dieTür“ gehen. Noch mehr aber glaube ich, dass ich in der Gegenwart Beethovens einfach gar nichts mehr sagen könnte; zu groß wäre der Eindruck dieses Moments.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Was bedeutet für Sie Schönheit?</b><BR />Pichler: Die Antwort auf diese Frage gehört wohl zur Königsklasse in der Philosophie. Wenn ich so ganz spontan darüber nachdenke, empfinde ich Schönheit im ersten Moment als etwas Duales. Sozusagen als die innere und die äußere Schönheit. Wenn ich diesen Gedanken aber weiter spinne, muss ich an ein bestimmtes kosmisches Gesetz denken: Wie unten so oben – wie oben so unten; oder eben: wie im Innen so im Außen und umgekehrt. <BR />Auf das Einfachste reduziert könnte ich also sagen, dass Schönheit für mich folgendes bedeutet: Wenn ich im Inneren Schönheit empfinde, dann manifestiert sie sich auch im Außen und umgekehrt. Somit versuche ich stets innere und äußere Schönheit gleichermaßen zu pflegen.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Der französische Poet Theophile Gautier prägte den Begriff „L’art pour l’art“ (Kunst der Kunst willen) und machte so 1835 erstmals die Kunst selbst zum Thema. Einen Luxus, den man sich heute noch leisten kann?</b><BR />Pichler: Zwei Problematiken machen es schwierig, eine sinnvolle Antwort auf diese Frage zu finden. Erstens ist der Begriff Kunst kaum erklärbar und Zweitens hat jeder Mensch andere Vorstellungen darüber, was Kunst ist. Für die einen ist es eher Musik, Malerei, Poesie, Tanz und Schauspiel für die anderen vielleicht eher Architektur, Bildhauerei, Handwerk, Design, oder eben Technik, Planung, Organisation und vielleicht auch Sport? <BR />Kunst ist daher kein Luxusgut, das man sich leisten kann oder muss. Kunst ist alles und nichts zugleich. Die Überlegung „Kunst um der Kunst Willen“ beinhaltet aus meiner Sicht zwei entscheidende Worte: Kunst und Wille. Als ausführender Musiker und Künstler muss der Wille, Kunst auszuführen, aus der Erkenntnis genährt sein, dass es eben die Kunst ist, die auch über einen Willen verfügt, der etwas von uns will. So bekommt auch das viele Üben, Studieren und die permanente, zum Teil sehr harte Wettbewerbssituation, einen tiefergehenden Sinn. Allein dadurch bekommt man überhaupt eine Motivation, diesen Weg zu gehen.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Und was würden Sie gerne einmal einem Kunstkritiker sagen?</b><BR />Pichler: Vielen Dank für die tollen Artikel in den vergangenen Jahren!<BR />An dieser Stelle möchte ich aber erwähnen, dass ich die Berufsbezeichnung Kritiker nicht mehr ganz zeitgemäß finde und eigentlich auch nicht zu Kunstliebhabern passt. Abgesehen davon, dass der wahre Kritiker nur der Künstler für sich selbst sein kann, würde ich es großartig finden, wenn sich irgendwann eine neue, wohl klingendere Bezeichnung für diesen Beruf etablieren würde.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?</b><BR />Pichler: Aktuell arbeite ich am Theater Heidelberg als Chordirektor mit Dirigierverpflichtung. Das bedeutet, dass ich mit dem Chor die Partien der Opern einstudiere und darüber hinaus mit dem Dirigieren von Konzerten und Opernvorstellungen betraut werde. Demnach wäre die nächste Stufe 1. oder 2. Kapellmeister, und das wäre auch ein erstrebenswertes Ziel der nächsten 5 Jahre. Der Weg durch die „Theatermühle“ ist sehr geregelt und hat besonders in Deutschland eine lange Tradition, in die sich große Namen wie Richard Strauss, Gustav Mahler bis hin zu Karajan und Thielmann einreihen.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Harmonie bedeutet für mich...</b><BR />Pichler: Wenn die Dinge in Balance sind. Wenn man im Einklang mit sich selbst und seinem Umfeld ist. Wenn man Sinn in seinem Tun erkennt.<BR /><BR /><BR /><b>Frage: Mein Ort der Harmonie ist...</b><BR />Pichler: Die Natur und mein Inneres.<BR /><BR /><BR /><b>Die „Whos“ des Dirigenten</b><BR /><BR /><BR /><b>Name:</b> Michael Pichler<BR /><BR /><b>Beruf:</b> Dirigent<BR /><BR /><b>Alter:</b> 32 Jahre alt<BR /><BR /><b>Aufgewachsen</b>: in Lüsen<BR /><BR /><b>Was haben Sie studiert?</b> Orchesterleitung in Wien und in Mannheim<BR /><BR /><b>Wo arbeiten Sie gerade?</b> Aktuell am Theater Heidelberg, vorher mehrere Jahre Dirigent bei den Südtiroler Operettenspielen.<BR /><BR />