Bei der Satire ist der Grat zwischen Verhöhnung und Geschmacklosigkeit sehr schmal, meint Irina Lino und bringt dazu ein aktuelles Beispiel aus Tirol.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Kennen Sie den Unterschied zwischen guter Satire und schlechter Satire? Gute Satire ist gemein und gescheit. Schlechte Satire ist gemein und dumm. Gar keine Satire ist einfach nur dumm. Dazu später.<BR /><BR /> Zuvor sollte man sich daran erinnern, dass Satire eine Kunstgattung ist, „die durch Über- oder Untertreibung, Ironie und (beißenden) Spott an Personen wie Ereignissen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt.“ Dass dabei der Grat zwischen Verhöhnung und Geschmacklosigkeit ein sehr, sehr schmaler ist, liegt in der Natur der Sache. <BR /><BR />Und wie leicht Spott ins Menschenverachtende rutschen kann, führte das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ (nicht nur) 2016 vor Augen, als es mit seinen Karikaturen vom „Erdbeben nach italienischer Art“ den 295 Toten von Amatrice und deren Hinterbliebenen ins Gesicht spuckte... <BR /><BR />Nun, verglichen mit dieser kranken Verhöhnung menschlichen Leids ist der harmlose Facebook-Eintrag der Satireseite „Die Tagespresse“ für das europäische Forum Alpbach nicht in den erschütternden Abgründen der Geschmacklosigkeit, sondern in den unendlichen Weiten der Flachwitze angesiedelt. Wenn man schon den Stier bei den Tiroler Hörnern packen und die „heilige Kuh“ Traditionsschützen satirisch schlachten will, die zur Alpbach-Eröffnung gehören wie der Club Alpbach Südtirol zum Forum, wäre eine spitze, nein, eine messerscharfe Feder vonnöten und nicht der stumpfe, dumpfe „Kommentar“ der Tagespresse zum Foto der Tiroler Schützen: „Bei den bewaffneten Männern, die durch Alpbach ziehen, handelt es sich nicht um Taliban.“ (Seufz). <BR /><BR />Dass diese zum Zeitpunkt des Postings gerade in Afghanistan wüten, könnte man ja noch unter die Rubrik Brachialsatire reihen, wenn der gequälte Vergleich nicht so erbärmlich hinken würde... In diesem Kontext entbehrt die erste (und hoffentlich einzige) Kooperation der europäischen Denkerwerkstätte mit der österreichischen Satire-Website sowohl Geist als auch Witz und ist damit nur ein peinlicher Schuss ins eigene Knie! Mit den Taliban ist eben nicht zu spaßen, egal, aus welcher Ecke sie kriechen.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />In einer wöchentlichen Kolumne schreibt Irina Lino auf s+ über aktuelle Themen verschiedenster Art. Irina Lino ist 1967 in Klagenfurt geboren und seit 1987 Kulturjournalistin. Zahlreiche Beiträge in Büchern und Katalogen zu Kulturthemen; seit 2009 Kultur-Ressortleiterin der „Kronen Zeitung“ Kärnten sowie Kolumnistin.