Der Ordenspriester erzählt, wie er zu einer Rolle in der VBB-Oper kam, was Messfeier und Schauspiel gemeinsam haben, warum er seinen Beruf als Kinderchirurg gegen das Leben im Kloster eintauschte und was er von der Krise der heutigen Kirche hält. <BR /><BR /><BR /><b>Sie gehören zum Ensemble im VBB-Stück „Blasmusikpop“. Wie kam es überhaupt dazu?</b><BR />Pater Ulrich: Theaterspielen hat zwar schon immer zu meinem Leben gehört, denn ich habe in vielen Produktionen des Theatervereins in Gries mitgewirkt, letzthin auch im März dieses Jahres. Zusammen mit einigen Kollegen habe ich den Grieser Theaterverein 1996 auch gegründet. Zur aktuellen Oper der VBB bin ich allerdings wie die Jungfrau zum Kind gekommen: Der Kapellmeister und der Obmann der Bürgerkapelle Gries haben mir von diesem Projekt erzählt und den Wunsch geäußert, ob ich denn mitspiele. Es gäbe da eine Rolle, die zu mir passt: einen Pfarrer. Da ich vielen Mitgliedern der Bürgerkapelle Gries freundschaftlich verbunden bin und neben dem Schauspielen auch gerne singe, habe ich sofort zugesagt, ohne zu wissen, was da auf mich zukommen würde.<BR /><BR /><b>Und zwar?</b><BR />P. Ulrich: Zum einen die viele Zeit, die man für die Theater- und Gesangsproben investieren muss. Da geht eine Menge der knapp bemessenen Freizeit drauf. In der intensiven Probephase – also in der Vorweihnachtszeit – war es sehr anstrengend mit 3 bis 4 Probeeinheiten in der Woche. An meinem freien Tag waren es gar 8 Stunden am Stück. Die Aufführungen mussten dann ja wegen Covid verschoben werden. Zum anderen die Herausforderung, sich als Laie mit Profis auf eine Bühne zu begeben. Wenn man dann aber mitten im Geschehen ist, so scheint der Unterschied zwischen Amateuren und Profis zu verschwinden, denn alles ist darauf ausgerichtet, das Stück gemeinsam zu inszenieren. <BR /><BR /><b>Klingt nach gehörigem Freizeitstress …</b><BR />P. Ulrich: Das ist bei einem derartigen Projekt unweigerlich so, aber es macht einen riesigen Spaß. Ich habe dabei sehr viel lernen dürfen, automatisch entwickelt man sich auch weiter. Ich wollte das schon immer, denn ich weiß noch, wie ich vor vielen Jahren bei der Eröffnung des Stadttheaters mir vorgestellt hatte: Irgendwann möchte ich auch mal auf dieser Bühne stehen. Nun ist es tatsächlich soweit.<BR /><BR /><b>Dabei haben die Elemente einer Messfeier und eines Schauspiels mehr Gemeinsamkeiten als man auf den ersten Blick wohl vermutet …</b><BR />P. Ulrich: Ja, das Schauspiel ist aus kultischen Handlungen heraus entstanden, dem Gottesdienst der christlichen Tradition liegen liturgische Bausteine zugrunde. Eine Messfeier ist auch ein Stückweit Inszenierung, insofern sind das 2 Welten, die sich gegenseitig ergänzen. <BR /><BR /><b>Zu der persönlichen Erfahrung kommt in Ihrem Falle wohl das Signal dazu: Schaut her, wir geistliche Würdenträger sind auch aufgeschlossen für Erfahrungen außerhalb der Kirche, oder nicht?</b><BR />P. Ulrich: Ja, in meiner Funktion als Pfarrer gehört das unweigerlich zusammen. Ich sehe das auch als Teil der Seelsorge, bin übrigens vielen Mitgliedern der Bürgerkapelle sehr verbunden. Viele von ihnen kenne ich seit Kindesbeinen an, manche habe ich verheiratet oder deren Kinder getauft. Ich empfinde es als ein Miteinander-auf-dem-Weg-sein. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="805592_image" /></div> <BR /><BR /><b>In ihrem Leben haben Sie eine ungewöhnliche Kehrtwende vollzogen, als Sie 2010 den Arztberuf für ein Leben im Kloster eingetauscht haben. Kommen Ihnen gerade die Erfahrungen aus dem vorherigen Berufsleben als Seelsorger zugute?</b><BR />P. Ulrich: Davon bin ich überzeugt. Wenn man als Quereinsteiger dazukommt und so wie ich etwa im Studium und dann als Arzt sehr viel über das Leben und die Menschen gelernt hat, dann weitet sich allein dadurch der Blick. Und so nehme ich Kirchenfragen wohl auch stets mit einem zweiten Auge wahr, mit einem Außenblick. Wobei auch zu sagen ist, dass ich schon immer sehr stark mit der Kirche und der Pfarrei verbunden war.<BR /><BR /><b>Fällt dieser Blick dann zwangsläufig kritischer aus?</b><BR />P. Ulrich: Ich bin nun mal ein kritischer Mensch und bilde mir selbst gerne eine Meinung. Nicht zuletzt deshalb, weil es mir wichtig ist, dass die Kirche für die Menschen und ihr Seelenheil da ist.