„Adlon oblige“, so lautete aber auch das Motto der Familie Adlon. In Familienbesitz ist das Luxushotel am Pariser Platz allerdings schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Dies soll sich jetzt ändern, zumindest wenn es nach dem Ururenkel von Hotel-Erbauer Lorenz Adlon, Felix Adlon, geht. Er will das Adlon zurückholen.<BR /><BR /><BR />„Unsere Familie wurde erst von den Nazis enteignet, dann von den Russen. Und schließlich vom eigenen Rechtsstaat“, klagt Felix Adlon (54) in einem Exklusiv-Interview mit der „Bild“-Zeitung an. „Meine Frau Nina und ich sind es unseren Kindern und meinen Ahnen schuldig, dieses Unrecht wieder gutzumachen“, sagt er. Denn jetzt könne er endlich beweisen, dass die Gründe für die Enteignung falsch waren. „Bild“ und „B.Z.“ haben darüber berichtet. <BR /><BR />Eine Zeitreise. Eröffnet wurde das Hotel Adlon erstmals am 24. Oktober 1907 von Lorenz Adlon. Der Sohn eines Mainzer Schuhmachers und einer Hebamme, eigentlich gelernter Möbeltischler, hatte sich ab den 1880er-Jahren als „Restaurateur“ (Gastwirt) einen Namen gemacht. Nach Lehrjahren in Frankreich eröffnete er zunächst ein Ausflugslokal in Mainz, später erwarb er Hotels und Restaurants in Amsterdam und Berlin. Sogar zum Hoflieferanten war er berufen worden, so für den Prinzregenten Luitpold von Bayern, den Herzog Friedrich von Anhalt und den Großherzog von Hessen.<h3> 20 Millionen Goldmark für einen Traum</h3>Mit Unterstützung von Kaiser Wilhelm II. gelang es Lorenz Adlon schließlich, seine Vision von einem eigenen Grandhotel zu realisieren. Unglaubliche 20 Millionen Goldmark soll der Gastronomie-Unternehmer dafür hingeblättert haben (zum Vergleich: Der fast zeitgleich fertiggestellte Berliner Dom kostete nur 11,5 Millionen Mark). <BR /><BR />1904 konnte er das exklusive Baugrundstück Unter den Linden vis-à-vis des Brandenburger Tors erwerben. Knapp 3 Jahre später wurde das Hotel der Superlative eröffnet. Die 305 Zimmer hatten eine für die damalige Zeit einzigartige technische Ausstattung: Elektrizität und fließend warmes und kaltes Wasser gehörten zum Standard; fast die Hälfte der Zimmer hatte sogar ein eigenes Bad.<BR /><BR />Standesgemäß war der erste Stammgast des Adlons: Kaiser Wilhelm II. Dieser residierte eigentlich im Stadtschloss am anderen Ende der Linden, doch dieses bot nicht den Luxus des Adlons. Und so zog es Wilhelm II. immer wieder ins Nobelhotel. Zuletzt 1913, als seine Tochter Viktoria Luise hier – in Anwesenheit des britischen Königs George V. und des russischen Zaren Nikolaus II. – Hochzeit mit dem Welfenprinzen Ernst August III. von Hannover feierte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="779987_image" /></div> Es bedurfte nur weniger Jahre, bis die ganze Welt von der exklusiven Adresse im Herzen von Berlin Notiz nahm. Das Hotel zog Prominente und Mächtige förmlich an: Maharadschas, Könige, Filmstars, Diplomaten und Nobelpreisträger wie Albert Einstein stiegen im Adlon ab. Die Festsäle und Bars des Hotels wurden zum gesellschaftlichen Treff- und Mittelpunkt der Stadt. <BR />Nach dem Ersten Weltkrieg entdeckten die vermögenden Touristen das Berliner Adlon. In dieser Zeit prägte Lorenz Adlon das Motto des Hauses: „Adlon oblige“. Schrullen, Vorlieben und Wünsche eines jeden Gastes wurden in Dossiers festgehalten; das Personal war stets freundlich und zuvorkommend, selbst bei exzentrischen Gästen. <h3> Im Adlon wurde Marlene Dietrich entdeckt</h3>Der Untergang des kaiserlichen Deutschlands wurde zur persönlichen Katastrophe für Lorenz Adlon, analysierte „Der Spiegel“. Während des Weltkrieges hatte Lorenz treu zum Kaiser gehalten, und selbst als Wilhelm II. schon im Exil in Holland war und die Republik ausgerufen wurde, stand im Kaminzimmer noch immer eine Bronzebüste von „Willi Zwo“, wie der Kaiser im Volksmund genannt wurde.