Im Interview erzählen die beiden, warum nicht nur Klein, sondern auch Groß mit den Geschichten Spaß haben, aber auch zum Nachdenken angeregt werden.<BR /><BR /><BR /><b>Das Musical basiert auf den Büchern, die Sie gemeinsam herausgegeben haben. Was war der Anstoß, diese zu schreiben?<BR /></b>Hendrikje Balsmeyer: Die Inspiration für die Geschichten war unsere 6-jährige Tochter Anouk. Sie war damals noch ein Baby, und ich habe überlegt, womit man ihr eine Freude machen kann, von der sie ganz, ganz lange etwas hat. Auch, wenn sie erwachsen ist. Dann habe ich zu Peter gesagt, ich möchte Geschichten schreiben für sie. Geschichten, die das Kind stärken, ihr Mut und Selbstvertrauen geben und gleichzeitig auch indirekt ein paar Werte vermitteln. Die Geschichten finden in Abenteuerwelten statt, in denen die Protagonistin – einige Jahre älter als unsere Tochter zum damaligen Zeitpunkt – nachts auf Kinder mit vermeintlichen Schwächen trifft: im Rollstuhl sitzend, blind, nicht mutig genug. Aber Anouk sagt, das ist kein Defizit, und zeigt anderen Kindern, dass diese vermeintliche Schwäche eigentlich eine Stärke ist. Als sie von ihren Eltern geweckt wird, sagen diese im morgendlichen Stress, das sei alles nur ein Traum gewesen. Aber Anouk sieht in ihrer Hand einen Gegenstand, den sie aus der Abenteuerwelt mitgebracht hat, und murmelt vor sich hin, dass die Eltern schon viel zu erwachsen seien.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109898_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie viel von Ihrer Tochter Anouk steckt in der Figur?<BR /></b>Peter Maffay: Die Illustratorin Joëlle Tourlonias bildet in den Geschichten ein bisschen unsere Familie ab. Die Details im Kinderzimmer von Anouk entsprechen der Realität, die Personen haben mit uns relativ viel zu tun. Anouks Vater hat dieselben Tattoos wie ich. Wir haben uns darauf eingelassen, weil wir das charmant fanden. Und die Leute finden es witzig, dass wir uns so abbilden lassen. Wir waren total überrascht vom Zuspruch auf das erste Buch, was dann die Fortsetzungen zur Folge hatte. Inzwischen ist sozusagen eine kleine Anouk-Welt entstanden, über die wir auch Lesungen machen, und das Ganze hat eine Dynamik entwickelt, von der wir am Anfang nichts geahnt haben.<BR /><BR /><b>Wie kam es zur Umsetzung als Musical?<BR /></b>Maffay: Wir haben viele Reaktionen von Menschen erhalten, die gesagt haben, wir müssten die Geschichten als Musical auf die Bühne bringen. Und das kommt offensichtlich sehr gut an. Wir selbst haben bei der Premiere verblüfft dagesessen und festgestellt, dass es nicht nur für kleine Kinder interessant, amüsant und sehr, sehr unterhaltsam ist. Wir freuen uns, dass wir diese 3-jährige Zeit mit ihrer Vielschichtigkeit erleben durften, und werden an diesem Thema dranbleiben.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67870941_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was können Kinder oder auch Erwachsene aus dem Stück mitnehmen?<BR /></b>Maffay: Wir glauben, dass die Vermittlung von Werten an die kommenden Generationen über solche Geschichten sehr wichtig ist. Die Reaktionen aus Kindergärten und Schulen scheinen das zu bestätigen. Man braucht nur die Nachrichten einzuschalten, um festzustellen, wie schnell und radikal sich die Gesellschaften verändern, mit welchen Problemen wir zu tun haben, die so gravierend sind, dass man zu Recht annimmt, dass man das nur in einer Gemeinschaft schafft. Diese ganzen Spannungsfelder haben natürlich einen Effekt auf die Schwächsten, die Kinder. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, diese Spannungsfelder abzubauen und die Kinder in eine lebenswerte Zukunft hineinwachsen zu lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Geschichten brauchen, die sich um Toleranz, Respekt, gleiche Augenhöhe drehen, ungeachtet der Herkunft, der Religionszugehörigkeit usw.<BR />Balsmeyer: In den Geschichten ist es oft so, dass die Eltern sehr gestresst sind. Auch in der heutigen Gesellschaft ist es so, dass alles sehr schnelllebig geworden ist und dass man manchmal die Prioritäten falsch setzt oder nicht anders setzen kann. Wir wollten ein bisschen den Zeigefinger darauf richten, dass die Eltern manchmal überlegen sollten, ob es gut ist, das, was die Kinder erzählen, zu ignorieren oder als nichtig zu erklären, oder ob man sich manchmal etwas mehr Zeit nehmen sollte, um auf ihre Geschichten und Träume einzugehen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1109901_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wie viel Kind steckt in Ihnen?<BR /></b>Balsmeyer: In Peter sehr viel (lacht).