<BR /><BR /><b>Gerade die aktuelle Zeit ist geprägt von mehreren Krisen, sodass die Sorgen und Nöte der Menschen weiter zunehmen. Liegt nicht gerade hier eine große Chance für die Kirche, eine Chance der Annäherung zu den Menschen?</b><BR />P. Ulrich: Es wäre eine große Chance, da wir gerade jetzt umso mehr die Aufgabe hätten, die Menschen zu begleiten und gemeinsam Antworten auf die großen Fragen zu finden. Allerdings beschäftigt sich die Kirche zu sehr mit sich selbst als Institution – also mit den vielen innerkirchlichen Problemen. Dadurch hat sie die eigentliche Bestimmung ein wenig aus dem Blickwinkel verloren, und zwar die Frage: Wozu sind wir denn eigentlich da?<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="805595_image" /></div> <BR /><b>Wie gehen Sie als Pfarrer damit um?</b><BR />P. Ulrich: Es kommen jeden Tag Menschen zu mir, die etwas brauchen und für die ich da sein darf. Mit ihnen versuche ich, den Glauben zu leben und auch den Glauben zu feiern, da bleibt nicht viel Zeit für die großen kirchenpolitischen Fragen. Diese kann ich als Pfarrer in der Pfarrgemeinde ohnehin nicht lösen. Für mich bedeutet Kirche zunächst einmal ganz konkret die Glaubensgemeinschaft vor Ort. Diese geht miteinander durch das Jahr und teilt Freuden, Ängste, Nöte und Hoffnungen.<BR /><BR /><b>Das Leben als Pfarrer hält also tagtäglich viele Aufgaben für Sie bereit. Was steht denn beispielsweise heute alles auf Ihrer Agenda?</b><BR />P. Ulrich: Der heutige Tag hat sehr zeitig mit dem Frühchor der Mönche und dem Morgengebet begonnen. Danach habe ich um 7 Uhr eine Messe gelesen, seit 8 Uhr bin ich im Büro, nun folgt wie jeden Dienstag und Donnerstag noch eine Sprechstunde.<BR /><BR /><b>Ist da viel Betrieb?</b><BR />P. Ulrich: Ja, sie ist immer gut besucht. Ansonsten sitze ich am Computer und bereite mich auf künftige Termine vor: Für einen Begräbnisgottesdienst muss ich heute eine Ansprache schreiben, außerdem sind für diese Woche noch 3 Hochzeiten vorzubereiten. Vom Mittagessen einmal abgesehen, wird das bis in den späten Nachmittag hinein dauern. Danach muss ich ins Theater, um 18 Uhr beginnt die 4-stündige Probe. Wenn ich danach heimkomme, weiß ich, dass ich todmüde ins Bett fallen werde.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="805598_image" /></div> <BR /><BR /><b>Verschicken Sie eigentlich noch die Predigt in Form einer Newsletter?</b><BR />P. Ulrich: Nein, das war für rund 2000 Adressaten nur eine Überbrückung zu Zeiten des Lockdowns, als es keine Gottesdienste gab. Stattdessen mache ich seit fast einem Jahr einen Podcast mit Gedanken zum Sonntagsevangelium oder ganz allgemein zum Sonntag. Der war in Sommerpause, soll aber in der kommenden Woche wieder starten. Zu diesem Zweck habe ich hier ein kleines Tonstudio aufgebaut. Auch das bereitet mir große Freude. Zu finden ist er übrigens auf der Homepage unserer Pfarrei und auf Spotify, er nennt sich „Einfach zum Nachdenken“. <BR /><BR /><b>Was glauben Sie: War Ihr ungewöhnlicher Weg Vorsehung? Zufall? Schicksal?</b><BR />P. Ulrich: Es hat sich so ergeben. Die Frage ist: Wäre es auch anders gegangen? Natürlich! Es gibt im Leben immer Punkte, an denen sich Türen auftun und wo man sich entscheiden muss. Bis heute hat es keinen langweiligen Tag gegeben, wenngleich es wie in jedem Beruf und bei jeder Lebensform schöne und weniger schöne Dinge gibt. Ich glaube, dass ich einfach sensibel war für die Signale, die mir geschenkt wurden. Und so habe ich mir gesagt: Ich mache das jetzt einfach. Ich habe mich für diesen Weg entschieden und das bis zum heutigen Tag nie bereut.<BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />Pater Ulrich wirkt seit 2018 als Pfarrer in der Erzpfarrei St. Augustin Gries. 2010 hatte er seinen einstigen Beruf als Mediziner (7 Jahre lang war er zuvor als Assistenzarzt an der Kinderchirurgie im Krankenhaus von Bozen tätig) quittiert, um in das Benediktinerkloster Muri-Gries einzutreten. <BR />2016 wurde er zum Priester geweiht. Von 2016 bis 2018 arbeitete er zudem als Fachlehrer für Philosophie am Franziskanergymnasium Bozen. Ulrich Kössler wuchs in Bozen-Gries auf und engagierte sich dort schon früh für viele Jahre in der Pfarrgemeinde und in der katholischen Jugendarbeit.<BR />