Kommt man mit beglücktem Herzen und fröhlichem Gemüte aus dem Theater und hat dort ein Verwirrspiel um verweigerte Liebesmüh, vertauschte Ehebetten und tölpelhafte Edelmänner gesehen, so ist man entweder von kindlichem Gemüte oder hat wahrhaft wunderbares Theater erlebt.Die schöne und kluge Helena begehrt den jungen Grafen Beltram, bekommt ihn als Lohn für ihre königliche Fistelheilung zum Ehemann und wird von ihrem trotzigen und hitzigen Ehemann zurückgewiesen, der lieber in den Krieg zieht, als sich der Liebe auszuliefern.„Heute trete ich ein in deine Reihen, Mars! Lass mich so werden wie ich will, lass mich den Krieg lieben und die Liebe hassen!“ So großspurig spricht das schmalbrüstige Bürschlein, das sich ganz seiner männlichen Sendung und Selbstverwirklichung hingeben und mit seinen ebenso aufgeblasenen Kumpanen Heldenkerben in die Welt schlagen will.Heldenhafte MöbelpackerAnstelle großer Heldentaten lässt Niklaus Helbling seine Schauspieler lautstark und offensiv Sitzmöbel und Versatzstücke über die Bühne schieben und sich immer wieder plakativ in neue Kostüme und Rollen schmeißen. Die 400 Jahre alten Witze der Shakespeareschen Nebenrollen treffen immer noch spitz ihr Ziel und bieten eine glänzende Spielfläche für allerlei gelungenen Klamauk. Dietmar König brilliert in seiner Doppelrolle als hochstapelnder Lügenkapitän Parolles und tränenreiche schwarze Witwe. „Hätt ich ein stolzes Herz, würd es mir brechen...“, bekennt er, als seine Ehrlosigkeit entdeckt wird und offenbart mit clownesker Doppelbödigkeit den ganzen psychologischen Tiefsinn Shakespearescher Wortkunst. Und doch ist auch er nur ein Mensch und so richtig böse wollen ihm weder Autor noch Regisseur werden. Helbling spielt auf entwaffnend liebevolle Weise mit dem als Heldenmut getarnten Adrenalinrausch der jungen Gockel, die auf einem Rockkonzert dieselben imaginären Muskeln spielen lassen wie auf dem Schlachtfeld. Reizvolle KlugheitIm Gegenzug zu den pöbelnd-komischen Männerrollen setzt Niklaus Helbling eine fast schon weise Mareike Sedl als schöne Helena, die klug und umsichtig auf ihr Ziel, die rational vollkommen unverständliche Liebe zu Beltram, hinarbeitet. Mag sich mancher auch fragen, was die mit allen Tugenden gesegnete Helena an dem aristokratischen Angeber findet, so ist gerade das eines der Geheimnisse der menschlichen Leidenschaft, die weder nach Mehrwert noch nach Sicherheit fragt, sondern einfach will, was sie will.Diese äußerst unkonventionelle Frauenrolle – damals wie heute –, die als Preisgeld für ihr erfolgreiches aktives Handeln den Mann ihres Begehrens bekommt, mag mit ein Grund für das Unverständnis sein, auf das diese Komödie schon immer gestoßen ist. Über konventionelle Liebesränke und Intrigengeplänkel lacht man gern, stutzt aber, wenn es der Mann, der sprichwörtliche Held, ist, der zur tollpatschig unbedarften Jagdtrophäe stilisiert wird und sich schließlich seinem Schicksal und wohl auch seinem „Glück“ ergeben muss.Wundervolles MaskenspielEin lustvolles Spektakel innerhalb dieses Gesamtspektakels ist die wundervolle Wandelbarkeit von Maria Happel, die es in diesem Stück in köstlicher Vierfach-Ausführung gibt. Blitzschnell wird aus der hochherrschaftlichen Gräfin ein untergebenster Edelmann oder ein höflicher Herzog, die sich dann zu guter Letzt wundersamst in ein kokettes und adrettes italienisches Fräulein verwandeln. Maria Happel seufzt, rollt die Augen, leidet gebrechlich, wackelt mit dem Hintern, singt herzschmelzende Chansons- und das alles gleichzeitig. Die beschwingte Leichtigkeit allein, mit der sie das gesamte Register menschlicher Emotionen, von tiefstem Schmerz bis zur kalkulierten Leidenschaft zieht, würde genügen, um diese Inszenierung zu tragen.Doch Helbling und nicht zuletzt auch sein Bühnenbildner Dirk Thiele haben auf scheinbar vollkommen entspannte Art eine Welt geschaffen, die kurzweilig und lebendig, jeder anachronistischen Verstaubtheit oder aufgesetzter Aktualisierung enthoben, richtig Freude macht und ganz unprätentiös und wie nebenbei in den leisen Untertönen ein zeitloses Abbild des männlichen Narzissmus und der umsichtig-weitsichtigen weiblichen Zielstrebigkeit zeichnet. Jutta Telser