Hier das große Geburtstagsinterview.<BR /><BR /><BR /><i>Interview: Sieglinde Höller</i><BR /><BR /><b>Ein Rocker wird 40 – könnte heute ein schwieriger Tag werden.</b><BR />Philipp Burger: Nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Ich freue mich auf die nächste Dekade und hoffe, dass ich dasselbe auch zu meinem 50er, 60er bis, im Optimalfall, 100er sagen kann. Zudem sagt „Mann“, Männer seien eh wie edler Wein: Wir würden mit den Jahren immer besser, schöner und wertiger werden (lacht).<BR /><BR /><BR /><b>Was an Ihnen ist auch mit 40 immer noch nicht ganz „bürgerlich“?</b><BR />Philipp Burger: „Burgerlich“ muss das heißen (lacht). Als solider Familienmensch, Steuern zahlender Musiker, Landwirt, vermehrt auch wieder handwerklich Tätiger, als Kirchgänger, durchaus konservativ Denkender bin ich in der Tat sehr bürgerlich. Nicht bürgerlich ist meine Art, egal bei was und bei wem, meine ehrliche Meinung zu vertreten, dabei auch gerne Diskussionen zu entfachen, hierfür auch gerne anzuecken und am Ende ehrlich einen „Scheiß“ drauf zu geben, was die vermeintliche „Mehrheitsseite“ von mir denkt. Da, wo alle hin rennen, möchte ich meistens nicht stehen.<BR /><BR /><b>Welche Rolle spielen „Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll“ ?</b><BR />Philipp Burger: Ganz ehrlich, bis auf Alkohol (aber auch den nur bei guter Laune, nie zum Stimmung aufhellen) und Zigaretten, habe ich um Drogen immer einen großen Bogen gemacht. Wie wir alle bei Frei.Wild. Sex ist schön, gesund und somit absolut wichtig. Und den wahren, alten Geist des Rock'n'Roll à la „London calling“, wo Bands noch mutig, Anti-Establishment, eben „Scheiß auf Ruf und Trend“ waren, vermisse ich leider etwas in der heutigen Welt der verzerrten Gitarren. Ich würde aber sagen, dass wir ihn ziemlich gut verkörpern, auf unsere eigene Weise, aber seit 20 Jahren konsequent, mit Leidenschaft und ohne Rücksicht auf Verluste.<BR /><BR /><b>Bitte einen Blick in den Rückspiegel: Gibt es etwas, das Sie anders machen würden?</b><BR />Philipp Burger: Oje, sehr vieles. Wenn ich auch mit meinem Leben und den durch meine Fehltritte erlernten Erfahrungen absolut zufrieden bin. Ich kann nicht jammern und schätze alles, was mein Leben zu dem macht, was es ist. Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, würde ich mich selbst manchmal etwas weniger wichtig nehmen. Ich würde versuchen, viele Dinge gelassener zu sehen und vor allem eines umsetzen: manche Einstellungen und Meinungen von vermeintlich „engen Freunden“ besser hinterfragen. Also mehr auf mein Herz hören. Vor allem die politischen Sichtweisen meiner Jugend sind damit gemeint.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="626504_image" /></div> <b>Sie sprechen Ihre Vergangenheit als Skinhead an?</b><BR />Philipp Burger: Ganz genau, es geht nicht mal darum ob ich jetzt „Normalo“, Skinhead, Punk, Gothik oder etwa Biker gewesen bin. Es geht darum, dass mir meine ausgrenzende Haltung in der rechten Szene sehr viele Begegnungen mit tollen Menschen verbockt hat. Es waren sicher auch tolle Zeiten, klar. Aber in Summe habe ich auf 90 Prozent möglicher anderer Freunde verzichtet, die ich ohne Bomberjacke und Springerstiefel sicher kennengelernt hätte. Durch Engstirnigkeit, durch Gruppendynamik, durch Überheblichkeit. <BR /><BR /><b>Was haben sich Ihre Eltern für Sie gewünscht?</b><BR />Philipp Burger: Dass ich das mache, was mir Freude macht, zumindest sagten sie das immer. Aber ganz ehrlich: Ich denke mein Vater meinte das wirklich so. Meine Mutter streitet es zwar heute noch ab, aber sie hätte mich vermutlich viel lieber als Architekt oder – im zweitbesten Fall – als Lehrer gesehen. Wie sie selbst es eine ist und gefühlt meine halbe Verwandtschaft. So in der Art: „Philipp, Sicherheit geht über alles, also warum kein Landesangestellter? Mehr kann dir die Welt nicht bieten“ (lacht).<BR /><BR /><b>Und jetzt machen Sie laute Musik auf der Bühne…</b><BR />Philipp Burger: Ja, und das genau seit 20 Jahren in ein und derselben Besetzung, mit Freunden also. Und genau das ist es auch, was ich brauche, was mich glücklich und zufrieden macht. <BR /><BR /><b>Wie reich sind Sie durch die Musik geworden?</b><BR />Philipp Burger: An Erfahrung sehr reich, ansonsten reicht es für die Landwirtschaft (lacht).<BR /><BR /><b>Was braucht man wirklich zum Glücklich sein?</b><BR />Philipp Burger: Eigentlich gar nicht so viel. Ich brauche eine Portion an Sicherheit, Familie, Freundschaft, Natur, Ziele, Erfolge und gerne auch harte Herausforderungen. Gesundheit gehört natürlich auch dazu, Glaube ebenso. Klingt nach viel, aber fast alles hängt irgendwie zusammen.<BR /><BR /><b>Wenn Sie auf Ihre Jugend zurückblicken: Was ist bei Ihnen heute noch so wild wie früher?</b><BR />Philipp Burger: Meine Art für Dinge, die mir wichtig sind und die mich erfüllen, aber auch für meine Freunde und Kollegen mit vollem Einsatz da zu sein. Hierfür überschreite ich manchmal auch Grenzen. Dabei gehe ich auch gerne Risiken ein. Ich meine damit keine gesetzlichen, keine ethischen oder moralischen, ich spreche von der eigenen Belastungsgrenze und der Grenze des Zumutbaren auch für andere, um mit mir Schritt zu halten.<BR /><BR /><b>Was machen Sie heute, wofür Sie sich im Jahr 2001, mit 20, geschämt hätten?</b><BR />Philipp Burger: Geschämt ist das falsche Wort, aber dass mein Leben mit 40 so ausschauen würde wie jetzt, hätte ich mit 20 niemals geglaubt. Ich dachte mein „Never ending“-Trieb, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen, jede Sekunde Schlaf als verschenkte Lebenszeit anzusehen und jede einzelne Feier intensiv zu erleben, würde ewig so weiter gehen. Ebenso diese unendlich große Energie. Heute will ich einfach meine Ruhe haben. Brauche nicht mehr so viele Leute um mich herum und lasse auch gerne einfach meine Seele baumeln, oder die Fliegenköder.<BR /><BR /><b>Sie haben 2 Kinder. Wie können diese bei einem Vater, der Rocker ist, rebellieren (wenn sie im Teenager-Alter sind)?</b><BR />Philipp Burger: Das wird sich zeigen, aber sie rebellieren heute auch schon nicht wenig. Was sie aber von ihrer Mutter haben (lacht).<BR /><BR /><b>Wie schaffen Sie es, Ehefrau und Kinder aus dem Hype um Frei.Wild heraus zu halten?</b><BR />Philipp Burger: Indem wir unsere Kinder diesbezüglich konsequent abschirmen und ihnen die Gefahren, die die Popularität der Eltern mit sich bringt, von klein auf aufgezeigt haben. Es werden auch keine Fotos gemacht oder gar ins Netz gestellt.<BR /><BR /><b>Gefühlt alle 2 Jahre muss sich Frei.Wild medial von Extremismus jeglicher Art distanzieren. Wie geht Ihre Familie damit um?