Ferdinand von Schirach holt mit „Gott“ einen seit langem in Europa divers und emotional geführten Diskurs ins Theater. Er verhandelt Fragen der menschlichen Autonomie und Selbstbestimmung inmitten des Spannungsfeldes von persönlicher Moral, christlichem Glauben und Politik. <BR /><BR /><BR />Von Eva Bernhard<BR /><BR /><BR /><b>Wie war die Online Premiere von „Gott“?</b><BR />Irene Girkinger: Es war so ein schöner Erfolg! Es tat auch uns so gut, dass wir uns mit unserer Arbeit erneut ans Publikum richten konnten, und ich glaube, fürs Theaterpublikum war es auch ein tolles Ereignis. Wir freuen uns sehr, dass wir diese „digitale Vorab-Premiere“ der Produktion, die wir im Dezember und Jänner geprobt haben und in Koproduktion mit dem Theater an der Effingerstrasse in Bern realisieren, nun zeigen konnten. Als Überbrückung zur geplanten „Live-Premiere“ am 14. Mai im Studio, die hoffentlich dann stattfinden kann.<BR /><BR /><BR /><b>Wie viele Zuseher haben sich eingeloggt und zugesehen? Sind sie auch bis zum Schluss dabei geblieben?<BR /></b>Girkinger: Wir haben das Angebot des Streamings dem VBB-Publikum und den Abonnentinnen des Theaters an der Effingerstraße gleichzeitig gemacht. Es waren 335 Zuschauerinnen gleichzeitig dabei, durchschnittlich 300 anwesend, wir hatten 1200 Clicks vom Link. Es freut uns sehr, dass so viele bis zum Schluss dabei blieben, das spricht für das Thema, das das Stück behandelt, aber auch für die gelungene weil packende Umsetzung des Stücks. Im anschließenden Online-Publikumsgespräch mit Gästen wie der Präsidentin der Schweizerischen Sterbehilfe-Organisation EXIT und Pater Ulrich Kössler von der Pfarre Gries waren 161 Teilnehmerinnen, die fast alle bis zum Ende der Veranstaltung mitdiskutiert haben. Die Online-Theaterbesucher waren aus 5 verschiedenen Ländern. So wurde aus der Not eine Tugend, wir hatten die Möglichkeit, Theaterpublikum länderübergreifend anzusprechen und zumindest im digitalen Raum die Möglichkeit einer Begegnung und des Austausches zu bieten – auch über Grenzen hinweg! <BR /><BR /><BR /><b>Nun, die VBB zeigen schon seit einem Jahr online verschiedene Formate. „Gott“ war nun die erste große Online-Produktion. Mit welchen Schwierigkeiten mussten Sie bei der Realisierung kämpfen?</b><BR />Girkinger: Wir haben seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr stets ein breit gefächertes digitales Programm angeboten. Von Probenmitschnitten früherer Produktionen, unsere Schauspielerinnen haben in ihr Bücherregal gegriffen und während des Lockdowns fürs Publikum vorgelesen, wir haben zu Weihnachten 2 Live-Streams aus dem Studio gesendet, den digitalen VBB-Weihnachtspunsch, das Ensemble von „Gott“ hat aus Texten von Ferdinand von Schirach vorgelesen und so einen der momentan bekanntesten Theaterautoren vorgestellt, der sich in seinem Werk mit den großen gesellschaftspolitischen und moralischen Fragestellungen unserer Zeit beschäftigt. <BR />Vor Weihnachten hatten wir auch schon eine erste Online-Premiere am Programm, die sich auch großer Beliebtheit erfreute, nämlich jene unseres aktuellen Stücks für Kinder, „Ötzi und das Eis oben“, eine Uraufführung rund um Ötzi und seine Geschichte von Anah Filouh, die das Stück extra für uns geschrieben hat. Joachim Goller hat es im Oktober und November inszeniert und nun wartet auch dieses Stück auf seine Live-Premiere. <BR />Es ist für ein Theater unserer Größe ein immenser Aufwand, so ein Streaming zu bewerkstelligen. Organisatorisch bei den Proben und auch finanziell. Es braucht viele Kameras und eine gute Bildregie. Wir haben bei unseren Streams immer versucht, den Theatergedanken zu behalten und nicht zu „filmisch“ zu denken. Die Schauspielerinnen haben trotzdem fürs Publikum gespielt und nicht allein für die Kamera.