Eine Möglichkeit, um den Ablass zu gewinnen, ist das Durchschreiten einer Heiligen Pforte an einer Basilika in Rom. In Südtirol hat Bischof Ivo Muser 7 Jubiläumskirchen für das Heilige Jahr ausgewählt. Es sind die Dome von Bozen und Brixen, die Klosterkirche in Marienberg, die Heilig-Kreuz-Kirche in Lana, die Wallfahrtskirche Maria Weißenstein, die Kreuzkirche Säben und die Wallfahrtskirche Oies im Gadertal. Wird auch Christoph Amor die Chance auf einen Ablass nutzen?<BR /><BR /><b>Werden Sie im Heiligen Jahr einen Ablass gewinnen?</b><BR />Christoph Amor: Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mir die Frage noch nicht überlegt. Ich bin noch unschlüssig. Aber es ist wichtig zu wissen, dass die katholische Kirche sagt: Ein Ablass ist ein Mittel, eine Hilfestellung, die man oder das man für sich nutzen kann, aber nicht nutzen muss. Also es ist jedem Gläubigen, jeder Gläubigen freigestellt, ob er oder sie einen Ablass gewinnt oder nicht. Und wie wir wissen, hat der Ablass ja in unseren Zeiten nicht den besten Ruf. Er polarisiert ein Stück weit.<BR /><BR /><b>Was hält Sie davon ab, den Ablass zu gewinnen und was reizt dann doch?</b><BR />Amor: Wo zögere ich? Ich fange mal mit dem an. Ich würde sagen, mir fällt auf, vor allem bei religiösen Fortbildungen, dass immer wieder Menschen die Frage stellen: Was ist ein Ablass und wozu im 21. Jahrhundert noch Ablässe? Diese Frage beschäftigt viele. Dahinter steckt auch eine Sorge, die man ernst nehmen muss. Hier gibt es oft eine gefährliche Verzerrung des Gottesbildes, weil der Ablass suggeriert: Damit Gott dich annimmt, damit du in den Augen Gottes liebenswürdig bist oder wirst, musst du zunächst etwas tun. Und dagegen sträuben sich viele Menschen und ich würde sagen, auch zu Recht. Da spüren viele Menschen, dass das eigentlich nicht kompatibel, nicht vereinbar ist mit der Botschaft Jesu, der uns ein ganz anderes Gottesbild vermittelt, nämlich einen väterlich-mütterlichen Gott, der wie ein guter Vater, wie eine gute Mutter das eigene Kind liebevoll anblickt. Ich habe also die eine Sorge, dass der Ablass einer Leistungsfrömmigkeit den Vorschub gibt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1114197_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und die zweite Sorge?</b><BR />Amor: Diese nehme ich zwar jetzt weniger bei uns wahr, aber in der Elterngeneration ist sie sicherlich noch vorhanden. Es ist die Frage nach dem Gericht: Nach welchen Kriterien werde ich einmal gerichtet werden? Ist Gott wirklich ein strenger Richter, von dem man ja in der Tradition gesagt hat, jede Sünde werde geahndet und der Tag des Gerichtes werde der Tag der großen Vergeltung sein, wo Gott wie ein Buchhalter das Buch des Lebens aufschlägt, die guten und die bösen Werke zusammenzählt und dann wird abgerechnet. Und auch da stellt sich die Frage vieler Menschen: Ist das ein angemessenes Gottesbild, dass Gott gleichsam Vergeltung übt? <BR /><BR /><b>Wenn der Ablass also nicht eine Art Rabatt bei bösen Taten darstellt: Was ist dann der Sinn der Sache?