Sergiu Londric (38) lacht. Ja, glücklich sei er. Er, der seine Eltern nie kennengelernt hat, weil sie ihn nicht wollten, und ins Waisenheim von Botosani gebracht wurde. Dort habe es wenig Essen und viel Prügel gegeben, meist mit einem Stück Holz. Mit 13 habe er zu trinken angefangen. <BR /><BR />Südtirol oder besser Bozen habe er als kleiner Bub bei Ferienaufenthalten für Waisenkinder des Vereins Girotondo kennengelernt. 2010 haute er aus Rumänien ab und seitdem lebt er in Meran, zuerst bei der Caritas und seit einem Jahr in einem alten Wohnwagen, den er sich selbst gekauft hat. Das Leben konnte ihm das Lachen nicht nehmen.<BR /><BR />Sergiu Londric sitzt auf einem Stuhl in einem Bretterverschlag neben seinem Wohnwagen, den er von einem Rom aus Lana abgekauft hat. Ein älterer Südtiroler hilft ihm derzeit den Wohnwagen umzubauen. „Gegen die Hitze habe ich einen Ventilator und im Winter, wenn's kalt wird, kaufe ich mir einen kleinen Ofen. Heuer im Februar habe ich mir mit Decken beholfen“, sagt er. <h3> Projekt der Bezirksgemeinschaft</h3>Der Wohnwagen steht in der Viehmarkt-Straße neben den Schrebergärten. Neben seinem Wohnwagen steht noch ein weiterer, der einem anderen Mann Obdach bietet. „Ein Projekt von ,Housing first‘ der Bezirksgemeinschaft, das Wohnraum für obdachlose Menschen schafft“, sagt Robert Vorhauser, der für die Bezirksgemeinschaft Sergiu begleitet. „Im Netzwerk mit anderen Diensten“, sagt er. <BR /><BR />Beide Wohnwagen verfügen über einen Wasserhahn mit kleinem Brunnen, Strom und einem Dixi-Klo. Zum Duschen geht Sergiu ins Tageszentrum Plus. „Dort kann ich auch für 80 Cent essen – 3 Mahlzeiten“, betont er und strahlt. Kleidung? „Kleider bekomme ich von Roby von der Bar Piccolo und auch sonst werde ich begleitet: betreut von Robert Vorhauser, von 9 Sozialbetreuerinnen, vom Psychiater Giorgio Vallazza vom psychiatrischen Dienst im Krankenhaus und von Paolo Endrizzi – und Stadtrat Stefan Frötscher geht mit mir auf einen Kaffee“, zählt er Betreuer, Wegbegleiter und Helfer auf. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1064682_image" /></div> <BR /><BR />Hier in seinem Wohnwagen, dessen Dach zum Teil von einem Kiwi-Baum überwuchert wird, gehe es ihm gut. „Ich habe Platz. Hier habe ich meine Ruhe, niemand stört mich. Ich könnte auch nicht in einer Wohnung mit mehreren Menschen leben wegen meiner Panikattacken. Es sind die Waisenhaus-Albträume. Ich musste im Waisenheim viel Prügel einstecken. Decke über den Kopf und mit dem Stock geschlagen, so ging es im Heim zu. Meine Stiefschwester ist deshalb behindert. Sie haben uns das Essen gestohlen. Wir waren 300 Kinder, Essen war da, aber nie genug. Beschützt und geliebt habe ich mich nie gefühlt. Aber diese Gewalt gilt es zu vergessen und basta“, sagt er und sein Lachen im Gesicht verschwindet einen Augenblick. Wenn er Panikattacken habe, „verängstigt mich das komplett. Ich erkenne mich nicht wieder. Aber im Spital beschützen sie mich. Dr. Vallazza betreut mich seit 8 Jahren.“<BR /><BR />Er bietet Saft an. „Ich bin alkoholkrank und seit 2 Monaten trocken. So geht es mir gut, die Panikattacken werden weniger“, sagt er. Die Windeln, die er nachts gegen das Bettnässen brauchte, können in der Garage bleiben. Und er habe Medikamente gegen seine Alkoholsucht und seine psychischen Probleme. <h3> „Betreuer und Begleiter sind meine Freunde“</h3>Freunde? „Freunde habe ich wenige. Meine Betreuer und Begleiter zähle ich zu meinen Freunden und 2 weitere Freunde hab’ ich. Sie sind Familie für mich“, sagt Sergiu, der nie kennenlernen durfte, was Familie eigentlich wäre. Er ist Zivilinvalide und arbeitet bei der Sozialgenossenschaft Turandot. Seit 2015 arbeite er für Sozialgenossenschaften. „Ich führe Grundreinigungen durch in öffentlichen Einrichtungen. Das gefällt mir“, sagt er. Zur Arbeit geht er zu Fuß oder fährt mit dem Bus. „Führerschein hab’ ich keinen.“ <BR /><BR />Als er noch in Rumänien lebte, habe er als junger Mann zunächst auf den Feldern gearbeitet. „Bezahlt wurde ich nicht“, sagt er. Aus dem Waisenhaus war er geflohen. Später arbeitete er schwarz als Maurer. Mit 24 Jahren kam er schließlich nach Neapel zu einem Freund, 2 Monate später war er in Bozen unter der Obhut der Caritas. Danach ging's nach Meran. „Ich kam mit nichts. Und seit ich mit 13 Jahren mit dem Trinken angefangen habe, habe ich immer wieder versucht, es auf zugeben, war und bin Therapie mit Auf und Abs. Ich war 5-mal in einer Betreuungseinrichtung, 5-mal auf der Intensivstation. Des letzte Mal vor kurzem 2 Wochen lang wegen einer schweren Lungenentzündung“, sagt er ohne langes Drumherum-Reden.<BR /><BR /> Derzeit durchlebt Sergiu Londric eine gute Phase. „Nein, nein, keine Sorge, ich rühre keinen Alkohol an. Meine Strategie: Vertrauen in mich selbst zu haben. Das ist der Schlüssel. Und mein größter Wunsch: Dass ich vom Alkohol loskomme und ein normales Leben führen kann – vielleicht mit ein paar Freunden.“