Mit viel Applaus bedachte das Publikum das neue Stück der Vereinigten Bühnen Bozen „Dem Herz die Arbeit, den Händen die Liebe“ des österreichischen Autors Robert Woelfl, das am 09. Jänner im Stadttheater Bozen unter der Regie von Monika Steil Premiere feierte. „Zukunft!“ klotzt Christian Dieterle als profitgesteuerter Unternehmer Gerhard Sollmann immer wieder wie automatisiert ins Publikum. Er ist die Zukunft, seine Zahlen sind Zukunft, seine Quadratmeter sind Zukunft. Rote Schleife als GalgenstrickRegisseurin Monika Steil lässt ihre Figuren am Anfang des Stückes tonlos und lautstark zum Publikum monologisieren. Emotionslos und hermetisch in sich selbst verschlossen präsentieren sie ihre dumpf-schillernde Welt der Leistung und des Gewinns, verpackt in eine überdimensionale Schleife. Wohlklingend werden Leistung und Gewinn mit Vision und Zukunft übersetzt. Es gibt keinen Zweifel, keinen Widerspruch. Erst später, gegen Ende des Stückes wird die rote Riesenschleife, die die neue Shoppingmall kunstvoll umschnürt, zu einem Galgenstrick und zu Fesseln umfunktioniert. Das großzügige Geschenk des Lebens zeigt seinen doppelten Boden, sein wahres Gesicht.Das Leben gleicht einem fortwährenden WerbespotMit viel konzentrierter Energie lässt Monika Steil die Figuren anfänglich agieren, ihre Sätze mit gestauter Wucht dem Zuschauer entgegen schleudern. Einem unaufhörlichen Werbespot gleich, rechnet Sollmann seinem nicht minder gierigen Geschäftspartner Herbert den Profit ihres gemeinsamen Großunternehmens vor. Eckig und kantig die Bewegungen, wie menschliche Bulldozer schieben sie sich vor das Publikum, atemlos stoßen sie ihre jovialen Versprechungen aus dem Hals, so atemlos und markig, dass das Publikum auf die schreckliche Karikatur immer wieder mit einem befreienden Lachen reagiert, um sich von diesem aggressiv-freundlichen Sog nicht einfangen zu lassen. Die Spielregeln des freien MarktesAuf der anderen Seite der Erfolgsgeschichte stehen Sollmanns frustrierte Ehefrau Susanne, die, von ihrem Mann und dem Geschäftszentrum gleichermaßen angewidert, ihre persönliche erotische Macht mit Herbert auslebt, der jugendlicheren und kraftvollen Kopie ihres Mannes. Enthusiastisch hält sich auch die junge Studentin Sonja an die Spielregeln des freien Marktes und macht ihr einziges Kapital zu Geld, ihren jungen schönen Körper. Allein Sonjas arbeitslose Freundin Erika fällt aus dem betriebsamen Getriebe von Geld und Macht und fungiert zuerst als verzweifelt moralische Instanz, um dann in einem zweiten Moment, sobald sich ihr die Gelegenheit bietet, das Spiel an sich zu reißen und lustvoll die Möglichkeiten der neu gewonnen Machtposition auszukosten.Patrizia Pfeifer als arbeits- und wertlose Erika Handsam lotet die Untiefen der verzweifelten und triumphierenden Hysterie überzeugend aus und verleiht ihrer Figur dabei jene körperliche und psychologische Dichte, die Susanne Sollmann und Herbert zuweilen fehlt. Christian Dieterle ist ein wunderbar plastifizierter Gerhard Sollmann, der ständig unter Druck steht, mit glänzenden Worthülsen über die anderen hinwegfegt und den zu guter Letzt alle drei Frauen gemeinsam – jede mit ihren Mitteln - überwältigen und mundtot machen. Überspitzte Aktion schafft ironische RuhepausenWährend der gesamten Dauer des Stückes bleiben alle Figuren gleichzeitig auf der Bühne, alle sind gleichwertige Mitspieler in diesem rasenden Karussell aus Macht und Gier und bleiben trotzdem nur Nebenfiguren, die sich um die unsichtbaren Götzen Erfolg und Leistung drehen. Monika Steil inszeniert das prämierte Stück des jungen Kärntner Autors Robert Woelfl mit viel Tempo und Energie und doch scheint sie ihre Schauspieler manchmal sich selbst zu überlassen und sich der Tragfähigkeit des Stoffes nicht ganz sicher zu sein. Die überspitzte Ironie, mit der Herbert seine Bewegungen und sich selbst ad absurdum führt, bleiben ebenso im Raum hängen wie das karikiert erotische Auftreten der sonst durchaus überzeugenden Maria Spanring als Sonja. Die spannende emotionslose Distanz des Anfangs wechselt zur teilnahmsvollen Dramatik, mit der die Regisseurin die Frauenfiguren und insbesondere Erika betrachtet. Diese Nähe wiederum wird immer wieder von slap-stickartigen Überzeichnungen gebrochen, die dem Zuschauer zwar Erholung verschaffen, dem Stück insgesamt aber auch eine Plattheit verleihen, die es nicht verdient hat. Sie kratzen am perfekten Gleichgewicht des kapitalistischen Scheins Das minimalistische Bühnenbild von Annette Meyer kommt nur mit wenigen symbolischen Versatzstücken aus und schenkt jeder Figur sein persönlich eingefärbtes Wohlfühl-Kissen, das je nach Bedarf als Sessel, Bett, Trampolin, Schutz oder Folterbank dienen kann. Die Sandkörner, die den gesamten Bühnenboden bedecken, tauchen - der lästigen Fliege gleich, die schließlich von Erika erschlagen wird - immer wieder als kleine Störfaktoren in den unpassendsten Situationen auf und kratzen am perfekten Gleichgewicht des kapitalistischen Scheins.Am Ende des Stücks hat sich Fortunas Rad gedreht, wer oben war ist nun unten, die lang ersehnte Gerechtigkeit erscheint in Form eines Machtwechsels. Monika Steil lässt ihre Figuren in Uniform-weißen Unterhemden Günther Eichs „Aufruf an die Wachsamkeit“ singen und sprengt damit die Hoffnungslosigkeit des ewig Austauschbaren.Eine interessante Inszenierung, ein spannendes Stück, das zeigt wie nah an der Zeit Theater sein kann und dass Geschichte auch nur aus Geschichten besteht. Jutta Telser