</b><BR />Amor: Der Ablass, um das einordnen zu können, wäre der Nachlass zeitlicher Sündenstrafen für Sünden, deren Schuld bereits vergeben ist. Und das ist ganz entscheidend. Da gibt es zum Teil irrige Meinungen, dass der Ablass entscheidet, ob jemand in die Hölle kommt oder nicht. Nein, der Ablass betrifft letztlich nur Menschen, die schon mit einem Fuß im Himmel sind. Aber sie haben noch – sagen wir es bildlich – schwarze kleine Flecken auf der weißen Weste. Also für den Himmel reicht es noch nicht ganz. Sie sind traditionell formuliert im sogenannten Fegefeuer. Und in diesem Fegefeuer, da sind die Sündenstrafen abzubüßen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-68003330_quote" /><BR /><BR /><b>Damit fällt schon wieder der Begriff Strafen. Also doch ein strafender Gott?</b><BR />Amor: Die frühe Christenheit hat ein ganz feines Gespür dafür entwickelt, dass mit jeder bösen Tat, die ich setze, zwei Sachverhalte entstehen. Und das eine nennt man in der religiösen Begrifflichkeit die Sündenschuld, dass man also sagt, ich versündige mich gegenüber jemandem. Klassisches Beispiel: Wenn ich wiederholt meinen Arbeitgeber anlüge, dann lade ich Schuld auf mich. Wenn mein Arbeitgeber mir auf die Schliche kommt und mein Lügengebäude auffällt, dann könnte er trotzdem sagen, ich verzeihe dir. Dann wäre gleichsam diese Schuld im zwischenmenschlichen Bereich getilgt. In der Kirche ist die Beichte traditionell der Ort, wo Schuld vergeben wird. <BR />Aber die Christenheit sagt, dass sich dieser Arbeitgeber nach der Versöhnung doch noch die Frage stellt: Ist mein Angestellter noch vertrauenswürdig? Kann ich ihm in Zukunft noch vertrauen? Das heißt, es bleiben Folgen dieser Sünde übrig. Und die sind mit der Versöhnung, auch mit der Beichte, religiös formuliert, ja noch nicht aus der Welt geschafft. Jede böse Tat zieht gleichsam weitere Kreise. Und wenn es nur ist, dass es die Atmosphäre zwischen Menschen vergiftet. <BR /><BR /><b>Dann wäre der Ablass so etwas wie ein Straßenschild, das auf Straßenschäden aufmerksam macht, die ich durch mein Vergehen angerichtet habe?</b><BR />Amor: Ja, unter dieser Rücksicht wäre der Ablass eigentlich etwas sehr Hilfreiches, auch für unsere Spiritualität etwas sehr Wertvolles. Denn damit weist uns die Kirche darauf hin, dass auch mit dem Versöhnungsgeschehen leider Gottes noch nicht alles wieder gut gemacht ist. Und deswegen heute spricht man weniger von Sündenstrafen, sondern eher von Sündenfolgen. Hier muss also gleichsam ein Ausgleich geschehen. Und wer springt jetzt gleichsam für mich in die Bresche? Die Kirche sagt: Da sind die Verdienste Jesu Christi und die Verdienste der Heiligen, die gleichsam einen Mehrwert an Liebe, Glaube und Hoffnung geleistet haben in ihrem Leben. Und wohin fließt dann dieser Überfluss der guten Werke der anderen? In den sogenannten Kirchenschatz. Und der ist ja für die Theologie des Ablasses ganz zentral. Deswegen würde ich sagen: Wir müssen den Ablass nicht aufgeben, weil er uns daran erinnert, dass sich Sünde auswirkt und sie negative Folgen hat. Wir dürfen aber bei der Behebung dieser Folgen auf die Unterstützung anderer, auf die Unterstützung der Gemeinschaft vertrauen. Also insofern könnte man sagen, dieser Schatz der Kirche ist ein schönes Bild dafür, wenn wir uns bemühen, Beziehungen wieder zu kitten. Wir sind nicht alleine auf uns gestellt. Das ist eigentlich die schöne Botschaft des Ablasses. <BR /><BR />Wenn Sie mehr zu diesem Thema erfahren wollen: Christoph Amor ist auch zu Gast im <a href="&#8222;Martins Sonn(der)tag&#8220;: Was bitte habe ich von einem Ablass?" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Podcast „Martins Sonn(der)tag“</a>.