Hans Werner Henze, einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, ist tot. Er starb am Samstag in Dresden im Alter von 86 Jahren.Der in Deutschland geborene Wahl-Italiener habe in der vergangenen Woche während einer Konzertreise einen Zusammenbruch erlitten, als Spätfolge der Parkinson-Erkrankung, teilte die Sprecherin des Mainzer Schott-Verlags, Christiane Krautscheid, der Nachrichtenagentur dpa mit. Nach wenigen Tagen im Krankenhaus sei er gestorben.Mehr als 130 Werke kennzeichneten Henzes künstlerische Schaffenskraft. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seiner hoch gelobten 9. Symphonie unter anderem die Oper „Die Bassariden“, die 1966 in Salzburg bejubelt wurde. Nach Angaben seiner Verlage soll Henze in seiner Wahlheimat, in Marino bei Rom, bestattet werden. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest.Noch Mitte Oktober besuchte Henze in Dresden eine Aufführung seines Orchesterstücks „Sebastian im Traum“, dirigiert von Christian Thielemann. An diesem Samstag wollte er in der Semperoper zwei Ballett-Werke nach Musik von ihm besuchen. Die Aufführungen am Abend sollten dem gestorbenen Komponisten gewidmet werden.Uraufführung erst am 20. OktoberZuletzt war genau eine Woche vor seinem Tod – am Samstag, dem 20. Oktober – ein Musikstück von Henze in der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt worden. Henze hatte das etwa fünfminütige Stück, „Ouvertüre zu einem Theater“, zur Hunderjahrfeier des Opernhauses im Stadtteil Charlottenburg komponiert. Mit der Deutschen Oper verband Henze seit den 60er Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit.Henze wurde am 1. Juli 1926 in Gütersloh als Sohn eines Dorfschullehrers geboren und studierte an der Staatsmusikschule in Braunschweig Klavier, Schlagzeug und Musiktheorie. Nach dem Krieg ging er an das Kirchenmusikalische Institut nach Heidelberg und studierte anschließend Komposition in Darmstadt und Paris. Konflikte mit seinem autoritären Vater, der mit den Nazis sympathisierte, prägten Henze nachhaltig.Die Werke „Boulevard Solitude“ (1952), „König Hirsch“ (1956), „Der Prinz von Homburg“ (1960) und „Elegie für junge Liebende“ (1961) begründeten Henzes Ruf als Opernkomponist. 1966 kam dann der endgültige Durchbruch mit „Die Bassariden“. Dass er selbst Radikalität zeigte und für viele Jahre im Sog seines Freundes Rudi Dutschke zum antibürgerlichen Klassenkämpfer und unbeugsamen Verfechter des Sozialismus wurde, trug ihm viele Schmähungen in seinem Heimatland ein.Sie reichten vom stillschweigenden Boykott seiner Werke bis zum schrillen Eklat, als sich der Rias-Chor 1968 in Hamburg weigerte, unter einer roten Flagge das dem Revolutionär Che Guevara gewidmete Oratorium „Das Floß der Medusa“ zu singen. Bereits im Jahre 1953 wanderte der Künstler, der offen mit seiner Homosexualität umging, nach Italien aus, wo er auf einem Landsitz nahe Rom lebte.1988 begründete Henze mit der Münchner Biennale für Neues Musiktheater eines der größten Foren gegenwärtigen Komponierens.Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die der wohl produktivste und am meisten gespielte Opernkomponist der Nachkriegszeit erhielt, gehören der Robert-Schumann-Preis (1951), der Ernst-von-Siemens-Musikpreis (1990), der Praemium Imperiale (2000) und der Cannes Classical Award in der Kategorie „Best Living Composer“ (2001).2003 wurde Henze zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.Ein Jahr später erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik und Theater in München.2008 bekam Henze das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Bislang erhielten nur rund 120 Persönlichkeiten die Ehrung in dieser Ordensklasse – unter insgesamt rund 243 000 Auszeichnungen mit dem Bundesverdienstkreuz seit 1951 überhaupt.dpa