<BR /><BR /><BR /><b>Wir werden wohl in Zukunft weiterhin auf „Online-Theater“ zählen müssen.</b><b>Welche Erfahrungen haben Sie jetzt sammeln können, die Sie vielleicht auch in Produktionen auf der Bühne einsetzten werden?</b><BR />Girkinger: Ich glaube, dass die Streams eine gute Überbrückung in dieser schwierigen Zeit sind, wo keine live-Veranstaltungen möglich sind, aber sie werden das Theater nie ersetzen, nur ergänzen. Das Theater lebt von der Unmittelbarkeit, von der Beziehung zwischen Schauspielerinnen auf der Bühne und dem Publikum im Saal. Darin besteht der Zauber dieser Kunstform. Etwas gemeinsam unmittelbar erleben. Den Herzschlag spüren. Das möchten wir so bald wie möglich wieder erlebbar machen. In die Theaterwelt und damit auch die Ästhetik ist das Digitale natürlich auch schon lange eingezogen: Live-Kameras, Visuals, Übertragungen, filmische Sequenzen kommen bereits oft in Inszenierungen vor, auch bei den VBB. Ich denke, es ist eine gute gegenseitige Befruchtung der beiden Sparten.<BR /><BR /><BR /><b>„Gott“ wurde einmalig gezeigt, wurde das Stück aufgezeichnet? Wird es eine Wiederholung im Netz geben?</b><BR />Girkinger: Im Moment ist keine neuerliche Übertragung geplant, da wir das Stück wie gesagt im Mai gerne „live“ auf der Bühne fürs Publikum zeigen möchten, sofern es die Infektionslage zulässt. Wir hoffen natürlich inständig, dass das klappt! Bis dahin wird es aber noch weiteres digitales Theater-Programm seitens der VBB geben. Als nächstes kleine Online-Performances von Südtiroler Schauspielerinnen von einem ganz aktuellen Theatertext, der sich mit der Pandemie und den Auswirkungen auf unsere Gesellschaft beschäftigt: „Touch“ von Falk Richter. <BR /><BR /><BR /><b>Und woran arbeiten Sie zurzeit?</b><BR />Girkinger: Neben den Aufnahmen für die genannten Online-Lesungen von „Touch“ proben wir gerade ein neues Stück: „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ von Erich-Emmanuel Schmitt. Bekannt von Film und Roman, eine wunderschöne Geschichte von der Begegnung zweier Menschen aus verschiedenen Kulturen, die gerade in dieser Zeit auch Kraft und Zuversicht geben soll. Lukas Lobis wird den Monolog spielen, wir hoffen, diese Produktion dann nach Ostern bei uns im Theater und an verschiedenen Orten in ganz Südtirol zeigen zu können, sobald die Theater-Öffnungen möglich sind. Weiters hoffen wir, ab März unser Musical „I Feel Love“ mit den Hits von Giorgio Moroder proben zu können, die Vorstellungen haben wir aber coronabedingt bereits auf September verschoben, in der Hoffnung, dass sich die Pandemie-Situation zu diesem Zeitpunkt vielleicht soweit beruhigt hat, dass dann mehr Publikum zugelassen sein wird als vielleicht jetzt bei den ersten hoffentlich möglichen Öffnungsschritten. <BR /><BR /><BR /><b>Und wann hoffen Sie ganz konkret, die Tore des Stadttheaters wieder für Ihr Publikum offenen zu können?</b><BR />Girkinger: Wir hoffen wirklich, nach Ostern zumindest in kleinem Rahmen mit überschaubarer Publikumsanzahl wieder spielen zu können. Wir empfangen das Publikum mit einem guten und sicheren Schutzkonzept. Wir haben es ja im Herbst vorgemacht – Dank Maskenpflicht, strengen Abstandsregeln, der Personalisierung der Tickets, breiter Desinfektion aller Räumlichkeiten haben wir den Spielbetrieb ohne Infektionsfälle abhalten können. Ich denke, mit zunehmender Durchimpfung der Bevölkerung, aber vor allem auch mit FFP2-Maskenpflicht, weiterhin ausreichenden Abstandsregeln, einer prozentuellen Publikumsbeschränkung abhängig vom Raumvolumen und – wenn es notwendig ist – auch der Kontrolle von Covid-Tests vor dem Eintritt des Theaters sollte ein Theaterbesuch in nächster Zukunft relativ sicher und damit wieder möglich sein. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />