Es ist ein strahlender Spätsommertag im Talschluss von Obernberg am Brenner. Ernst Mair wartet an der Tür des kleinen Hauses, das er vor über 40 Jahren nach seinen Wünschen hat planen und bauen lassen, ein sehr moderner Bau für die damalige Zeit. Den Obernberger Tribulaun hat man stets im Blick, daher auch der Künstlername „Tribulaun“.<BR /><BR />Geboren wurde der Maler vor 95 Jahren im Weiler Afens in der Gemeinde Pfitsch. Schon bald nach seiner Geburt zog die Familie nach Obernberg am Brenner, wo die Eltern einen kleinen Bergbauernhof kauften.<h3> „Meine Eltern waren bitter enttäuscht“</h3>Ernst Mair arbeitete in seiner Kindheit zwar fleißig auf dem Hof mit, aber „ich habe schon als Kind gesagt, dass ich nicht Bauer, sondern Maler werde“, erinnert er sich. Seine Eltern seien bitter enttäuscht gewesen, dass ihr Ältester den Hof nicht übernehmen wollte. Auch im Tal herrschte Unverständnis: „Manche Leute haben gesagt, und dass ich wohl zu faul zum Arbeiten sei“.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="942616_image" /></div> <BR />Doch Ernst hielt an seinem Traum fest und besuchte bereits mit 16 Jahren eine private Mal- und Zeichenschule in Innsbruck. Als er 19 war, schaffte er auf Anhieb die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und begann sein Studium. <BR /><BR />In den Ferien kehrte er stets nach Obernberg zurück, um auf dem elterlichen Hof mitzuhelfen. „Meinen Eltern war es nicht möglich, meine Ausbildung finanziell zu unterstützen“, sagt er. <h3> Studium mit Schmuggeleien finanziert</h3>Doch der junge Maler wusste sich zu helfen: „Ich habe an der Brennergrenze geschmuggelt, Kühe, Seide oder Zigaretten, aber auch Skibindungen“, erzählt er. So habe er Geld verdient, um sein Studium und sein Leben in Wien zu finanzieren, „auch wenn es etwas kriminell war“, gibt er zu. „Erwischt worden bin ich nie, verdächtigt schon. Ich hatte immer Glück“.<BR /><BR /><embed id="dtext86-61379244_gallery" /><BR /><BR />Schon während der Studienzeit in Wien entwickelte er seinen typischen Malstil mit intensiven Farben, dem er bis zum heutigen Tag treu geblieben ist. „Er ist einer der letzten deutschen Expressionisten“, sagt Peter Kaser, Künstlerkollege aus Gossensaß, über ihn. <h3> „Mein Kitsch hat sich gut verkauft“</h3>Zu seinen bevorzugten Motiven zählen Berge und Bergmassive sowie Porträts, die die größte Herausforderung seien: „Ein kleiner Fehler und der Mensch kann unkenntlich sein. Das ist auch der Grund, warum ich seit einigen Jahren keine Porträts mehr male“. Seine Schaffensfreude ist ihm trotz seines hohen Alters nicht verloren gegangen, bis heute steht er vor seiner Staffelei und malt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="942619_image" /></div> <BR />Nach dem Studium zog er nach Paris, wo er Kontakte zu einer Galerie am Montmartre knüpfte. „Dort wurden hauptsächlich Aquarelle als kleine Reiseandenken verkauft. Die Galeristin hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, Bilder in diesem Stil zu malen. Ich war einverstanden und kann sagen: Mein Kitsch hat sich gut verkauft“, erzählt er mit einem Schmunzeln. <h3> „Ich wollte ernstlich malen, Kunst schaffen“</h3>Als er Paris nach einiger Zeit verließ, „wollte ich ernstlich malen, Kunst schaffen, ich war nicht mehr aufs Geldverdienen aus“. <BR /><BR />Er lebte einige Jahre in Berlin, er heiratete und wurde Vater von 2 Söhnen. Nach der Trennung beschloss er, nach Obernberg zurückzukehren. „Ich mag die Berge mehr als die Ebene“. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="942622_image" /></div> <BR /><BR />Alles Geld, das er mit dem Verkauf seiner Bilder verdiente, steckte er in den Bau des Hauses, das Wohnhaus und Atelier zugleich war und ist. Viele Jahre lang verdiente er ein Zusatzeinkommen als Skilehrer.<h3> Schwerer Unfall im eigenen Haus</h3>Er hatte zunehmend Erfolg als Maler, stellte in verschiedenen Städten aus und viele Menschen ließen sich von ihm porträtieren. Ernst Tribulaun war auch oft im südlichen Wipptal zu Besuch, dort malte er Berglandschaften und porträtierte auch einige Wipptaler. Die Gemeinde Brenner hat ihn unlängst für seine künstlerischen Leistungen geehrt.<h3> Ein begeisterter Skifahrer, der sogar in Westberlin ein Rennen gewonnen hat</h3>Vor 9 Jahren stürzte er über eine Treppe in seinem Haus und blieb bewusstlos auf dem Boden liegen. Es dauerte einige Stunden, bis er gefunden wurde, unterkühlt und mit mehreren Brüchen. Seitdem leidet er unter Gleichgewichtsstörungen, er ist aber geistig noch sehr fit und hat sich von dem Unfall so gut erholt, dass er auch heute noch, mit 95 Jahren, allein wohnen kann. Er bekommt Essen auf Rädern und oft schaut seine Schwester Maria, die auch seine Nachbarin ist, vorbei.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="942625_image" /></div> <BR />Bis vor wenigen Monaten fuhr er noch selbst Auto, dann gab er den Führerschein freiwillig ab, „ohne einen Unfall oder ähnliches gehabt zu haben“, betont er. Seinem einst liebsten Hobby, dem Skifahren, kann er aufgrund des hohen Alters nicht mehr nachgehen, aber er blickt stolz darauf zurück, dass er „ein ziemlich guter Skiläufer“ war. <BR /><BR />Sogar im Berlin der Nachkriegszeit hat er ein Skirennen gewonnen: Westberlin hatte aus Trümmern der kriegszerstörten Stadt einen Berg, den 115 Meter hohen Teufelsberg, aufgeschüttet und ihn mit Skilift und Beschneiungsanlage ausgestattet. „Beim ersten Rennen, das dort ausgetragen wurde, habe ich gewonnen.“<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="942628_image" /></div> <BR /><BR />Anekdoten hätte der 95-Jährige, der immer auch ein Lebemensch war, noch einige zu erzählen. Jetzt im hohen Alter fehle ihm zwar die Gesundheit, sagt er selbst, doch „so wie es jetzt läuft, ist es gar nicht schlecht“.<BR />