Das Südtirol Jazzfestival überrascht auch nach 43 Jahren. Warum? Das erklärt Stefan Festini Cucco, Präsident und Künstlerischer Co-Leiter des Jazzfestivals, im Gespräch...<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183563_image" /></div> <BR /><BR /><?TrVer> <?Uni Kapitaelchen="100ru"> <?_Uni> <?PH PHFormat="$($IptcQue$/)"_> <?PH PHFormat="$($IptcAN)"_> <b>Sie sprechen vom neuen Sound des Jazzfestivals. Wie würden Sie diesen 2025 definieren?</b><BR />Stefan Festini Cucco: Vielfältig. Zeitgenössischer Jazz, wie wir ihn am Festival präsentieren, ist von stark ausgeprägten individuellen Stilelementen geprägt. Musikerinnen und Musiker in der europäischen Jazz-Szene sind sehr kreativ, und derzeit gibt es sehr viel Neues. Man könnte sagen, dass Jazzmusik heute wie gestern viele Elemente anderer Musikstile in sich aufnimmt und verarbeitet. Beim Festival ist auf jeden Fall für alle Ohren etwas dabei: mal melodisch, mal schräg, harmonisch, dissonant, groovig, rockig oder mit vielen Beats.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183566_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das Eröffnungskonzert findet im NOI Techpark statt und ist kostenlos zugänglich. Gut zum Einstimmen auf Jazz?</b><BR />Festini Cucco: Absolut – mit dem kostenlosen Konzert im NOI Techpark (27.6.) wollen wir die Hemmschwelle senken und holen hoffentlich auch Neugierige ins Boot, die Jazz sonst vielleicht nur aus dem Radio kennen und ihn vor allem mit historischem oder Mainstream-Jazz verbinden. Die Piazza des NOI Techparks bietet viel Raum für Begegnung und verkörpert Offenheit – genau das Gefühl, das wir vermitteln wollen. Gleichzeitig bietet das Programm – die Klangperformance in der Kranhalle und das Konzert der Big Band im Außenbereich – einen Vorgeschmack auf die stilistische Bandbreite der kommenden Tage. Kurz gesagt: ein niederschwelliger, atmosphärischer Türöffner, der Lust auf mehr Jazz machen soll.<BR /><BR /><BR /><b>Das rund um das am Conservatorium van Amsterdam angesiedelte Jazz Department ist eines der spannendsten Jazzbiotope Europas, haben Sie erklärt. Den Eröffnungsabend gestalten nun sechs Mitglieder des Brainteaser Orchestra aus Amsterdam unter dem Motto „Industrial Echoes“. Was haben die Musikerinnen und Musiker vor?</b><BR />Festini Cucco: In der Tat ist Amsterdam in den letzten Jahren zu einem Hotspot für gute Jazzmusik geworden, und das Konservatorium in Amsterdam nimmt eine wichtige Rolle ein. „Industrial Echoes“ ist eine akustische Erkundung der Kranhalle und ihrer Resonanz. Die Musikerinnen und Musiker loten mit ihren Instrumenten die klanglichen Möglichkeiten des Ortes aus, spielen ein eigens dafür komponiertes Werk samt Grooves und Improvisationen – und transformieren industrielle Atmosphäre in musikalische Poesie.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183569_image" /></div> <BR /><BR /><b>Vor dem NOI-Gebäude tritt zudem die mit dem Deutschen Jazzpreis 2021 ausgezeichnete Big Band in voller Besetzung auf. Wird es eine Interaktion zwischen innen und außen geben?</b><BR />Festini Cucco: Eine direkte musikalische Interaktion zwischen dem Brainteaser Orchestra in voller Besetzung und den Musikern, die „Industrial Echoes“ gestalten, ist nicht geplant. Zwar stammen die Interpretinnen von „Industrial Echoes“ aus dem Umfeld des Brainteaser Orchestra, doch das Projekt wurde eigens für die Kranhalle konzipiert und steht unabhängig vom Auftritt des Orchesters auf der Piazza des NOI. Beide Konzerte sind eigenständige Beiträge zum Festivalauftakt – mit jeweils unterschiedlichem Zugang und klanglichem Fokus.<BR /><BR /><BR /><b>Am Abend folgt später im Batzen Sudwerk eine lange Clubbing-Nacht. Mittlerweile gehören diese Clubbings zum Jazzfestival dazu. Wie können Sie die unterschiedlichen Musikstile vereinen?