Immerhin gestaltet Peter Silbernagl seit 25 Jahren das Programm für die Häuser in Bozen, Schlanders, Meran, Brixen und Sterzing.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1210890_image" /></div> <h3> Wie wählen Sie welches Stück oder welche Bühne für die verschiedenen Theater aus?</h3>Peter Silbernagl: Ähnlich wie beim Berliner Theatertreffen so suchen auch wir stets „bemerkenswerte“ Inszenierungen und unser Anspruch ist und bleibt, einen möglichst breiten Ausschnitt aus der nach wie vor reichen deutschsprachigen Theaterlandschaft zu zeigen. Zu unseren Gästen zählen die führenden großen Stadt- und Staatstheater wie z.B. das Burgtheater, aber auch herausragende Privattheater wie das Renaissance-Theater Berlin oder das St. Pauli Theater in Hamburg. Bei der Stückwahl zählen im Besonderen folgende Kriterien: Die Qualität bzw. Einzigartigkeit der Inszenierung und damit einhergehend die außergewöhnliche Regiehandschrift, die dargebotene Schauspielkunst und ein Inhalt, der für unsere Zeit relevant ist und somit Menschen miteinander ins Gespräch bringt. Natürlich müssen auch technische Voraussetzungen gegeben sein. So passt etwa nicht jedes Bühnenbild in unsere unterschiedlichen Aufführungsstätten. <BR /><BR /><BR /><b>Welche Rolle spielt das Team des Kulturinstituts bei der Gestaltung des Programms? Oder entscheiden Sie alleine?</b><BR />Silbernagl: Die Vorauswahl des Kinder- und Jugendtheaterprogramms wird innerhalb des Teams getroffen. Beim Abendprogramm gibt es ein mittlerweile sehr engmaschiges Netz an örtlichen „Scouts“, wie ich sie liebevoll nenne, die uns mit wertvollen Informationen im Vorfeld versorgen; aber auch Hinweise aus dem Team sowie unserem Verwaltungsrat fließen mit in die Entscheidung ein. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1210893_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die neue Spielzeit steht unter dem Motto: „Heute. Hier. Jetzt“. „Und will dahin blicken, wo es heute brodelt, brennt und gärt – und dahin, wo Hoffnung schimmert“, sagen Sie. Welche aktuellen gesellschaftlichen Themen werden auf der Bühne behandelt?</b><BR />Silbernagl: Das brisante Thema sexueller Missbrauch und Verschiebung der Geschlechterverhältnisse greifen wir mit zwei Stücken auf: „Sie sagt. Er sagt.“ von Ferdinand von Schirach, uraufgeführt vom Theater in der Josefstadt, und „Oleanna“ von David Mamet, zu sehen in einer Produktion des Hamburger St. Pauli Theaters. Den größten Wirtschaftskrimi der Gegenwart verarbeitet Calle Fuhr in „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ (Schauspiel Köln). Die soziale Schieflage tischt Herman Koch in „Das Dinner“ (Deutsches Theater Berlin) auf. Was es bedeutet, Migrant zu sein oder als solcher betrachtet zu werden, lassen Hasnain Kazim in „Post von Karlheinz“ (Metropoltheater München) und Dinçer Güçyeter in „Unser Deutschlandmärchen“ (Maxim Gorki Theater) auf sehr unterschiedliche Weise spüren. Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob treiben in ihrer Komödie „Kalter weißer Mann“, uraufgeführt vom Renaissance-Theater Berlin, Reizthemen des Social-Media-Zeitalters auf die Spitze. Auf das Thema Kinderkriegen in einer alternden Gesellschaft blicken Jan Neumann und Ensemble in „kurz&nackig“ ironisch (Deutsches Nationaltheater Weimar/Staatstheater Mainz). Wie Goethes Faust aus heutiger, emanzipierter Sicht ablaufen könnte, zeigt Fatma Aydemir in ihrem Stück „Doktormutter Faust“, uraufgeführt am Schauspiel Essen. Und Kaja Dymnicki und Alexander Pschill schließlich erzählen Shakespeares „Romeo und Julia“ als Komödie über Nesthocker und autoritäre Politik völlig neu (Bronski & Grünberg Theater/Volkstheater Wien). All diese heißen Themen werden z.T. nachdenklich stimmen, aber immer auch unterhalten: auf jeden Fall dürften sie für Gesprächsstoff sorgen.<BR /><BR /><BR /><b>In den vergangen 25 Jahren hat sich die Welt unsagbar schnell verändert. Wie hat sich Ihre Audience verändert?</b><BR />Silbernagl: Das Publikum neigt dazu, sich immer kurzfristiger für den Besuch einer Veranstaltung zu entscheiden. Alle haben eng getaktete Terminkalender. Die Theaterstücke sollen deshalb möglichst nicht zu lang sein, am liebsten in Spielfilmlänge von 90 Minuten ohne Pause. Und man will nicht so spät nach Hause kommen. Solche Rückmeldungen hören wir oft. Und dass das Smartphone im Theater auf lautlos zu stellen ist, darauf muss man heutzutage hinweisen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1210896_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und wie reagieren Sie auf die neuen Bedürfnisse Ihres Publikums?</b><BR />Silbernagl: Karten kann man heute rund um die Uhr online kaufen. Wir achten in der Tat darauf, dass die Aufführungen nicht länger als drei Stunden dauern und haben den Beginn schon in der letzten Spielzeit auf 19.30 Uhr vorverlegt. <BR /><BR /><BR /><b>Das Kulturinstitut verkörpert Theatertradition, muss aber in die Zukunft blicken: Wie stellen Sie die Balance zwischen Tradition und Innovation im Programm her?</b><BR />Silbernagl: Unser Auftrag, mit den Theatergastspielen eine Brücke zwischen Südtirol und dem deutschsprachigen Kulturraum zu schlagen, bleibt bestehen. Neben Klassikern stehen immer auch Uraufführungen und Zeitgenössisches mit auf dem Programm. Und, wie gesagt, auch moderne Regiehandschriften sind uns wichtig, auch wenn sie mitunter das Publikum spalten. <BR /><BR /><BR /><b>Das Programm, zumindest im ABO von Bozen, wurde allmählich verkürzt. Eine Maßnahme, um die finanzielle Stabilität des Theaters zu sichern?</b><BR />Silbernagl: Das Bozner Publikum hat uns rückgemeldet, dass neun Aufführungen in einem Abonnement viel sind. Das hat es uns leichter gemacht, die Anzahl der Aufführungen in Bozen auf jeweils sechs pro Abo zu reduzieren und dafür an anderen Orten aufzustocken, an denen wir auch tätig sind. So haben wir heuer erstmals nicht nur eine, sondern gleich drei Aufführungen in Sterzing auf dem Programm. <BR /><BR /><BR /><b>Und wie wollen Sie das Theater für neue und diverse Zielgruppen öffnen?</b><BR />Silbernagl: Mit der Initiative Waltherhouse, die in der vergangenen Spielzeit gestartet ist und heuer ausgebaut wird, versuchen wir mehr junges Publikum anzusprechen. Waltherhouse wird nach drei Theateraufführungen angeboten und steht für eine Party mit Elektromusik, bei der Motive des gesehenen Stückes weitergeführt werden. Dass sich junge und diverse Zielgruppen angesprochen fühlen, versuchen wir in erster Linie durch die Auswahl des Programms zu erreichen. <BR /><BR /><BR /><b>Und am Ende noch drei Anekdoten: Die schwierigste Verhandlung? Das längste Ringen um eine Produktion? Eine Fehleinschätzung/ein Missgriff?</b><BR />Silbernagl: Zäh werden die Verhandlungen spätestens dann, wenn es um die Frage geht, wie viele Personen fürs Backstage anreisen müssen: Da haben wir oft mit allzu rigiden Vorgaben zu kämpfen. Unvergesslich sind mir auch zig Telefonate mit Klaus Maria Brandauer, der von Toronto bis Paris jeden Tag woanders weilte und von dem ich lediglich ein Foto für die Ankündigung eines Gastspiels brauchte. Nicht nur um Produktionen wurde mit Claus Peymann hart gerungen, auch um die Anordnung der Möbel in seinem Hotelzimmer. Aber letztlich ging es stets um unvergessliche Gastspiele, für die sich der Aufwand gelohnt hat. Es gab auch die eine oder andere Produktion, die ich nicht als Fehleinschätzung bezeichnen würde, aber für die ich ziemlich abgestraft wurde; doch das gehört mit dazu: ein Theater, das keinen Protest zulässt, wäre kein Theater, sondern pure Wellness. (eva)<BR /><h3> Theaterprogramm</h3><BR /><b>„Sie sagt. Er sagt“</b> von F. von Schirach, Gastspiel Theater in der Josefstadt, Wien (UA) – 1., 2. 10. Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><b>„Aufstieg und Fall des Herrn Renè Benko“</b> von C. Fuhr, Gastspiel Schauspiel Köln mit Schauspiel Wien und mit DOSSIER (UA) – 14.10., Forum Brixen, 15.10., Kulturhaus Schlanders, 16.10., Stadttheater Meran<BR /><BR /><BR /><b>„Hemingways Liebeshöllen“</b>, Dramaturgie/Textfassung A. Hager, es lesen Sona McDonald, Johannes Krisch, 24.10., Stadttheater Sterzing<BR /><BR /><BR /><b>„Schachnovelle“</b> von S. Zweig, Gastspiel Burgtheater Wien – 19., 20.11. Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><BR /><b>„Oleanna. Ein Machtspiel“</b> von D. Mamet, Gastspiel St. Pauli Theater Hamburg – 25.11. Schlanders, 26.11. Brixen, 27.11. Meran<BR /><BR /><BR /><b>„Das Dinner“</b> nach dem Roman „Angerichtet“ von H.Koch, Gastspiel Deutsches Theater Berlin – 14.,15.1., Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><b>„Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen“</b> von H.Kazim, Gastspiel Metropoltheater München – 21.1., Schlanders, 22.1., Meran, 23.1. Stadttheater Sterzing<BR /><BR /><BR /><b>„Kurz & nackig“</b> von Neumann & Ensemble, Gastspiel Deutsches Nationaltheater Weimar mit Stadttheater Mainz (UA) – 11., 12.2., Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><BR /><b>„Oh mein Gott“</b> von A. Gov mit Katharina Stemberger, Wolf Bachofner – 24.2. Kulturhaus Schlanders<BR /><BR /><BR /><b>„Eine Liason“</b> von P. Blasband mit Katharina Stemberger, Andreas Patton – 25.2., Brixen, 26.2., Meran, 27.2. Stadttheater Sterzing<BR /><BR /><BR /><b>„Doktormutter Faust“</b> von F. Aydemir, Gastspiel Schauspiel Essen (UA) – 11., 12.3., Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><BR />„<b>Romeo und Julia“</b> von K. Dymnicki & A.Pschill, Gastspiel Bronski & Grünberg Theater mit Volkstheater Wien (UA) – 18.3., Brixen, 19.3., Stadttheater Meran<BR /><BR /><BR /><b>„Kalter Weißer Mann“</b> von D.Jacobs & M.Netenjakob, Gastspiel Renaissance-Theater Berlin (UA) – 14.4., Schlanders, 15.4., Brixen, 16.4., Stadttheater Meran<BR /><BR /><BR /><b>„Unser Deutschlandmärchen“</b> nach dem Roman von D.Gücyeter, Gastspiel Maxim Gorki Theater Berlin – 6., 7., 5. Waltherhaus Bozen<BR /><BR /><BR /><b>Kindertheater & Konzerte:</b><BR />www.kulturinstitut.org