<b>Warum ist Autofahren für Menschen mit Epilepsie ein Problem?</b><BR />Dr. Harald Ausserer: Die Gefährlichkeit des epileptischen Anfalles hängt von der spezifischen Situation ab, in der es zum Bewusstseinsverlust kommt. Auf dem Sofa oder im Bett ist ein Anfall in der Regel ungefährlich: Er dauert etwa eine Minute, danach wird das Gehirn wie ein Computer wieder hochgefahren und alles ist wie vorher. Gefährlich wird es, wenn man in einem solchen Moment durch einen See schwimmt oder Auto fährt, weil der Betroffene nicht mehr reagieren kann. So kann man dann die Herrschaft über das Fahrzeug verlieren.<BR /><BR /><b>Gibt es da Vorzeichen?</b><BR />Dr. Ausserer: Es gibt Menschen, die es vorher spüren, die eine Art Vorahnung haben – ganz kurz vor dem Anfall. Wir nennen diese Symptomatik Aura. Es kann sich dabei beispielsweise um ein fremdartiges Gefühl handeln, wie in einem Traum. Die Dauer ist meist nur wenige Sekunden und dann folgt der Anfall. Viele Patienten glauben, es zu spüren und rechtzeitig reagieren zu können – aber dem ist nicht so. Meist ist der Übergang vom ersten Gefühl bis zum Bewusstseinsverlust sehr, sehr kurz – unberechenbar kurz, sodass man sich darauf nie verlassen darf. Ob das Risiko erneuter Anfälle weiter besteht, zeigt einzig die Zeit: Wenn jemand ein Jahr lang keinen epileptischen Anfall hatte und die Bedingungen nicht geändert werden, so ist die Wahrscheinlichkeit, in den darauffolgenden Jahren einen Anfall zu erleiden, sehr gering. Auf dieser Statistik beruht die Richtlinie, dass man frühestens 12 Monate nach einem Anfall wieder Auto fahren darf. Wenn der Anfall durch einen vermeidbaren Auslöser hervorgerufen wurde, dann kann man in Einzelfällen auch früher wieder fahren. Auslöser können hohes Fieber sein, oder Schlafentzug mit übermäßigem Alkoholkonsum. Der psychische Stress gehört nicht dazu.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="863939_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie viele Menschen mit Epilepsie sind dank einer medikamentösen Therapie dauerhaft anfallsfrei?</b><BR />Dr. Ausserer: Etwa Dreiviertel der Patienten. Die Medikamente wirken sehr gut. Damit sind diese Patienten in der Gesellschaft auch nicht sichtbar. Denn sie haben keine Einschränkungen. Sie dürfen zwar keine Lkw und Busse lenken, sehr wohl aber die Fahrzeuge der Führerschein-Kategorien A und B. Auch sonst bestehen im Alltag praktisch keine Einschränkungen. Das ist sehr erfreulich.<BR /><BR /><b>Bekommen Menschen mit Epilepsie nur für 5 Jahre eine Führerscheinverlängerung?</b><BR />Dr. Ausserer: Ja. Die Verlängerung des Führerscheins erfolgt dabei durch die Ärztekommission in Bozen. Es braucht ein ärztliches Zeugnis vom behandelnden Neurologen, der den Patienten gut kennt. Es macht Sinn, dass eine Kommission darüber entscheidet, weil es sich um eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen handelt.<BR /><BR /><b>Muss ein Mensch mit Epilepsie, wenn er auf ein anderes Medikament umsteigt, für mehrere Monate auf das Auto verzichten?</b><BR /> Dr. Ausserer: Der behandelnde Neurologe entscheidet im Einzelfall darüber, wie lange in solchen Fällen die Beobachtungszeit ist. Manche Medikamente können im Falle einer Schwangerschaft Fehlbildungen verursachen – deshalb wird Frauen mit Kinderwunsch hier geraten, auf ein anderes Präparat umzusteigen. Mit dem Medikamentenwechsel verlassen Betroffene aber das sichere Territorium. Beim Wechsel ist anfangs noch nicht gesichert, wie das neue Medikament vertragen wird und welche die richtige Dosis ist. In der Umstellungsphase wird daher das Lenken eines Pkw meist für mehrere Monate nicht erlaubt – der Führerschein wird aber nicht entzogen.<BR /><BR /><BR /><BR />