<b>STOL: Herr Pallua, wie geht es den Jugendlichen nach der Coronapandemie?</b><BR />Florian Pallua: Das ist nicht einfach zu sagen: Es gibt Jugendliche, die die Pandemie gut für sich genutzt haben und gestärkt aus der Zeit hervorgegangen sind und andere, die schon davor Schwierigkeiten hatten und jetzt noch mehr Probleme haben. Auffällig ist, dass einige Thematiken wie Zukunftsängste, Panikattacken und Fragen nach dem Sinn des Lebens wieder mehr in den Fokus gerückt sind. Es ist aber schwierig zu sagen, ob die Pandemie daran schuld ist.<BR /><BR /><b>STOL: Wie haben die Jugendlichen, die gestärkt aus der Pandemie gegangen sind, diese Zeit genutzt?</b><BR />Pallua: Interessanterweise ist es darum gegangen zu erkennen, wie wichtig die eigene psychische Gesundheit ist. Die Jugendlichen hatten plötzlich viel Zeit und waren den Routinen des Alltags entflohen und konnten sich mit sich selbst beschäftigen. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass sie das Wichtigste sind, um das sie sich kümmern können. Denn nur wenn man in einer guten Energie ist, kann man eine Ressource für andere sein. Sie erkannten, wie wichtig es ist, einen Spaziergang in der Natur zu machen oder sich mit Freunden zu treffen oder was zu tun, wo man nicht Leistung bringen muss. Diese Tendenzen versuchen wir weiterhin zu stärken, weil sie Resilienz ausbilden und das der wichtigste Faktor ist, um Krisen zu bewältigen.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-58532440_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Was für Krisen haben Jugendliche? Sehen Sie dabei eine Veränderung?</b><BR />Pallua: Das Smartphone und Social Media sind ein Thema. Wenn wir daran denken, dass es das Phänomen erst seit 10 Jahren in unserer Gesellschaft gibt und das Smartphone jetzt nicht mehr wegzudenken ist, ist das die größte Herausforderung für die junge Generation. Social Media kann bei jungen Menschen ein Ansporn sein, weil man sich vergleicht, man mit Freunden in Kontakt bleibt oder sich Ideen aus dem Netz holt. Andererseits stellen wir fest, dass die ständige Vergleichbarkeit auf Dauer Druck erzeugt und nicht glücklich macht, weil man immer jemanden sieht, der besser ist, schöner aussieht, beliebter und erfolgreicher ist. Das erzeugt bei vielen Jugendlichen eine leicht depressive Stimmung. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="871385_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Das größte Suchtpotenzial geht heutzutage also vom Smartphone aus?</b><BR />Pallua: Man kann hier nicht von Sucht sprechen, weil man dafür eine Problematik entwickeln müsste. Jugendliche sind sehr viel am Handy, was aber nicht heißen muss, dass sie süchtig sind. Wenn wir an unsere Südtiroler Leitkultur denken, dann muss man sagen, dass wir sehr viel Alkohol trinken, was aber nicht heißt, dass alle, die Alkohol konsumieren, süchtig sind. So ist es auch mit den sozialen Medien. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-58532449_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Wird nach der Pandemie bei den Jugendlichen auch wieder mehr Alkohol konsumiert?</b><BR />Pallua: Das kann man nicht sagen, weil uns noch die Zahlen dazu fehlen. Während der Pandemie wurde den Jugendlichen immer wieder gesagt, auch von den Medien, dass sie im Lockdown ihre Jugend verpassen. Für die Partycommunity unter ihnen heißt das, ausgehen, feiern und viel konsumieren. Sie versuchen das nach der Pandemie zu kompensieren und feiern besonders ausgelassen. Der Alkohol hat nach der Pandemie wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Beim Tabakkonsum ist es ähnlich: Rauchen war vor der Pandemie quasi out, jetzt sieht man vermehrt Leute, die rauchen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="871388_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Auf Social Media sind die Menschen nach der Pandemie zunehmend aggressiv unterwegs. Haben Sie das auch bei jungen Menschen festgestellt?</b><BR />Pallua: Nein, mir kommt das nicht vor. Die jungen Generationen haben viel besser gelernt, mit den sozialen Medien umzugehen. Sie beschäftigen sich mit dem Thema Fake News und wissen, wie leicht man heutzutage Inhalte manipulieren kann. Die Erwachsenen haben da noch Aufholbedarf. Junge Leute haben in den sozialen Medien deswegen das bessere Feingefühl.<BR /><BR /><b>STOL: Welche Projekte organisieren Sie für Jugendliche?</b><BR />Pallua: Ein wichtiges Projekt von uns ist „Wir supporten deine Idee – cash me if you can“, wo Jugendliche die Möglichkeit bekommen haben, eine Idee vorzustellen und wir geholfen haben, sie umzusetzen. Das Ziel ist es, die Jugendlichen zu ermutigen, ihre Ideen umzusetzen. Außerdem haben wir die App „Nizer“ entwickelt, die Jugendliche verbinden soll. Wir haben gemerkt, dass der Freundeskreis von jungen Menschen immer kleiner wurde. Durch die App können sie in Kontakt treten und sich treffen, zum Beispiel zum Volleyball-Spielen oder zum gemeinsamen Wandern. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-58533334_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Sie arbeiten schon seit geraumer Zeit mit jungen Menschen zusammen. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?</b><BR />Pallua: Ich sehe bei meiner Arbeit mit jungen Menschen, dass sie eine riesengroße Lust haben, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das erweckt in mir große Freude und macht Hoffnung. Schade ist aber, dass Jugendliche viel zu wenig ernst genommen werden und Veränderungen nur langsam kommen. Die Jungen merken das und sind frustriert. Trotzdem spornt mich diese Kraft, die von Jugendlichen ausgeht, an. <BR /><BR /><b>STOL: Glauben Sie, die Jugendlichen werden die Welt in Zukunft positiv verändern?</b><BR />Pallua: Die hoffnungsvolle Antwort ist, Ja. Die realistische ist, dass ich glaube, dass wir an einem Punkt sind, wo wir entscheiden müssen, was wir mit dem großen Potenzial der Jugendlichen machen wollen. Wir sollten Möglichkeiten für Jugendliche schaffen und nicht alle Ideen mit der Bürokratie ersticken. Ich blicke aber positiv in die Zukunft, weil das die einzige Option ist – alles andere bringt und ändert nichts.<BR /><BR />