Die Mittfünfzigerin mit dunklen Haaren hat als Altenpflegerin gearbeitet und sich vor einigen Jahren als Referentin für komplementäre Pflege und Heilpflanzen selbständig gemacht. Unterhofer, die mit ihrem Mann einen Bauernhof am Guntschnaberg betreibt, bietet am Salten auch Kräuterwanderungen und Lärchenführungen an.<BR /><BR />Getroffen haben wir uns vor dem Gasthaus Edelweiß in Jenesien, zugleich ein Reiterhof. Wegen der welligen Weite mit nicht asphaltierten Wegen gilt das Hochplateau zwischen Jenesien und Mölten zu Recht als Reiterparadies. In Unterhofers Auto, sie hat eine Fahrgenehmigung, sind wir ein Stück den ansonsten für Fahrzeuge gesperrten Saltenweg bergauf gefahren. <BR /><BR />Rechts am Weg zeigte mir Unterhofer eine als Naturdenkmal geschützte „Urlärche“, einen 25 Meter hohen knorrigen Solitär mit prächtiger Krone, unser Thema heute sind ja die Lärchen. „Rein holztechnisch gesehen“, erklärte mir die Führerin, seien Prachtbäume wie diese Lärche eher zweitklassig: „Da sie viel Platz haben, wachsen sie dem Licht entgegen – das heißt, ihr Stamm ist häufig verdreht und voller Äste, was beides für die Nutzung ungünstig ist.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="947887_image" /></div> <BR /><BR />Nachdem ich mehrmals ausstieg, um ein Gatter zu öffnen und hinter Unterhofers Auto wieder zu schließen, sagt die Landschaftsführerin mit einem charmanten Grinsen: „Jetzt verstehst du, warum ich dich in meinem Auto mitnehme!“ Dass es hier am Salten diese lichten Lärchenwiesen gibt, indem andere Bäume nach und nach gerodet wurden – als einziger Nadelbaum, das Warum ist von der Wissenschaft noch nicht geklärt - gehe auf eine Verordnung von Kaiserin Maria Theresia zurück, erzählt Unterhofer. „Damals kam die Idee auf, den allgemeinen Wohlstand zu fördern, indem die Bauern gefördert und zu neuen Anbaumethoden angeleitet werden. <BR /><BR />Die bestockten Wiesen lassen sich doppelt nutzen, als Weide und Holzlieferant.“ Weil sie ökologisch wertvoll sind, wurden die Lärchenwiesen als Schutzgebiet ausgewiesen. „Allerdings dürfen sie die Bauern nicht intensiv düngen, nur mit Mist düngen, damit die Artenvielfalt erhalten bleibt.“<h3> Der wunderschöne Kofler-Salten</h3>Inzwischen sind wir an der Kofler-Salten angekommen, einem Ensemble aus mit Blechdächern bedeckten Blockhütten, das zu Unterhofers Familienbesitz gehört. Das Hauptgebäude sei im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen errichtet worden. „Die älteren Einheimischen nennen es immer noch Kaserne“, erzählt Unterhofer. Und fügt hinzu, dass die Jenesier schon ein bisschen neidisch seien: „Etliche Bauern von Guntschna haben hier oben Wiesen und Weiden, weil wir ja früher Vieh hatten“, erzählt Unterhofer. <BR /><BR />Die Kofler-Salten ist wunderschön. Ringsum leuchten kupferfarbene Lärchen. An aus Steinen aufgetürmten Mauern prunken Hagebutten und Berberitzen. Schwer mit blauschwarzen Beeren behangen, biegen sich die Äste des Holunders. Die Sträucher, aus deren süß duftenden Blüten ein säuerlicher Sirup gewonnen wird, den man hier mit Quellwasser verdünnt auf den Almen zu trinken bekommt, wachsen neben hölzernen Schuppen. Eines dieser Hexenhäuschen mit Blech- oder Ziegeldach gibt es am Salten auf fast jeder Wiese, wo jetzt Vieh weidet und im Sommer das Gras gemäht wird. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="947890_image" /></div> <BR /><BR />Vor der Eingangstür der Kofler-Salten plätschert ein Brunnen, zwei Schritte entfernt wuchert es in einem Kräutergarten. Unterhofer hat drinnen den Küchenherd angefeuert, über dem Blechdach schwebt eine Rauchfahne. Jetzt greift sie nach einem Holzeimer und hockt sich vor den Stamm einer Methusalem-Lärche. Mit der Linken einen Pfropfen entfernend, mit dem sie (wie ein Pflaster auf eine Wunde) ein in den Baum gebohrtes Loch verschloss, steckt sie ein der Länge nach entzwei geschnittenes Eisenrohr in das Loch. <BR /><BR />Es mit Harz gefüllt wieder herausziehend, zeigt mir Elisabeth Unterhofer, wie sie Lärchenpech gewinnt: „Der Harzfluss ist ein Schutzreaktion des Baumes auf die zugefügte Wunde. Harz kann vielseitig verwendet werden, wir nennen es Lörget.“ <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="947893_image" /></div> <BR /><BR /> Lärchenharz, das sie zu Salben, Ölen, Seifen oder ein Deodorant verarbeitet, hat es Elisabeth Unterhofer besonders angetan. Während sie mir den „Schöpflöffel“ mit honigähnlichem, würzig-bitter riechenden Pech unter die Nase hält, erzählt die Landschaftsführerin, dass es früher in Südtirol in großen Mengen gesammelt, filtriert und destilliert als Terpentin verkauft wurde. „Es wurde nach Venedig gebracht, dort war ein Hauptumschlagplatz für Terpentin.“ <BR /><BR />Lärchenharz sei „das Naturheilmittel schlechthin“, sagt Unterhofer. „In unserer Volksmedizin wird es als Brust- und Muskelbalsam, gegen Gicht und Rheuma verwendet.“ Ihre Mutter habe immer ein Glas Lörget im Schrank gehabt. „Bei eitrigen Entzündungen, um einen Splitter aus der Haut zu ziehen, trug sie an der wunden Stelle vor dem Schlafengehen immer dick Lörgetsalbe auf. Am Morgen, wenn der Verband abgenommen wurde, war alles gut.“<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="947896_image" /></div> <BR /><BR />Elisabeth Unterhofers Öle und Cre`mes kommen im SPA des Hirschenwirts in Jenesien zur Anwendung. Auf der Hotelterrasse, wo man spätnachmittags die dunklen Schatten über Bozen höher klettern sah, esse ich ein cremiges Risotto mit weichen, roten Frühjahrslärchenzapfen. „Vor 20 Jahren“, sagt Petra Oberkofler, sie führt das kürzlich renovierte Hotel zusammen mit ihrer Schwester Maria, „hinkten wir hier der Entwicklung hinterher.“ <BR /><BR />Heute hingegen erweise sich das als Vorteil. „Mit 600 Gästebetten und 3000 Einwohnern im knapp siebzig Quadratkilometer großen Gemeindegebiet von Jenesien gibt es viel Platz. Hier redet keiner von Overtourism.“ Der Verdauungschnaps aus angesetzten Lärchenzweigen, den mir die Chefin anschließend spendiert, weckt Erinnerungen, er schmeckt nach bestockter Lärchenwiese. <BR />