</b><BR />Philipp Burger: Es stimmt, wir sind nun mal in der Pflicht, sei es für unsere Fans, unsere Partner, aber auch für unsere eigene Zukunft, zu unserer Band oder meiner Historie Stellung zu beziehen. Schon 20 Jahre lang. Unser aller Familien stehen seit jeher wie ein Fels in der Brandung, wissen um die Mechanismen diverser Journalisten und bewundern uns für unser Durchhaltevermögen. Und ganz ehrlich, sie können den immer wieder alten und selben Gulasch genau so wenig hören wie wir selbst.<BR /><BR /><b>Vor wenigen Jahren haben Sie einen Bauernhof in der Mahr gekauft. Stall und Studio – passt das zusammen?</b><BR />Philipp Burger: Ja, es ergänzt sich, und, ganz ehrlich, es ist der für mich der perfekte Ausgleich. Musik, Landwirtschaft, Handwerk, etwas Tourismus durch Ferienwohnungen – mehr „Rock'n'Roll“ geht nicht. Ich mache, was ich will und das bei Wind und Wetter. Zudem lerne ich jeden Tag etwas dazu und schätze, dass ich meinen „Way of life“ leben kann. <BR /><BR /><b>Andere kaufen sich zum 40. einen Porsche, Philipp Burger gibt sein erstes Solo-Album heraus. Ein Zeichen von Midlife-Crisis?</b><BR />Philipp Burger: Ich hoffe doch nicht. Ich hatte, genau wie Teile meiner Bandkollegen auch, jetzt einfach die Zeit und das Bedürfnis, auch mal eigenständige, „Frei.Wild-unabhängig“ Musik zu machen. Ich meine, ich arbeite durch mein Songwriting eh mit Zig Musikern aus verschiedensten Richtungen zusammen. Aber einmal ohne Föhre, Zegga und Jonas ein Album aufzunehmen, nur mein eigenes Leben zu verarbeiten, ist auch eine Abwechslung, die spannend klingt. Und Abwechslung liebe ich nun mal. <BR /><BR /><b>Erzählen Sie vom Album.</b><BR />Philipp Burger: Nun ja, mein erster Solotrack erscheint unter „Philipp Burger – Kontrollierte Anarchie“ und ist eine Art Suche nach meinen Irrwegen und den Konsequenzen daraus. Ich gehe dabei der Frage nach dem „Warum“ auf den Grund, nehme mich dabei auch selber aufs Korn und suche die Antwort darauf, was mich in diese Szene getrieben hat. Auch erkläre ich meinen Trieb der Provokationslust und erkenne an, dass ich sowohl nach Selbstkontrolle, auf der anderen Seite aber auch nach anarchischen Gefühlen strebe.<BR /><BR /><b>Folgt auf das Solo-Album eine Solo-Karriere?</b><BR />Philipp Burger: Nein, diese möchte ich aber auch gar nicht, ich will das sicher anständig machen, gerne auch irgendwann mit einer Tour oder einem Folgealbum, aber Frei.Wild ist und bleibt mein Leben, meine Nummer 1. Genau damit und genau mit meinen Kollegen Föhre, Zegga und Jonas will ich laut, frei und wild alt oder jetzt eben noch älter werden (lacht). <BR /><BR /><b>Wird es Memoiren geben?</b><BR />Philipp Burger: Ich führe diesbezüglich gerade Verhandlungen mit einigen Verlagen im In- und Ausland. Es scheint derzeit zum Glück großes Interesse zu bestehen, meinem Leben auf den Grund zu gehen. Ich denke aber auch, dass es wirklich nicht viele Reichweiten-starke Sänger, Landwirte, Zimmerer, Fischer in Personalunion gibt, die auf ein derartig ereignisreiches und vor allem von so viel Medienrummel begleitetes Leben bauen können. Natürlich gibt es hierfür einen Markt und natürlich fasziniert mich auch ein eigenes Buch.<BR /><BR /><b>Viele Rock-Legenden touren mit 70 noch immer. Burger (mit oder ohne Frei.Wild) auch?</b><BR />Philipp Burger: Wenn es möglich ist und unser aller Feuer auch dann noch mit Liebe, Stolz und Leidenschaft für Frei.Wild brennt, dann auf jeden Fall.<BR /><BR /><BR />