</b><BR />Festini Cucco: Jazz und elektronische Club-Musik teilen den Groove-Faktor. Elektronische Musik und Gerätschaften gibt es im Jazz ja schon seit einiger Zeit; in den letzten Jahren hat das zugenommen. Sehr viele Musikerinnen und Musiker arbeiten mit Effekten, Synthesizern und betrachten sie als Instrumente. Manche, wie beispielsweise Damian Dalla Torre oder Teis Semey, fahren sogar zweigleisig – sie sind Jazzmusiker und DJs. Zudemfreut es uns, dass die Leute tanzen, und wollen dazu beitragen, dass junge Menschen mehr Möglichkeiten haben, sich zu treffen und in den Genuss guter Musik zu kommen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183572_image" /></div> <BR /><BR /><b>Nun dieser Sound aus Holland wird auch an weiteren Tagen über verschiedene Musiker und Musikerinnen zu hören sein…</b><BR />Festini Cucco: Ja, dieser zeichnet die ersten Festivaltage aus. Das dreizehnköpfige <Fett>Brainteaser Orchestra</Fett> aus Amsterdam, das die Eröffnung gestaltet, ist mit Spitzenmusikerinnen der jungen niederländischen Jazz-Szene besetzt, die alle sehr interessante eigene Projekte und Bands haben. Es liegt daher nahe, dass sie in den darauffolgenden Tagen mit ihren eigenen Bands, aber auch in neu zusammengewürfelten Projekten beim Festival spielen.<BR /><BR /><BR /><b>Schon vor Jahren hat sich das Jazzfestival von Bozen aus in ganz Südtirol ausgebreitet: In diesem Jahr bespielen Sie rund 40 Orte mit 60 Konzerten…</b><BR />Festini Cucco: Ja, genau. Während wir bei der Anzahl der Konzerte ungefähr gleich liegen wie im letzten Jahr, bespielen wir heuer mehr Orte. Das hat auch damit zu tun, dass wir in Bozen – anders als in den letzten Jahren – kein Basislager im Kapuzinerpark haben, sondern die Abendkonzerte im Raum Bozen wieder an verschiedenen Orten stattfinden: am Waltherplatz, im Filmclub, in der Messe Bozen, im Semirurali Park, aber auch in der Brennerei Roner in Tramin. Durch die neue Reihe „Jazz Chemistry“ kommen auch mehrere Orte hinzu, während wir durch die Zusammenarbeit mit Historic South Tyrol – dem Verein der Historischen Gasthäuser – zwei neue Spielorte dazugewinnen konnten.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183575_image" /></div> <BR /><BR /><b>Man hat den Eindruck, das Jazzfestival war schon überall, und dann überrascht es doch wieder mit neuen Plätzen. Ist es schwierig neue Konzertorte zu finden, und welche werden heuer zum ersten Mal bespielt?</b><BR />Festini Cucco: Meistens fällt es uns nicht schwer, neue Konzertorte zu finden. Oft kommen auch Menschen auf uns zu, weil sie Teil des Festivals sein möchten. Natürlich suchen wir aber auch aktiv nach Plätzen, vor allem wenn es um spezifische Projekte geht, wie beispielsweise die Reihe „Jazz Chemistry“ oder das Projekt „Floating through Sound“ am Vigiljoch. Zu den neuen Orten gehören heuer der Klimastollen im Bergwerk Prettau, die historischen Gasthöfe Hotel Pragser Wildsee und der Pünthof in Algund, die Alte Pforzheimer Hütte im oberen Vinschgau, die Zoona Magnifique in der Bozner Industriezone sowie kleineree Locations in Bozen: der Rebel Rebel Record Store, der Concrete Shop, der Sitz des Südtiroler Künstlerbundes, das Studio Wanderlust Yoga & Movimento und die Bücherei Nuova Libreria Cappelli.<BR /><BR /><BR /><b>Es gibt auch neue Formate wie „Jazz and Kids“ oder „Jazz and Hike“…</b><BR />Festini Cucco: Jazz für Kinder hatten wir vor vielen Jahren schon einmal. Dieses Mal ist es ein ganzer Tag, den wir auf der Franzensfeste Kindern und Familien widmen (29.6.). Es geht am Morgen um 11 Uhr los mit einem spielerischen Workshop mit der Sängerin und Musikpädagogin <Fett>Greta Marcolongo</Fett> für Kinder ab sechs. Darauf folgt um 14 Uhr ein Konzert für Kinder mit den <Fett>Klangkeuken</Fett> – das sind Nabou Claerhout und Lynn Cassiers; auch hier können Kinder mitmachen. Über Mittag können Eltern und Kinder auf den Grünflächen der Franzensfeste ihr selbst mitgebrachtes Picknick genießen, und am Nachmittag gibt es dann noch ein Konzert mit der österreichischen Band Purple Muscle Car.