Unmittelbar bevor Emilio Rudari am Mittwoch, 23. Juli, in Begleitung seines Neffen Ivano Artuso in den Schnellzug nach Rom einsteigt, steht er für ein Telefoninterview zur Verfügung. <BR /><BR />Es sind ereignisreiche Tage für einen Mann, der schon vieles erlebt und gesehen hat. Klar, vor 100 Jahren war die Welt noch eine völlig andere, es folgte eine dunkle Epoche, geprägt von Faschismus und Nationalsozialismus, dann die heikle Phase des Wiederaufbaus, als die Südtirol-Autonomie noch ein sehr zartes Pflänzchen war. <h3> Der älteste aktive Jäger Südtirols</h3>Emilio Rudari weiß davon so einiges zu berichten, am liebsten aber spricht er über seine Passion, die ihn ein Leben lang bis zum heutigen Tag begleitet: die Jagd. Erst im Jänner bekam er seinen Waffenpass um ein weiteres Jahr verlängert, somit ist der Bozner der älteste aktive Jäger Südtirols und allem Anschein nach auch der älteste auf dem gesamten Staatsgebiet.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193913_image" /></div> <BR /><BR />„Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat mich die Leidenschaft des Jagens gepackt und seitdem nicht mehr losgelassen“, sagt Emilio Rudari, der in den drei Revieren Lüsen, St. Pankraz im Ultental und Terlan nach wie vor auf die Pirsch geht. Das unverfälschte Naturerlebnis, das damit verbundene Abenteuer und die Regulierung des Wildbestandes – diese drei Aspekte faszinieren ihn dabei am meisten. Bei seinen vielen Pirschgängen hat er so einiges erlebt, darunter auch folgende Anekdote: <BR /><BR />„Vor vielen Jahren, in Lüsen, habe ich wie so oft im Heu einer abgelegenen Scheune genächtigt, ehe ich von einer Maus, die sich an meinem Rucksack zu schaffen machte, geweckt wurde. Als ich mich aufrichtete, sah ich draußen im Schnee einen prächtigen Hirsch. Diese Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen und habe ihn erlegt. Vom Tal sind dann Freunde mit einem großen Schlitten für den Abtransport gekommen.“ Derartige Erlebnisse haben sich tief in sein Gedächtnis eingeprägt. <h3> Ein überzeugter Antifaschist</h3>Neffe Ivano sagt über Emilio: „Er ist ein überaus bescheidener und respektvoller Mensch.“ Ivano pflegt eine enge Verbindung zu ihm und begleitet ihn auch oft auf der Jagd. Allerdings möchte er die Lebensleistung seines Onkels nicht auf dessen Leidenschaft beschränkt wissen.<BR /><BR /> Tatsächlich war Emilio in seinen jungen Jahren zunächst viele Jahre im Bozner Lancia-Werk als technischer Konstrukteur beschäftigt, dort entwarf er Maschinenteile für Militärfahrzeuge. Sein Paradestück war ein Prototyp einer Maschine für die Serienproduktion. Später heuerte er beim Michelin-Werk in Trient an. Beim Reifenkonzern stieg er zum Bereichsleiter auf und verantwortete bis zu 300 Mitarbeiter. <BR /><BR />Emilio war stets überzeugter Antifaschist. „Viele Jahre habe ich in Tschars gelebt, dort habe ich mich mit der örtlichen Bevölkerung angefreundet und ihren Dialekt gelernt“, kramt der 100-Jährige in seinen Erinnerungen. Während die Männer im Krieg waren, habe er den zurückgebliebenen Frauen beim Pflügen der Äcker geholfen. Ziemlich spät, aber doch noch, hat er geheiratet. Da war er 50, Kinder hat er keine. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193916_image" /></div> <h3> „Habe ein einfaches, gesundes Leben geführt“</h3>Mit seinen 100 Jahren spannt Emilio Rudari einen weiten Bogen zwischen einer Zeit, als noch Ochsen den Pflug zogen und Autos eine Rarität waren, bis herauf zu einem Alltag, der von Computern, Handys und technologischen Neuerungen dominiert wird. Rudari wusste sich stets anzupassen, sein Führerschein wurde gerade erst erneuert, auch das Handy benutzt er. Hundertjährige fragt man immer gerne nach ihrer Lebensweise.<BR /><BR /> „Ich habe ein einfaches, gesundes Leben geführt, habe nie geraucht und nie etwas getrunken“, meint er lachend, um sich gleich selbst zu korrigieren: „Hin und wieder gab’s zum Essen ein Glas Wein, aber das war’s auch schon.“ Gut möglich, dass auch die vielen Pirschgänge ihren Teil zu diesem langen Leben beigetragen haben.