Für Besucher des „Idomeneo“ ist die Erwartung riesig, da Regisseur Peter Sellars und der Dirigent Teodor Currentzis ankündeten das mozart’sche Drama per Musica mit dem Klimawandel verbinden zu wollen. Nun der Königs von Kreta Idomeneo, der vom trojanischen Krieg heimkehrt, verspricht dem Gott Neptun, nachdem er in Seenot geraten ist, den ersten Menschen zu opfern der ihm auf dem Festland begegnet. Es ist sein Sohn Idamante. Soweit der antike Mythos über die Gewalt des Meeres und die Urgewalt der Erde auf die Sellars sein inszenatorisches Augenmerk richtet. Dieses Hinterfragen wird nur vage angedeutet, da die fantastische Liebesgeschichte naturgemäß im Zentrum steht und nicht der Klimawandel.„Es wäre lächerlich zu sagen, dass wir eine Oper zum Klimawandel machen!“ Mit dieser Bemerkung will der Intendant Markus Hinterhäuser darauf hinweisen, dass die Aktualitäten der Mythen der Antike unser kulturelles Gedächtnis sind, das im mediterranen verwurzelt ist. Wobei er darauf hinweist, wie Sellars auch, dass Mozart die Gewalt des Meeres geahnt hat. Es werde keine Antworten gegeben, sondern es gibt Ansätze die zum Nachdenken führen sollen. Doch wenn Hinterhäuser Sellar wieder einlädt, dann zeigt das, dass er kompromisslos seine neue Dramaturgie verfolgt. Jedoch Sellar gleitet nach seiner radikalen Deutung von Mozarts: „La Clemenza di Tito“ (2017) nun eher in seine eigene Konvention.Peter Sellar inszeniert die mythische Handlung doch weitgehend als poetisches Weihespiel der LiebeDer vielfach angekündigte (szenische?) Klimawandel den Sellar in der Musik von Mozart übertagen will, findet nicht statt. Die zentrale Handlung aber ist eine Liebegeschichte in der Idamante, der Sohn von Idomeneo, in die trojanische Prinzessin Illia verliebt ist. Aber er ist bereits mit der Griechin Elettra verlobt, die im Krieg auf der Seite der Sieger stand und die nach Verbrechen, nun auch auf der Flucht, Frieden sucht, den sie bei Idamante nicht findet. Alle Personen der Oper sind jedoch nicht feindselig gegen einander, noch bestehen zwischen ihnen Konflikte oder Intrigen, denn das einzige was sie schicksalhaft verbindet ist das Gelübde von Idomeneo an Neptun. Trotzdem sind ihre Charaktere unterschiedlich.In der Felsenreitschule erinnern Bühnenbild, Kostüme oder Licht an eine gekünstelte (Plastik) Welt. Der Chor, die Mimen und die Solisten tragen braun – und blaugefleckte Kriegsoveralls, die sich in der klugen Lichtregie als auch in der choreographischen Mischung bald wie eine friedliche Einheit entpuppen. Während durchsichtig weise Plastikbehälter (Figuren) umherschwirren, fahren blaue – und rotlichte Lichtsteelen hoch - und nieder. Dramaturgisch nicht zwingend, doch Sellar gelingen mit der durchgestalteten Personenführung herrliche Menschenbilder, wobei die (Chor/Mimen) Massen mi grandioser Individualität Aufsehen erregen, aber auch irritieren, sodass bei der Pause, nach dem (flauen!!) Meeresgewitter doch eine gewisse Ratlosigkeit herrscht.Der: „musicAeterna Choir of Perm Opera“ ist szenisch - musikalisch ein Mozartwunder Wenn Teodor Currentzis seinen Chor aus der Uralstadt Perm dirigiert, dann ist das eine überwältigende Lehrstunde von vokaler Singkunst, die Regisseur Sellars mit szenischer Poesie noch weiter aufblühen lässt. Abgesehen von fast unerreichbarem Piano – Gesang wird auch das ausschweifende Aufbegehren der Massen mit dichten Bewegungen zum vorwärtstreibenden Handlungsgestus, in dem der Gesang, zumindest im ersten Teil, viel besser ist als der der Solisten. So wird auch am Ende, wenn: „Ihr Kinder des Staubes, erzittert und bebet“ aus Mozarts: „Thamos, König in Ägypten“ zum kühnen Zusatz - Einfall wird!Die Solisten singen am Beginn verhalten, doch sie reüssieren letzlich mit poetischer LiebeDie Ilia der Ying Fang ist als erster Einstieg in die Oper ein leicht nervöses Debüt, denn ihr: „Padre, Germani, addio“ (Vater, Geschwister, lebt wohl) hat nicht nur wenig Trauer, sondern auch das italienische Idiom ist undeutlich. Im 2. Teil singt sie viel, viel schöner gebunden, weil gelöster auch in Sprache! Das gilt auch für Paula Murrihy als Idamante, die mit wenig Dramatik und viel an der Rampe, wohl aber mit wundersamen Umarmungen, eine Zerrissene, eine Soldatin spielt, doch bei der Schlussarie, fast unglaublich, kommt sie dann doch zum Strahlen mit viel Applaus. Nicole Chevalier ist als Elettra naturgemäß mit viel Bewegungsgefühl und kindlich schön durch Sellar in diese Liebegeschichte mit eingebunden. Doch sie drückt ihre Verzweiflung dann im Damenkostüm mit herrlicher Sing – und Spielkunst aus, sodass sie nach ihrem Schluss - Rezitativ Arie lautstark und lange lautstark akklamiert wird.Russel Thomas ist ein guter, szenisch präsenter Idomeneo, auch wenn seine große Arie: „Fuor del Mar“ nicht überragend ist, aber insgesamt ist seine Angst um das Gelübde überall spürbar. Nur, warum muss er am Ende wieder mit einer neuzeitlichen (US) Uniform erscheinen?Teodor Currentzis ist ein Meister der Zwischentöne und das Freiburger Barockorchester ein WunderWenn Currentzis dirigert, dann ist das immer ereignisdicht, doch mit zusammen mit dem genialen Freiburger Barockorchester ist das das Wunder aller Mozart (Zwischen) Töne. Der Klang ist fein und in begehrender Gemeinsamkeit mit Chor und Soli. Brillant spielen die (Holz) Bläser, nie aufdringlich, sondern im tollen Dynamikklang, der so sublim nur in der Felsenreitschule zu hören ist. Es gibt zudem fast nie Tonschwankungen bei dieser historischen Aufführungspraxis, sondern Mozart blüht über alles. Auch beim langen Ballettende mit den zwei Tänzern, die der Choreograph Lemi Ponifasio minimalistisch gut als vollgültiges Drama hinzufügt. Großer und langer Applaus!C. F. Pichler aus Salzburg