<BR /><BR />1921 starb Adlon nach einem Unfall – er wurde beim Überqueren des Pariser Platzes von einem Fahrzeug angefahren und getötet. Das Adlon ging an Lorenz' Sohn Louis, und das Hotel wurde „ein inoffizielles Parlament aller Nationalitäten, eine ,kleine Schweiz', also ein Ort, an dem man sich offiziell treffen und sich privat aussprechen konnte“, schilderte Louis' Ehefrau, Hedda Adlon, später einmal. <BR /><BR />Es wird erzählt, Charlie Chaplin wurde 1931 von einer begeisterten Menge vor dem Hotel nahezu gerupft und kam ohne Hosenknöpfe im Hotel an. Außerdem soll Marlene Dietrichs Engagement im Film „Der blaue Engel“ im Adlon eingefädelt worden sein. Und der spätere Kult-Entertainer Peter Frankenfeld wurde Ende der 20er-Jahre als Page gefeuert, weil er sich an einer Eisbombe vergriff, die für Reichspräsident Paul von Hindenburg bestimmt gewesen war. <BR /><BR />Nach der Machtergreifung der Nazis verdrängte eine Büste Adolf Hitlers jene des Kaisers, und das Außenpolitische Amt der NSDAP mietete Säle für Veranstaltungen. Göring hielt hier Reden, und NS-Außenminister Ribbentrop verlegte seinen Jour fixe für die Auslandspresse in das Adlon. „Louis Adlon konnte sich nicht dagegen wehren; eine Ablehnung wäre gleichbedeutend mit Selbstmord gewesen“, schrieb Hedda Adlon später. Am 1. Februar 1940 traten die Eheleute der NSDAP bei.<BR /><BR />Das letzte Mal versammelte sich die Welt der Schönen und Reichen 1936 im Adlon. Könige und Prinzen aus ganz Europa besuchten die Olympischen Spiele in Nazi-Deutschland und stiegen im Nobelhotel ab. Mit Beginn des Krieges gingen die Gästezahlen deutlich zurück – und reduzierten sich noch weiter, als Deutschland 1942 auch den USA den Krieg erklärte. <h3> 1945: Das Schicksalsjahr des Luxushotels</h3>Den Zweiten Weltkrieg überstand das Adlon nahezu ohne größere bauliche Schäden. Doch in der Nacht von 2. auf 3. Mai 1945 brach ein Brand aus – vermutlich ausgelöst durch russische Soldaten, die im Weinkeller feierten und eine Zigarre wegwarfen. Das Feuer soll 2 Tage gewütet haben. Vom einstigen Prachtbau blieb nur ein Seitenflügel übrig. Louis Adlon sollte nie davon erfahren. Denn er überlebte das Ende des Krieges nur um wenige Tage. Von den Russen zum Verhör abgeholt, brach er auf dem Heimweg zusammen und starb.<BR /><BR />Nach der Teilung der Stadt gehörte die Hotelruine zu Ostberlin. Die Adlons wurden enteignet, das Hotel zu einem staatseigenen Betrieb erklärt und notdürftig wiederaufgebaut. Mitte der 1980er-Jahre Jahre wurde der einstige Prachtbau abgerissen. Die Geschichte des Adlon schien zu Ende.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-54774465_gallery" /><BR /><BR /><BR />Falsch. Der Fall der Mauer 1989 hauchte der Legende wieder neues Leben ein. Seit 1997 empfängt das neue Adlon, nunmehr Teil der Kempinski-Gruppe, seine Gäste – eleganter (385 Zimmer inklusive 78 Suiten, die Royal Suite hat stolze 185 Quadratmeter und kostet 26.000 Euro pro Nacht, und 3 Restaurants) und schöner denn je. Und ohne die Familie Adlon. <h3> Familie kämpft um die Rückübertragung</h3>Seit den 1990er-Jahren kämpft die Familie um die Immobilie. Doch das „Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen“ hat eine Rückübertragung abgelehnt. Nun versucht Felix Adlon im Namen der Familie erneut sein Glück. Er will im Zuge von Recherchen zu seinem Buch „Adlon“ auf neue Erkenntnisse zu den Geschehnissen in der Nazi-Zeit und der Frage, ob sich die Familie gegen die Vereinnahmung durch das NS-System hätte wehren können, gestoßen sein.<BR /><BR />Der Filmregisseur, der in Wien lebt (und unter anderem 2010 den Film „Mahler auf der Couch“ mit der Bozner Schauspielerin Barbara Romaner in der Hauptrolle gedreht hat), hat dafür den Düsseldorfer Rechtsanwalt Wolfgang Peters mit ins Boot geholt, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) Rede und Antwort stand. Bei der Buchrecherche sei man „auf viele neue Tatsachen gestoßen.“ Auf dieser Basis habe sich die Erbengemeinschaft 2020 entschlossen, einen neuen Versuch zu unternehmen, die Enteignung anzufechten. Das Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen hatte den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens laut Finanzverwaltung im Februar 2020 abgelehnt. Darum liegt der Fall nun beim Verwaltungsgericht.<BR /><BR />In dem Fall geht es außerdem um die grundsätzlichere Frage, ob von der ehemaligen Sowjetunion beschlagnahmtes Nazi-Eigentum generell nicht zurückgegeben werden darf. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht bislang bejaht. Peters sieht aufgrund der Recherchen jedoch historische Gründe, die zu einer Änderung der Rechtsprechung führen könnten.