Schlussendlich sei alles eine Frage des Gleichgewichts, des inneren und äußeren wohlgemerkt, geistig und körperlich, sagt Paola Dal Farra.<BR /><BR /> Um zu erläutern, was damit gemeint ist, drückt die schlanke, sportliche Frau mit schulterlangen, hellroten Haaren beide Fersen nach oben, wippt auf den Zehen, so macht sie es einige Male, um sich dann breitbeinig aufzupflanzen. Anschließend strafft Dal Farra ihre Schultern, reckt die Arme gerade über ihren Kopf empor und greift dort mit den Händen in die Luft, in etwa so, wolle sie Äpfel pflücken. <BR /><BR />Wir Menschen, sagt Dal Farra mit einem charmanten Lächeln, hätten eben an beiden Welten teil, der irdischen und der kosmischen, wir seien Doppelwesen. „Wir müssen uns erden und himmeln.“ Das Ziel, sagt Dal Farra, sei Harmonie – ein Leben im Einklang mit sich selbst und mit der Umwelt: Mit beiden Füßen auf dem Boden, der Blick auf den gestirnten Himmel gerichtet. <h3> Vom Büro an die frische Luft</h3>Paola Dal Farra ist Yogalehrerin – so ähnlich wie von ihr hat man es auch schon von anderen gehört. Seit mehr als 30 Jahren betreibt die lässig-elegant gekleidete Frau Yoga. „Dabei hatte ich früher den berühmten ,posto fisso', eine unkündbare Bürostelle“, sagt Dal Farra. Eigentlich sei im Büro alles gut gewesen, die Arbeit habe ihr gefallen, die Kollegen waren nett, und, natürlich, das sichere Gehalt am Monatsende war auch nicht zu verachten. „Als ich eine neue Stelle antrat, vor der mich Bekannte warnten, weil dort das Klima mies sei, lief es trotzdem gut. Ich bin eine, die grundsätzlich mit allen kann“, sagt Dal Farra, dazu lächelt sie wieder so freundlich und aufmunternd, dass man nie auf die Idee käme, an ihren Worten zu zweifeln. <BR /><BR />Doch da war noch diese andere Seite in ihr, ein Bewegungsdrang, ihre sportliche Ader, das Bedürfnis, in der frischen Luft zu sein. „Ich war Skirennläuferin.“ Irgendwann, sagt Dal Farra, da sei sie schon verheiratet gewesen und hatte drei Kinder, irgendwann nistete sich in ihrem Kopf die Frage ein, ob sie das immer so wolle: In einem Büro mit Kunstlicht hocken, während draußen die Sonne scheint. „Mein Mann ermutigte mich, diesen neuen Weg zu beschreiten.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="870173_image" /></div> <BR /><BR />So erwarb an der Efoa Universität in Rom ihr Diplom, wurde Yogalehrerin mit eigenem Studio in Meran, spezialisierte sich auf Schwangerschaftsyoga und Yoga-Lifting. Weil Paola Dal Farra außerdem Nordik Walking-Lehrerin ist, kam ihr die Idee, beides zu verbinden, Yoga und Walking. <BR /><BR />Um Yoga-Walking geht es auch bei einer Veranstaltungsreihe in Meran namens Early Bird. Zwischen März und November treffen sich die Teilnehmer jeden Samstag um halb 8 Uhr früh bei der Sissi-Statue im Elisabeth-Park, um gemeinsam einen Spaziergang mit einfachen Yoga-Übungen zu machen. Meist unter der Leitung von Paola Dal Farra. An diesem Samstag sind etwa 15 Leute dabei, abgesehen von zwei Männern alles Frauen, Altersdurchschnitt: Gut über 50. Während auf den türkisfarbenen Wellen der Passer die Sonne glitzert, gegenüber am anderen Ufer ein Flohmarkt aufgebaut wird und vor den Cafe´s die ersten Gäste in der Zeitung blättern, stellt sich die Gruppe im Kreis vor der Sissi-Statue auf. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58468027_quote" /><BR /><BR />Dal Farra macht die erste Übung vor, indem sie ihre Hände vor der Brust schnell aneinanderreibt. „Spürt ihr die Energie?“, fragt die Yoga-Lehrerin. „Energie“ bildet das Zauberwort: Die Energie des Wassers, des Bodens, etwa wenn es über runde Flusssteine die Winter-Promenade entlang Richtung Pulverturm hinauf geht, die Energie von Kraftplätzen zu fühlen, dazu leitet Dal Farra uns Teilnehmer an. Egal, ob kalt oder warm, es kämen immer welche, erzählt die Yoga-Lehrerin. „Wenn es kühl ist, marschieren wir flott, bei Regen mit einem Schirm.“ Sich selbst und den anderen etwas Gutes zu tun, nebenbei noch Geld zu verdienen, das sei das Schöne an ihrer Arbeit, erklärt Dal Farra zwischendurch. „Ich wüsste nicht, was ich mir sonst noch wünschen könnte!“ <BR /><BR />Warum Yoga wichtig ist, erläutert die Lehrerin mit einem Bild. „Der Körper ist unser Haus. Seltsamerweise richten sich die wenigsten darin gemütlich ein.“ Stattdessen, sagt Dal Farra, und macht gleich vor, was sie meint, indem sie mit übertrieben hängenden Schultern und eingesunkenem Oberkörper ein paar Meter mehr schlurft als geht: „Stattdessen sind alle verkrampft, leiden unter Verspannungen im Nacken und im Rücken, auf Dauer ist das nicht gesund!“ Natürlich, Schuld sei der Stress, der Druck, dem wir alle ausgesetzt sind. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="870176_image" /></div> <BR /><BR />„Die wenigsten atmen richtig. Dabei ist atmen das Erste und das Letzte, was wir im Leben machen!“ Richtig zu atmen bedeute Sauerstoff, im Fluss sein, Energie! Wenn man die Yoga-Lehrerin beobachtet, wie sie sich schlangenhaft, katzengleich und fischartig um sich selbst windet, erscheint alles leicht und mühelos. Wir untrainierte Schützlinge erinnern hingegen eher an eingerostete Oldtimer. Einige haben auch ein paar Kilos zu viel auf den Hüften, das macht die Sache nicht leichter – wann habe ich eigentlich das letzte Mal Bodenturnen gemacht? <BR /><BR />Dal Farra beweist allerdings, dass sie nicht nur körperlich fit ist – sondern auch geistig. Mit 30 Jahren Yoga-Praxis geht das vielleicht, in Sekundenschnelle von 0 auf 180 zu beschleunigen, um dann wieder sanft wie ein Schmetterling dahinzuschweben. Wir befinden uns auf dem Rückweg, über Serpentinen geht es den Tappeiner Weg herunter zur Landesfürstlichen Burg, wo vor Bauernmarktständen Kunden Schlange stehen. Auf sich zu schauen, Achtsamkeit, Selbstoptimierung, alles gut und recht!, sagt Dal Farra. „Man darf es jedoch nicht übertreiben. Älter zu werden ist kein Unglück!“ Versteife man sich hingegen darauf und sehe das Alter als Problem, „landet man - von wegen Selbstliebe, Selbstakzeptanz - früher oder später beim Chirurgen!“ <h3> Wärme ist Energie</h3>Von Energie ist während des Yoga-Walks viel die Rede. Am Start erfuhren wir, dass Wärme eine Form von Energie bildet, etwa beim Händereiben. Als es losging, wirkten wir zurückhaltend, manche schüchtern. