<b><BR />Herr Steger, warum sind Sie Koch geworden?</b><BR />Reinhard Steger: Ich bin in einer Familie groß geworden, in der es viele Gastbetriebe und Köchinnen gab. Kochen gelernt habe ich bei meiner Tante, der „Spangla Liese“ in Sand in Taufers, die eine ungemeine Passion für das Kochen hatte. Sie hat nie davon gesprochen, was damit zu verdienen ist, sondern dass man Menschen mit einem guten Essen glücklich machen und begeistern kann. Und das unabhängig davon, ob der Gast Giulio Andreotti hieß, der regelmäßig beim „Spangla“ eingekehrt ist, oder ob es die ärmeren Leute vom Tal waren, von denen viele von ihr gratis verköstigt wurden. <BR /><BR /><b>Dann ist es die Passion, andere glücklich zu machen, die Sie antrieb?</b><BR />Steger: Die Gastronomie hat nicht nur die Aufgabe, Menschen satt, sondern sie auch glücklich zu machen – und das vom Kindergarten bis zum Pflegeheim. Schon allein wenn Aromen durchs Haus ziehen, entstehen Glücksgefühle. Was ein gutes Essen bewirken kann, erlebt man auch bei schwierigen Verhandlungen, die ins Stocken geraten. Wenn sich die Entscheidungsträger dann am Tisch zusammensetzen, kommen sie sich schnell näher und werden sich einig. Das gilt auch fürs private Umfeld: Sich Zeit zu schenken, gemeinsam am Tisch zu sitzen und miteinander zu reden, das schafft Gemeinsamkeit und ist ein ganz wichtiger sozialer Kitt. <BR /><BR /><b>Wie lange sind Sie professionell am Herd gestanden?</b><BR />Steger: Fast 50 Jahre lang. Angefangen habe ich mit zwölfeinhalb, als ich in den Sommerferien bei meiner Tante mein erstes Geld verdient habe, bis zum Jahr 2020. Seither stehe ich nicht mehr täglich in der Küche, bin aber immer noch viel in Betrieben und Küchen unterwegs. <BR /><BR /><embed id="dtext86-66900363_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Kochen Sie auch zu Hause?</b><BR />Steger: Seltenst. Zu Festanlässen, wenn die Familie im größeren Kreis zusammensitzt. Ansonsten kocht meine Frau. Sie kocht vorzüglich. Außerdem bin ich viel unterwegs. <BR /><BR /><b>Was bleibt von fast 50 Jahren am Herd in Erinnerung?</b><BR />Steger: Es waren ungemein schöne und prägende Zeiten. Egal, ob ich für Menschen von Weltruhm kochen durfte, wie etwa Kardinal Ratzinger, den späteren Papst, oder erst kürzlich mit Schülern für das Südtiroler Kinderdorf – das sind sehr positive Erinnerungen, die bleiben. Und die einem große Wertschätzung entgegenbrachten und immer noch bringen. Das war nicht immer der Fall, das Image des Kochs war kein gutes, als ich damals nach vielen Jahren im Ausland nach Südtirol zurückgekommen bin. <BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Steger: Damals, ich rede vom Ende der 1980er-Jahre, war Koch ein Beruf der Aussteiger, der Säufer, der Schmuddeligkeit. Er war ein Beruf ohne Zukunft, weil viele mit 35 ausstiegen. In den heißen Küchen, in denen noch dazu viel Alkohol floss, war es nicht länger zu ertragen. Dieses für den Beruf und die Kulinarik verheerende Image musste sich ändern. Das war mein Anliegen. Der Beruf musste eine neue Wertigkeit erhalten. Dafür waren viele Veränderungen und Investitionen von Köchen, Gastronomen und Hoteliers notwendig, die nicht immer leicht vermittelbar waren. Aber Schritt für Schritt gelang es. <BR /><BR /><b>Wie?</b><BR />Steger: Mir war als Koch und als Präsident des Köcheverbandes immer wichtig, den Beruf nach außen gut zu repräsentieren, entsprechend aufzutreten und vor allem in die Jugend zu investieren. Ich habe lange für eine Hotelfachschule in Bruneck gekämpft, gegen starke Gegnerschaft, aber letztlich mit Erfolg. Wenn unsere Gastronomieschulen heute noch voll sind, dann spricht das für sich. Wir bieten von der Lehrlingsausbildung über die Fachschule bis zur Hotelfachschule 3 wichtige Säulen, die es anderswo nicht gibt. Das ermöglicht Aufstiegschancen und Erfolg. Wichtig war auch die Prämierung der besten Lehrlinge, die es nun seit fast 30 Jahren gibt. Dafür konnte ich den damaligen Landeshauptmann Luis Durnwalder begeistern, der durch seine Anwesenheit Sichtbarkeit brachte. Dazu gehören auch die perfekten Auftritte, die unsere Jugend bei den Berufsweltmeisterschaften stets hinlegt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1082508_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wenn Sie jetzt auf den Kochberuf und sein Image blicken?</b><BR />Steger: Heute ist Koch ein begehrenswerter Kreativberuf, geprägt von Innovation und von ungemeinen Aufstiegschancen. Er ist einer der meistgewählten praktischen Berufe, der längst nicht mehr in der Schmuddelecke steht. Unser 3-Sterne-Koch Norbert Niederkofler ist natürlich die Überfigur, aber es gibt in unserem Land viele Sterne- und Haubenköche, Persönlichkeiten in Hotels und Restaurants, die hinaus zum Gast gehen, auf Messen präsent sind und dem Beruf eine hohe Sichtbarkeit geben. Koch ist ein sehr vielseitiger Beruf: Wir brauchen Köche im Restaurant, in der Hotellerie, aber auch im Kindergarten, im Pflegeheim, im Krankenhaus. Deshalb sind auch die höheren Qualifizierungen, zum Küchenmeister, zum Diätetisch geschulten Koch I und Diplomierten Diätkoch II, sehr wichtig. <BR /><BR /><b>Sie sind Innovationstrainer. Vor welcher Innovation darf sich die Gastronomie nicht verschließen?</b><BR />Steger: Sie darf keine Angst vor Digitalisierung, Robotik und Künstlicher Intelligenz haben und muss sie als Chance sehen in einer Zeit, in der es immer weniger Arbeitskräfte geben wird. Wobei der menschliche Kontakt natürlich das Wertvollste bleibt. Widerstand gegen Neues hat es immer gegeben, auch damals bei der digitalen Bonierung, die heute Normalität ist. Bis dahin gab es ständig Konflikte zwischen Küche und Service. Heute wird kein Papier mehr vom Restaurant in die Küche getragen, die Bestellung erscheint auf Bildschirmen in der Küche, wo jeder Koch sieht, was er wann zubereiten muss, damit alle zur gleichen Zeit ihr Essen auf dem Tisch haben. Ganz ohne Schreien und Streit in der Küche.<BR /><BR /><embed id="dtext86-66900420_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Kocht künftig der Roboter?</b><BR />Steger: Es gibt unterschiedlichste Bedürfnisse beim Essen – vom schnellen Mittagessen im Stehen bis hin zum schönen Abendessen mit allem Drum und Dran. Dafür müssen wir Lösungen finden. In manchen Bereichen gibt es Roboterköche schon. Aber es entscheidet immer der Mensch, wie gewürzt wird und was wie lange gebraten wird. Das Wissen des einzelnen wird also multipliziert. Solche Lösungen sind unumgänglich, wenn wir nur daran denken, dass im Krankenhaus oder in Unternehmen 24 Stunden gearbeitet und folglich rund um die Uhr nach Essen verlangt wird. <BR /><BR /><b>Was sagen Sie zu solchen Entwicklungen?</b><BR />Steger: Ich hatte – genetisch bedingt – mit 20 Jahren graue Haare. Ich bin dazu gestanden und habe sie nie gefärbt. Aber ich habe mir immer gedacht, wenn man schon früh grau ist, dann kann man sich keine Einstellung von vorgestern leisten, sonst ist man endgültig weg vom Fenster. Also sah ich mich immer schon gezwungen vorauszuschauen – und das in jeder Situation mit Optimismus. Ich bin überzeugt, dass Südtirol – von den Bewohnern her vergleichbar mit einer Straße von München – gut daran tut, über den Tellerrand zu blicken. Ich bin viel unterwegs. Zudem beobachte ich bevölkerungsreiche Staaten in Asien, die sehr innovativ unterwegs sind. KI, Robotik und Digitalisierung bleiben nicht stehen und können uns in der Gastronomie, der Hotellerie und der Gemeinschaftsverpflegung viel helfen. Es ist extrem wichtig, dass Südtirol nicht bei den letzten, sondern vorne dabei ist.