Der Regisseur Lars-Ole Walburg präsentiert dem Publikum des Waltherhauses Bozen zum Auftakt der diesjährigen Theatersaison des Südtiroler Kulturinstitutes „Die Panne“ von Friedrich Dürrenmatt und greift dabei auf die Erzählung zurück, die der Autor 1956 unter dem Titel „Eine noch mögliche Geschichte“ publiziert hat.„Eine mögliche Geschichte“, war für Dürrenmatt eine, in der „aus einem Dutzendgesicht die Menschheit blickt, Pech ohne Absicht sich ins Allgemeine weitet, Gericht und Gerechtigkeit sichtbar werden, vielleicht auch Gnade, zufällig aufgegangen.“Hohes Gericht im KaroanzugSoviel zur Absicht des Autors. Das fünfköpfige Männerensemble des Schauspielhauses Zürich, von Moritz Müller in seltsam sperrige Karoanzüge geworfen, hält also hohes Gericht. Der zufällig durch eine Autopanne gestrandete Handelsreisende Traps wird von vier pensionierten Rechtsdienern – Staatsanwalt, Richter, Rechtsanwalt, Henker – launig dazu aufgefordert, sich als Angeklagter an ihrem abendlichen Amusement zu beteiligen, einer fiktiven Gerichtsverhandlung.Mit sich im Reinen und überzeugt von der Korrektheit seiner Lebensführung lässt der banal-selbstgewisse Traps sich auf das Spiel der alten Herren ein, verwickelt sich in die unvorhersehbaren Winkelzüge seines Gewissens und richtet sich nach der eindeutigen Urteilverkündung der hohen Herren schließlich selbst.Von komisch bis plakativIn bekannt unterhaltsamer Grausamkeit die Dürrenmatt’schen Dialoge, die den durchschnittlichen Traps als Geliebten der Frau seines Chefs und als dessen indirekten oder wenigstens moralischen Mörder entlarven.Freundlich und anfangs auch durchaus komisch führen die vier Herren (Jean-Pierre Cornu, Jörg Schröder, Gottfried Breitfuss, Ludwig Boettger) Traps in ihre Tafelrunde ein. Die erdrückende Kassettendecke, vollbehängt mit immer näher rückenden Verhörlampen, des Bühnenbildners Robert Schweer soll die Alltäglichkeit des bürgerlichen Grauens unterstreichen, wirkt aber ebenso plakativ wie die voraussehbaren grellen Lichtspiele von Markus Keusch.Man merkt dem Stück an, dass Lars-Ole Walburg viel Anstrengung darauf verwendet hat, die Geschichte vom moralischen Zeigefinger zu befreien, doch ganz will es ihm nicht gelingen. Er verwandelt die bitterböse Groteske teilweise in eine etwas müde Farce, die mit ihrer Ernsthaftigkeit auch ihre Glaubwürdigkeit verliert.Emotionslose SelbsterkenntnisDie vier Pensionisten der Gerichtsbarkeit überzeugen durchaus in ihrer schrulligen Selbstgerechtigkeit, Klaus Brömmelmeier als Traps hingegen scheint keine sehr enge Verbindung zu seinem Gewissen zu haben.Die Urteilsfindung schluckt er ebenso emotionslos herab, wie die konturlose Pampe, die er anstelle der angekündigten prelibaten Speisefolge vorgesetzt bekommt. Die innere Distanz zur etwas didaktischen Moral des Stückes, die durch die angelassene Saalbeleuchtung betont wird, nimmt der Geschichte ihre Aussagekraft und gibt sie der Lächerlichkeit preis.Die gegrölte „Winterreise“ der Betrunkenen, die freundschaftliche Anbiederung der Herren an Traps und die saloppe Endlosschleife des Anfangsmonologs sind nur einige Momente, in denen die hehre Gerechtigkeitsfindung in ein kühles Machtspiel derer kippt, die keine Wahrheit kennen, außer der eigenen.Doch vielleicht sind gerade das die Zeichen der Zeit.Jutta Telser