Er empfängt mich in seiner Wohnung nahe der Kirche von Tils oberhalb von Brixen. Vom Vortag hängen die Luftballons am Balkongeländer, die ihm Familie und Freunde zum runden Geburtstag aufgehängt haben. <BR /><BR />Schon im Eingangsbereich aber zeigt sich, dass es sich hier nicht nur um die Privatwohnung von Südtirols bekanntem Theatermacher <b>Georg Kaser</b> handelt. Denn die Wände sind voll von Szenenfotos, Plakaten und Erinnerungsstücken aus 50 Jahren Südtiroler Theatergeschichte, die der Jubilar wesentlich geprägt hat. Hinter dem gemütlichen Wohnraum dient ein kleines Zimmer, prall gefüllt mit digitalen Geräten und analogen Ordnern, als „home office“ für die Umsetzung kreativer Ideen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-62881110_gallery" /><h3> Umweg erwies sich als vorteilhaft</h3>Dabei war Georg Kaser die Leidenschaft für das Theater keineswegs in die Wiege gelegt. Vorbestimmt war die Übernahme des väterlichen Betriebes für Schriften- und Dekorationsmalerei in der Brixner Trattengasse, den Kaser nach abgeschlossener Lehre auch pflichtschuldig übernahm und bis 1988 – da hatte er längst schon den Weg zum professionellen Schauspiel eingeschlagen – leitete. <BR /><BR />Doch der Umweg erwies sich im Nachhinein als durchaus vorteilhaft. Wer Georg Kaser kennt, weiß, dass er nicht nur auf der Bühne vielseitig und wandlungsfähig ist, sein handwerkliches Können, seine Ideen im Bühnenbau und seine perfektionistische Planung machen ihn bis heute zum unverzichtbaren „Faktotum“ jeder Inszenierung. <BR /><BR />Der Schorsch, wie ihn seine Freunde nennen, lebt für das Theater, und sein Publikum liebt und bewundert ihn dafür, ob in seinen Soloprogrammen, als kalauernden Komödianten, als pointensicheren Kabarettisten oder als überaus wandlungsfähigen Filmdarsteller, der selbst in Nebenrollen zu brillieren versteht. Anlässlich seines 70. Geburtstags war es an der Zeit, mit dem Jubilar ein „Theater“-Gespräch zu führen.<BR /><BR /><b>Wie blickst du an deinem 70. Geburtstag auf dein Leben als Schauspieler und Theatermacher vor, auf und hinter der Bühne zurück?</b><BR />Georg Kaser: Auf jeden Fall dankbar und glücklich, auch wenn eines feststeht: Es war nie leicht, es ist viel gelungen und viel schiefgegangen. Oft haben finanzielle Sorgen meine Arbeit erschwert, aber auch mein Drang, stets etwas Neues auszuprobieren. Ich habe immer wieder von vorne angefangen. Zunächst habe ich zusammen mit Edi Braunhofer und anderen Theaterbegeisterten 1975 die Theatergruppe „Kulisse“ gegründet, 1980 folgte mit einigen Mitstreitern und -Streiterinnen (Annelies Kompatscher, Josef und Inge Kronbichler; später stieß auch Hans Heiss als wichtiger Mentor dazu) im Anreiterkeller die Gründung der ersten Kleinkunstbühne in Südtirol: die „Gruppe Dekadenz“. Von dieser trennte ich mich 1992, um 1993 gemeinsam mit Sieglinde Michaeler und Walter Granuzzo mein eigenes Theater „Theakos“ zu gründen, aus dem 3 Jahre später Kasers Wandertheater hervorging. Ein Unternehmen, das mir erstmals existenzielle Sorgen bescherte. Ich hatte ja Familie, und ehrlich gesagt, habe ich mich um das Finanzielle nie gekümmert. Ohne meine Frau Annelies hätte ich meine Projekte wohl nie stemmen können. Zuletzt habe ich 2016 den „Kultursommer hinter Gittern“ im Brixner Tschumpus realisiert: Ein Freilichtfestival, das mittlerweile Theater, Musik, Film, Kabarett bis hin zur Kleinkunst anbietet und vom Publikum sehr geschätzt wird. <BR /><BR /><b>Wenn du dich zurückerinnerst an die Zeit der ersten Schauspielversuche ab der Mitte der 1970 er Jahre. Was war damals anders, wie hat sich das Theater in Südtirol in der Zwischenzeit verändert?</b><BR />Kaser: Als ich 1975 anfing, Theater zu machen, war alles neu, wir lernten, indem wir es einfach ausprobierten. Vieles war laienhaft improvisiert, das Risiko zu scheitern war groß, aber die Freiheiten, die wir damals hatten, kann man sich heute im professionellen Theater nicht mehr leisten. Die Gastauftritte von Kabarettgrößen wie Gerhard Polt aus Bayern oder dem Grazer „Kabarett Gimpl“ kamen über persönliche Kontakte zustande, die Künstler übernachteten auf Matratzen in unserer Wohnung, diese Nähe führte zu echten Freundschaften. Das ist heute nicht mehr denkbar.<BR /><BR /><b>Du hast im Laufe deiner Schauspieltätigkeit mit mehr als einem Dutzend Regisseuren gearbeitet. Welche waren deine wichtigsten Lehrmeister? Wie erlebtest du die Zusammenarbeit mit ihnen? </b><BR />Kaser: Ich war als Schauspieler immer angewiesen auf Regisseure, Choreographen, Musiker und wollte immer umsetzen, was die Regie verlangte. Die ersten Stücke wurden von Peter Mitterrutzner und Edi Braunhofer inszeniert, mit Marc Günther habe ich 1988 Schnitzlers Anatol (mit Michi Dellago und Opal Andreas Robatscher) gespielt und 1989 Süskinds Kontrabass als erstes Soloprogramm erarbeitet. 2011 inszenierte er Goethes Faust für 2 Schauspieler, eine Produktion, mit der ich gemeinsam mit Peter Schorn Schul-Aulen, Theatersäle und Freilichtbühnen bis heute mit Erfolg bespiele. Als großen Lehrmeister erlebte ich auch Alberto Fortuzzi, der mich 1991 in die Spielarten der commedia dell'arte einführte. Als Truffaldino im „Diener zweier Herren“ durfte ich halsbrecherische Kunststücke und pyrotechnische Tricks vollführen. Auch die Soloprogramme „Hans von Po entdeckt Amerika“ von Dario Fo und „Liebe gibt es nicht auf Verlangen – Das letzte Band“ von Samuel Beckett stammen von ihm. Der dritte wichtige Regieimpuls kam in der Zeit meines eigenen Theaters von Ferruccio Cainero, der 2001 anlässlich des 1100. Gründungsjubiläums der Stadt Brixen die Freilichtaufführung „Pfeifer Huisiles Pakt mit dem Teufel“ im Herrengarten inszenierte und dem ich das Solostück „Keitl zruck vom Kriag“ frei nach Ruzante verdanke. Wichtige Kabarettprogramme inszenierten Erik Schäffler 1986, René Bazinet (Kanada) 1989 und der schon erwähnte Alberto Fortuzzi 1992. <BR /><BR /><b>Gibt es noch etwas, was du unbedingt machen möchtest? Wird Kaser Schorsch je in Rente gehen? </b><BR />Kaser: Tatsächlich möchte ich so lange wie möglich Theater spielen, solange Angebote da sind und mein Projekt im Tschumpus gut läuft. Zunehmend kann ich mich dabei auf die Unterstützung und den Ideenreichtum der Vorstandsmitglieder Viktoria Obermarzoner, Miriam Kaser, Gianluca Iocolano, Giada Vesentini und Maria Kampp verlassen. Auch Filmproduktionen gehören mittlerweile zum festen Bestandteil meiner Tätigkeit. Wie schon seit den Anfangszeiten schaffe ich es, meine Familie in meine Arbeit zu integrieren: Frau Annelies ist für das Administrative zuständig, Tochter Miriam, die im Brixner Anreiterkeller groß geworden ist und eine Theaterausbildung hat, steht immer noch gerne mit ihrem Vater auf der Bühne. In der Freizeit widme ich mich meinen Leidenschaften: Gartenarbeit, Kochen und Drechseln. Auf der Bühne fühle ich mich keineswegs 70 Jahre alt. Aber gerne würde ich noch einmal ein Kabarett machen, ein Genre, das beim Publikum sehr gut ankommt. Das Reizvolle in meinem Alter, ich brauche keine Rücksichten mehr zu nehmen und auch kein Blatt vor den Mund. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />