Für die Deutschsprachige Erstaufführung im Salzburger Landestheater verwob Jossi Wieler „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ mit der Beckett-Vorlage zu einem 90-minütigen, pausenlosen Doppelabend.Szenische Aktivitäten gibt es in dem von Anja Rabes gebauten nüchternen Bühnen-Erker, der nach dem Beckett-Teil gedreht wird, praktisch keine zu sehen. Im Hintergrund laufen Schwarz-weiß-Videoprojektionen mit stark vergrößerten Alltagshandlungen. Aktionistischer Höhepunkt ist eine kleine Slapstick-Einlage von André Jung, der den Tonband- und Bananen-Fetischisten Krapp einen kleinen Phantom-Stolperer machen lässt - über eine Bananen-Schale, die er kurz zuvor vorsichtshalber bereits weggeräumt hatte.Natürlich ist „Das letzte Band“ - wie auch Becketts Prosa - eine virtuose Reduktion (und das scheint genau der Punkt gewesen zu sein, der Handke interessiert hat), und natürlich ist André Jung ein Virtuose, der sich gerade in der Zurückhaltung behauptet. Er setzt kleine, subtile Gesten, lange Pausen, und lässt das Bild eines innerlich tief Verzweifelten entstehen, der über dem ständigen Archivieren und Reflektieren seines Lebens darauf vergessen hat, es tatsächlich zu leben. Auch auf den Tonband-„Spuuuulen“, die er sich nochmals anhört, finden sich nicht Momente vitaler Lebensfreude, sondern nur elegische Erinnerungen an ihre Möglichkeiten. Das Leben - eine Reihe stets aufs Neue verpasster Chancen.Eine dieser ungenutzt verstrichenen Möglichkeiten manifestiert sich im Auftreten jener jungen Frau, mit der Krapp einst eine romantische Bootsfahrt unternommen hatte. Peter Handke hat ihr Stimme gegeben, und Nina Kunzendorf leiht ihr Gestalt: eine attraktive, selbstbewusste Person, an der die Zeit im Gegensatz zu „Monsieur Krapp“ stillgestanden zu sein scheint. Mit Haarband und in engem, kurzärmligen Pulli entert sie die Bühne und übernimmt ruhig, aber bestimmt das Kommando: „Mein Spiel jetzt. Dein Spiel, es ist gespielt.“ Mit einem kaum variierten, leicht ironischen Grundton liest sie ihrem Gefährten von einst die Leviten.Eine reflexion über die Unmöglichkeit eines dauerhaften MiteinandersEs ist keine echte Abrechnung, eher Erinnerung und Reflexion über die Unmöglichkeit eines dauerhaften Miteinanders. Mann und Frau scheitern archetypisch aneinander, und Handke scheut sich nicht, den hauptsächlich mit sich selbst beschäftigten Männern einen guten Teil der Schuld daran zuzuweisen. „Das Dual, die Zweizahl“ blieb schöner Traum: „Statt ein Niemand zu sein im Schweigen, warst du ständig die erste Person, Wort für Wort, Satz für Satz.“ Oder: „Du hast an jene Ewigkeit gleich nicht geglaubt - sonst wären wir doch auf ewig zusammengeblieben, du und ich, und nicht bloß in deinen Worten und Sätzen post festum.“ Und schließlich: „Ob das ein Duett ergibt? Nein, oder höchstens zeitversetzt.“ Krapp, immer wieder von ihr direkt angesprochen, hört sich das an. Eine Replik hat Handke für ihn nicht vorgesehen.Über das ohnehin vielschichtige Beckett-Stück, in dem die menschliche Existenz in eine Abfolge von Erinnerungen zerlegt wird, hat Peter Handke durch „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ weitere Schichten gelegt - einen Beckett-Kommentar ebenso wie eine (vielleicht auch selbstkritisch zu lesende) Gegenposition zur männlichen Egomanie und eine Reflexion auf menschliches Paarverhalten. Durch die vielen Schichten wird das Ganze jedoch auch etwas undurchsichtig und diffus. So entsteht ein interessanter, etwas spröder Theaterabend, der sich kulinarischer Unterhaltung strikt verweigert. Herzlicher Applaus, einzelne Buhrufe für den Regisseur. Die Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen steht noch bis Donnerstag in Salzburg auf dem Spielplan und ist ab 30. Oktober in München zu sehen.Samuel Beckett: „Das letzte Band“ und Peter Handke: „Bis dass der Tag euch scheidet oder Eine Frage des Lichts“ bei den Salzburger Festspielen im Landestheater in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen, Regie: Jossi Wieler, Ausstattung: Anja Rabes, mit: André Jung und Nina Kunzendorf, Weitere Vorstellungen:10. bis 13. August, 19.30 UhrWolfgang Huber-Lang/apa