Seit Jahren sorgt der junge Grieche Teodor Currentzis mit seinen singulären geistdurchdrungenen, ja eigenwilligen Interpretationen überall für Furor und Aufsehen.Wie auch in Salzburg bei der wundervollen „Ouverture Spirituelle“, wo er mit dem „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart im der ausverkauften Felsenreitschule eine Begeisterungswelle auslößt, die sich dann nur kurze Zeit später in der Kollegien Kirche mit „Konzert für Chor“ von Alfred Schnittke bis Mitternacht fortsetzt.Auch Generalprobe restlos ausverkauftBereits am nächsten Tag um die Mittagszeit gibt es die öffentliche, wiederum ausverkaufte, Generalprobe von „La Clemenza di Tito“. Mit dabei und immer bei unvorstellbarer Dichte und Konzentration sind: „musicAeterna“, ein Chor aus der fernen russischen Uralstadt Perm. Das Mozart – Requiem, das auch 5. September bei den Meraner Musikwochen zu hören sein wird, ist von wundersam durchlebter Gnade und exzentrischer Spiritualität.Currentzis Auftreten extravagantAbseits vom Ritual des Außergewöhnlichen, das die Aura von Currentzis immer in sich birgt, so etwa, wenn er in hautengen schwarzen Fuseau – Spindelhosen und in großen Sneakers mit roten Schnüren auftritt, gilt sein Musizieren innerster Seelenform der allerschönsten Betroffenheit. Teodor Currentzis mit „musicAeterna“. - Foto: VeranstalterGerade in der ungewohnten Interpretation die zur Urgrenze zwischen dem Vor und Nachher wird, führen die veränderten Zeitläufe oder noch nie dynamisch wahrgenommenen Ausformungen eine verlockende Vereinbarung mit Mozart.Chorstimmen beflügelnDie Chorstimmen beflügeln durchwegs mit dem Phänomen der Reinheit, wenn sie intonationssicher – im allerleisesten Piano sowieso – die Fugensequenzen mit der Entrückung des Jenseits so unauffällig und auffallend zusammen mit der superben Bildhaftigkeit des Orchesters zur unvergleichlichen Liturgietiefe machen.Die zärtlichste aller Gefühlseinheiten wird, wie ich es empfinde, wohl etwa durch das an sich gute Solisten – Quartett unterbrochen, wenn beim Benedictus der (laute!) Name des Herrn uns nicht umarmt, wie die noch nie so sphärische fast unhörbare gesungene Gottesruhe von Chor und Orchester.„Ich suche nach einer Antwort, aber ich habe sie noch nicht gefunden“Dies sagte Alfred Schnittke, als er sein geistliches „Konzert für Chor“ in der atheistischen Sowjetunion komponierte.Schnittkes Werk, das 1986 in Moskau uraufgeführt wurde, ist nach Texten aus dem: „Buch der traurigen Lieder“ der armenischen Mönchs Gregor von Nadek (951 – 1003) komponiert. Die sehr persönlich gefärbten Stile mit den sich fortentwickelnden Zitaten aus der historischen – musikalischen Verankerung, sind literarisch eloquente Lobpreisungen von Psalmen – und Bibeltexten an Gott selbst, wobei das Meditative der Gebete in die Transformation zur Selbstfindung führt. Aus dieser emotionalen Schichtung heraus singt der „musicAeterna“ Chor zutiefst russisches – orthodoxes Sinnbildendes, das sowohl in den tiefen, wie in den hohen Registern ihre Klang – Raum – Bestimmung so dramatisch im Glauben aufsegmentiert wie es wohl Schnittke durchlebt hat, der ja als Deutschstämmiger nicht Russe war: „Aber dennoch bin ich mit Russland verbunden!“Erinnert das nicht an den superemotionalen Teodor Currentzis? Ja, der liebt die Orthodoxie, ihre Emotionen und deshalb streut sich in der barocken Kollegienkirche der magische Chorklang, der auch durch den fabelhaften Salzburger Bachchor zur staunenden Gebetsbetrachtung wird. Einfach toll, sublim und hyperemotionell mit Currentzis.Hagen-Quartett: Streicher der ExtraklasseDoch zuvor spielen wirklich die vier Weltbesten den wohl wichtigsten Gegenpart auch zu Schnittke. Denn, das Hagen – Quartett, die Magiker aller Streicher, interpretiert das 15. Quartett von Dimitry Schostakowitsch. Das Hagen-Quartett. - Foto: VeranstalterWas hier zu hören ist, ist zunächst einmal absolute Musik, in der sicher tiefe Depression, schallendes Pathos oder lyrische Sensualität in einander geflochten sind. Doch die immer wieder aufkeimenden politischen Repressalien sind wohl eher peripher.Aber vielleicht deuten es die traurig stimmigen Satzbezeichnungen an. Das Hagen Quartett spielt alles wie das innig Umschlingende, ja so motivisch traurig, so weitreichend: vom Nachdenklichen bis zu flirrenden Aufbäumen mit vollendeten Klangkosmen. Intendant Hinterhäuser ist ein Visionär und AusnahmekünstlerDass der neue Intendant Markus Hinterhäuser „ein“ Visionär schlechthin und kompromisslos ist, zeigt sich erstens an seinem völlig anderen Programm nicht nur mit den neuen Oper-Inszenierungen, sondern auch beim Schauspiel-Programm mit der fantastischen Direktorin Bettina Hering, die mit dem neuen „Jedermann“ (Tolle Regie: Michael Sturminger, bester Jedermann Tobias Moretti) gleich rasant los legt.„Wie erhellende Vogelstimmen“Aber, dass Markus Hinterhäuser auch als Künstler auch ein Ausnahmeerscheinung ist, zeigt er gleich bei der „Ouvertüre Spirituelle“ wenn er gemeinsam mit dem sagenumwogenden jungen Pianisten Igor Levit das äußerst komplexe und kontemplative: „Vision de l‘Amen“ für 2 Klaviere von Olivier Messiaen spielt.Was da zusammen gespielt, musikalisch geredet, ja war uns da so alles in Gehör übertragen wird, ist von so sinnstiftender Referenz wie erhellende Vogelstimmen, von denen Olivier Messiaen die Kunst des Anbetens gewann, die uns Markus Hinterhäuser und Igor Levit jetzt unendlich gesteigert vorbeten.C. F. Pichler aus Salzburg