<BR /><BR />Beim diesjährigen „Jazz and Hike“ handelt es sich nicht mehr um eine mehrtägige Jazz-Wanderung, sondern um Tagesausflüge, die im Zeichen des Themas „Sound“ stehen. Man wandert mit Musikern, die immer wieder spielen und die Landschaft musikalisch erkunden. Am Ende gibt es dann noch ein Konzert.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183578_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie Sie schon erklärten, tritt die Avantgarde des jungen europäischen Jazz auf. Wie halten Sie nach diesen neuen Tönen Ausschau?</b><BR />Festini Cucco: Auf verschiedene Art: Wir besuchen Festivals und Showcase-Events in ganz Europa und vereinzelt auch darüber hinaus. Wir bekommen sehr viele Bewerbungen, recherchieren aber auch selbst. Natürlich baut man sich mit der Zeit ein Netzwerk auf und kann darauf zurückgreifen, vor allem wenn es um besondere Projekte oder Auftragswerke geht.<BR /><BR /><BR /><b>Apropos Projekte: Unter dem Titel „Jazz Chemistry“ entstehen sogenannte „Sonic Reactions“, wenn jeweils zwei Musi- kerinnen oder Musiker aus den geladenen Bands in experimentellen Duos sich zum „Blind Da- te“ treffen. Was erwarten Sie sich davon?</b><BR />Festini Cucco: Das Layout dieser Festival-Ausgabe ist von Alchemie und chemischen Prozessen inspiriert. Ein großes Ganzes wird in Moleküle und Atome zerlegt – um anschließend neu zusammengesetzt zu werden. In den „Sonic Reactions“ – den Klangreaktionen – bringen wir jeweils zwei Musiker oder Musikerinnen zusammen, die noch nie zuvor miteinander gespielt haben. Daraus kann vielleicht ein neues neue Projekt entstehen. Aber das hängt natürlich davon ab, wie die Künstlerinnen auf musikalischer und menschlicher Ebene zueinander finden – ein Experiment mit Folgen oder auch nicht.<BR /><BR /><BR /><b>Bereits in den vergangenen Jahren war es Ihnen ein großes Anliegen, dass sich die Künstler und Künstlerinnen kennenlernen und gemeinsam in Südtirol auftreten. Dabei sind auch neue Formationen entstanden, oder?</b><BR />Festini Cucco: Ja, seit vielen Jahren fördert das Festival solche Begegnungen und will einen aktiven Part in der Weiterentwicklung des Jazz spielen. Das ist uns auch immer wieder gelungen. Wir bekommen Ideen von den Musikerinnen zugespielt, aber es passiert auch umgekehrt: Wir denken uns etwas aus, schlagen es vor und realisieren es in den meisten Fällen. Wichtig ist dabei, dass die Künstlerinnen und Künstler nicht miteinander spielen, sondern bei Residenzen an neuen Projekten arbeiten oder dass sie länger am Festival bleiben. In diesem Fall lernen sie sich zuerst auf menschlicher und dann auf musikalischer Ebene kennen. Auch das trägt manchmal Früchte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1183581_image" /></div> <BR /><BR /><b>Im vergangenen Jahr haben sich ja beim Festival Musikerinnen und Musiker getroffen, die nun gemeinsam ein Album herausbringen…</b><BR />Festini Cucco: Ja, zwei am Festival entstandene Projektgruppen haben kürzlich ein Album aufgenommen, und beide werden in Kürze erscheinen. Eine ist das Trio mit dem Schlagzeuger Tilo Weber, der Saxophonistin Maria Faust und dem Posaunisten Matteo Paggi, die gemeinsam eine Matinée in Neustift gespielt haben. Die andere ist ebenfalls ein Trio, und zwar mit dem Kontrabassisten Lukas Kranzelbinder, der Schlagzeugerin Sun-Mi Hong und der Klarinettistin Mona Matbou Riahi. Dieses Projekt ist bei einer Late-Night-Session im Sudwerk entstanden.<BR /><BR /><BR /><b>Heuer gibt es auch eine Art Künstlerresidenz auf der Pforzheimer Hütte samt „Feldaufnahmen“. Was soll dort geschehen?</b><BR /> Festini Cucco: Während der Künstlerresidenz mit Damian Dalla Torre, Bertram Burkert und Laura Zöschg arbeiten sie an einem gemeinsamen Projekt. Am 5. Juli gibt es dann den „Soundpath“-Workshop, bei dem Damian mit den Teilnehmenden von der Hütte aus die umliegende Bergwelt auf der Suche nach Klängen und Geräuschen erkundet. Diese werden aufgenommen, sequenziert, bearbeitet und zu Musik verwandelt. Am 6. Juli gibt es dann ein Konzert der drei, bei dem die künstlerische Arbeit der Vortage präsentiert wird.