<BR />Maffay: Ich habe befürchtet, dass das jetzt kommt (lacht). Es ist eine fundamentale Erkenntnis, sich einzugestehen, dass Kindlichkeit etwas Sinnvolles ist. Und man kann es schaffen, diese kindliche Unbekümmertheit so lange wie möglich zu erhalten bzw. wieder zurückzubringen. Wir erleben, mit welcher stillen Macht unsere kleine Tochter das einfordert. Gerade erleben wir sie in einem absoluten Wichtelfieber. Ich hatte keine Ahnung, dass ich mit 75 Jahren noch einmal zu einem Wichtelfreak werde. Aus diesen Fantasien sollte man die Kinder nicht zu früh herausreißen. Anouks Abenteuergeschichten sind ein bisschen dieser Art. Sie sollen die Erwachsenen, die sie den Kindern vorlesen, auch daran erinnern, dass es sinnvoll ist, ein bisschen kindlich zu bleiben.<BR /><BR /><b>Wie war es, zusammen an dem Projekt zu arbeiten?<BR /></b>Maffay: Die Wahrheit ist, dass Hendrikje 98 Prozent der Dinge macht und ich vielleicht bestenfalls 2. Sie hat die Geschichten geschrieben und ich war das erste Publikum. Ich habe Feedback gegeben, wir haben diskutiert und über Details gesprochen. Das machen wir auch in anderen Bereichen unserer Zusammenarbeit, dieser Austausch ist sehr wichtig.<BR /><BR /><b>Was unterscheidet Anouk von Tabaluga?<BR /></b>Maffay: Es gibt Parallelen, aber Tabaluga ist ein Protagonist aus der Vorzeit und Anouk eine viel modernere Variante. Das Fabelwesen Tabaluga ist Galionsfigur unserer Stiftung für traumatisierte Kinder und damit immer noch sehr wichtig. Auch Anouk und die Geschichten um sie herum könnten einen ähnlichen Weg einschlagen – Hilfestellungen ganz pragmatischer Art in Richtung der Unterstützung von hilfsbedürftigen Kindern. Jetzt schon fließt aus den Erträgen aus den Aktivitäten rund um Anouk ein gewisser Anteil in eine karitative Richtung.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67870945_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie viel Peter Maffay steckt im Musical „Anouk“?<BR /></b>Balsmeyer: Viele Situationen aus den Büchern könnten wirklich so bei uns stattfinden. Im Musical ist das aber sehr, sehr überspitzt. Witzig war, dass ich das Drehbuch mitgeschrieben, aber die Proben nicht verfolgt habe. Wir haben uns bewusst auf diesen Effekt bei der Premiere gefreut. Peter wird im Stück natürlich als Musiker dargestellt, aber er trägt einen Bademantel und macht den ganzen Tag lang gar nichts außer auf seiner Gitarre rumzuspielen, sein Motorrad zu putzen und Kaffee zu trinken. So ist er gar nicht, aber damit wird natürlich ein Musikerklischee sehr bedient. <BR />In musikalischer Hinsicht waren wir ein Viererteam: die Songwriter Jens Gilles und Annika Doherty sowie Peter und ich. Annika, Jens und ich haben mit der textlichen und musikalischen Ideenfindung begonnen und Peter, der natürlich viel länger Musik macht als wir alle zusammen, hat sich das dann angehört, die Gitarre in die Hand genommen oder sich ans Klavier gesetzt und viele wertvolle Tipps gegeben. Musiker aus Peters Band haben auch Ideen und Songs beigetragen, und Jens Gilles hat generell die Zügel in der Hand behalten, damit alles in eine Form passt. Wir haben insgesamt ein Jahr lang am Musical gearbeitet. Ich bin froh, dass Peter schlussendlich doch mehr mitgemacht hat, als er das vielleicht am Anfang wollte. Es fühlt sich immer toll an, im Studio arbeiten zu dürfen und dann noch einen Mentor zu haben wie ihn. Das war eine sehr, sehr schöne Zeit.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67871020_listbox" /><BR /><BR /><BR /><b>Sind Sie bei der Tournee manchmal vor Ort? Hat man vielleicht das Glück, Peter Maffay bei einer Aufführung in Südtirol zu sehen zu bekommen?<BR /></b>Balsmeyer: Wir waren natürlich bei der Premiere und werden auf jeden Fall in München dabei sein. Und wenn wir irgendwo sein sollten, wo das Musical gerade gespielt wird, werden wir es uns sicher ansehen, wenn es die Zeit erlaubt.<BR /><BR /><b>Weihnachten steht vor der Tür. Ganz ungeniert gefragt: Wie feiern sie das Fest?<BR /></b>Maffay: Unterm Baum (lacht). Durch Anouk ist Weihnachten für uns alle wieder sehr in den Fokus gerückt. Wir erleben das Fest durch sie anders, denn so ein kleiner Mensch hat einen anderen Zugang zu diesem Zeitraum. Die Familie kommt zusammen, jeder ist bemüht, so viel Zeit wie möglich mit Anouk zu verbringen. Wir haben dieses Jahr Programme abgespult wie wahrscheinlich noch nie vorher – auch durch die Farewell Tour – und sind sehr dankbar dafür, ein bisschen einen Gang zurückschalten zu können. Aber auch in dieser weihnachtlichen Ruhe nehmen wir wahr, was um uns herum passiert, erinnern uns, dass es vielen Menschen auf der Welt extrem schlecht geht und es ein enormes Gefälle gibt, das im Prinzip von Jahr zu Jahr stärker wird. Das macht sehr nachdenklich. Wir versuchen über die Stiftung, soweit es in unseren Möglichkeiten liegt, einigen Menschen, vor allem Kindern, zu helfen. Dadurch erleben wir die Schicksale vieler traumatisierter Kinder, die aus Konfliktzonen zu uns kommen, hautnah. Das erinnert einen daran, dass Weihnachten eben nicht nur eine Friede-Freude-Eierkuchenzeit ist, sondern auch Verpflichtungen, sich um die Schicksale von Menschen zu kümmern oder daran teilzuhaben.