<b>von Eva Gratl</b><BR /><BR />Lobenswert die Verantwortlichen der Bank, welche die Menschen mit zeitgenössischer Kunst in Wirtschaftsräumen zusammenbringen. Mehrere Meter hoch, ein Gebilde aus Eisen und Stahl. Eng mit Sterzing verbunden. Denn der Künstler, bekannt für seine „Verwandlungen“ von Wegwerfmaterial, erschuf ein Totem der besonderen Art. <BR /><BR />Vier Meter hoch ist der „Felsen“, Schrott, gepresst mit unendlich vielen Faltungen und ebenso vielen schimmernden farbigen Nuancen, weil die Zeit von diesem Schrott Besitz genommen hat. Es sind Aluminium, Bauschaum, Eisen, Kabel, Eintrittskarten, welche mit einer Schrottpresse zu dieser monumentalen Skulptur verdichtet wurden. Das war einmal eine Arena, die Eishalle Sterzing. <BR /><BR />„Was für ein Drama“, schrieben die Medien: am Mittwoch, 10. Februar 2021, „eine Eishalle komplett zusammengebrochen. Wie durch ein Wunder wurde niemand dabei verletzt“. Dieses Material wird durch den Künstler nun zu einem besonderen Speicher, denn Zeit und Gedächtnis sind in dieser Skulptur zum Stillstand gebracht und aufgehoben. Erinnerung, Schrott, Wiederverwertung, was einmal war, wird neu geboren. „Für mich ist Kunst Ordnungsmöglichkeit“, sagt Schwazer, „ich ordne durch diese Skulptur“. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1078200_image" /></div> <BR /><BR />Dieses Material wird durch den Künstler nun zu einem besonderen Speicher, denn Zeit und Gedächtnis sind in dieser Skulptur zum Stillstand gebracht und aufgehoben. Erinnerung, Schrott, Wiederverwertung, was einmal war, wird neu geboren. <BR /><BR />„Für mich ist Kunst Ordnungsmöglichkeit“ sagt Schwazer, „ich ordne durch diese Skulptur“. Destruktion und Rekonstruktion, entstanden ist ein mächtiges Denkmal mit Betonung auf Denk! Mal! Die Vergangenheit neu sehen, das ist auch ein Prozess, der in dieser Skulptur einen Kraftort veranschaulicht. Und natürlich hat diese Skulptur durch ihre Struktur einen besonderen Aufforderungscharakter. Tätig werden im Kopf, die Gedanken in eine andere Richtung lenken: Wir sind gefragt: Denn viele Themenbereiche kann man andocken. Was ist Müll? Wie gehen wir mit Vergangenheit, mit unserer Welt um? Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand, heißt es in Theodor Fontanes Gedicht. Nur die Kunst überlebt, vielleicht, jedenfalls kommt im Felsen von Leander Schwazer, der hier auch Geschichte in Form von gepressten Falten schreibt, die Erinnerung zum Stillstand und ist für immer aufbewahrt<BR /><BR /><BR /><b>In Ihrem großen Totem und in der Ausstellung in der Raiffeisenkasse spielen die Falten eine große Rolle. Was hat Sie dazu angeregt? „Falte ist ein Denkraum“, sagt der französische Philosoph Gilles Deleuze. Auch für Sie?</b><BR />Leander Schwazer: Der Titel meiner Installation lautet „Arena“, und ich habe versucht, in dem Innenhof selbst eine Arena zu erschaffen, wo verschiedene Kräfte unserer Welt am Werk sind. Die formale Idee der Skulptur „Fels“ bestand darin, das Material der Eishalle von Sterzing zu möglichst geometrischen Kuben zu pressen. Dieses hat sich durch das Pressen zu unzähligen Falten gefaltet. Und wie erwähnt so hat Deleuze in Falten die Unendlichkeit erkannt, er hat in den Faltungen der Materie die Faltungen der Seele erkannt. In seinem Buch „Die Falte“ bezieht er sich auf eine berühmte Skulptur des barocken Bildhauers Lorenzo Bernini. „Die Verzückung der heiligen Theresa“ aus dem Jahre 1652 ist eine Skulptur die aus unzähligen, in Marmor gehauenen Falten besteht. 2019 schon habe ich in einem deutschen Kunstraum eine Ausstellung gezeigt, die genau diese Falten von Bernini zum Vorbild hatten. Es war ein unglaubliches Erlebnis die Falten von Bernini in den „Falten von Sterzing“, also in der Skulptur „Fels“ zu entdecken, und es zeigt welch geheimnisvolle Wege die Kunst einschlagen kann – jenseits der linearen Zeit und jenseits von Ursache und Wirkung. Im Lichthof der Bank präsentiere ich zudem Malereien von Falten, „Sterzinger Falten“ neben den „Theresa Falten“. Die Berge in denen ich lebe, erscheinen mir täglich aufs Neue als gefaltete Landschaften, und wir selbst falten und entfalten uns auch jeden Tag. Als Künstler interessiere ich mich für Übersetzungen und Verwandlungen aller Art und der Skulptur „Fels“ ist Verwandlung eingeschrieben, von der Eishalle in einen gefalteten Felsen und wieder zurück.<BR /><BR /><b>Dem Werk „Arena“ geht eine lange Vorbereitungszeit, voraus, auch eine für Künstler besonders restriktive. Wie war der den Entstehungsprozess?</b><BR />Schwazer: Wie gesagt, die Arena von Sterzing ist mitten im Lockdown des Corona Winters 2021 eingestürzt. Ich erinnere mich gut an die Vögel damals, deren Gesang die Stille der Corona Zeit dominiert haben, und an die leeren Autobahnen. Mit dieser restriktiven Zeit aus staatlich verordneten „Lockdowns“ und medialen Schlammschlachten gegen kontroverse Positionen waren auch Hoffnungen verbunden, nämlich dass dieses Ereignis viele Menschen zur Umkehr bewegen würde und „die Gesellschaft“ zu einem bewussteren Umgang mit sich selbst und dem Planeten finden könnte. Diese (naiven) Hoffnungen wurden zerschlagen und von Umkehr ist keine Spur. Die Skulptur „Fels“ spricht auch von dem Schmerz, der nicht eingelösten Hoffnungen. Eben weil die Skulptur aus dem Material der Sterzinger Eishalle besteht, ist sie unmittelbar mit den einschneidenden Erfahrungen dieser Zeit verbunden. Nach dem Einsturz wusste ich sehr schnell, dass ich mit diesem, für Sterzing emotional stark aufgeladenen Material arbeiten möchte, und eine Skulptur erschaffen möchte. Ich wusste aber nicht wie. Die letzten 3 Jahre der Beschäftigung waren recht intensiv, es galt ein Werk zu schaffen, das ein Unglück in etwas produktives verwandelt, ein Denkmal für ein Glück im Unglück. Das Arbeiten an dieser Skulptur erforderte eine gewisse Ausdauer, denn es waren zuerst vor allem rechtliche Fragen zu klären, etwa wem diese eingestürzte Eishalle gehört und wohin sie gebracht werden sollte.<BR /><BR /><b>Nach langem Aufenthalt im Ausland leben Sie nun in Wiesen, arbeiten multimedial, „begreifen Malerei in einem neokonzeptuellen Sinn als Black Box“, schreiben Sie auf Ihrer Homepage. Man würde sich vorstellen, Berlin, New York, jedenfalls die Großstadt würde für diesen Kunstbegriff genügend Anregungen bieten. Gelingt das hier in der Abgeschiedenheit?</b><BR />Schwazer: Die Fragen, mit denen ich mich beschäftige, sind überall die gleichen. Zum Beispiel: Woher kommen „wir“ und wohin gehen „wir“? Solche, scheinbar banalen Fragen sind eine „Black Box“, sie sind nicht befriedigend zu beantworten, sondern immer wieder aufs Neue zu erfahren, auszuhandeln und zu erspüren. „Arena“ soll zu möglichst vielen Leuten sprechen und nicht bloß zu ausgewählten Experten, „urbanen Eliten“ oder anderen vordefinierten Gruppen. Auch ich, wie viele andere „Städter“, habe im Corona Lockdown 2020 die Stadt verlassen. Das Versprechen der Stadt als vermeintlicher Pool der Freiheit hatte sich in der Corona Zeit in ihr Gegenteil verwandelt. Die (westliche) Idee des Zentrums stammt aus dem 19. Jahrhundert, als viele Menschen ihre Dörfer verließen und sich unter oft elenden Bedingungen in Städten zusammenfanden. In dieser Zeit entwickelte sich auch ein bis heute wirksames Künstlerbild, nämlich dass des (verarmten) Künstlers, der als Flaneur die Grenzen des bürgerlichen Lebens der Stadt erweitern sollte. Das sind romantische Bilder, von denen sich die westliche Kunstwelt immer noch nicht befreit hat. Für mich ist es wichtig, dass ich für meine Arbeit einen Raum der größtmöglichen Freiheit finde, also einen Raum in dem ich meinen Beschäftigungen möglichst ungestört nachgehen kann. Dafür benötige ich Raum und Zeit und ich habe das Privileg, einen solchen Raum in meinem Zuhause gefunden zu haben. Manchmal vermisse ich aber natürlich das Meer.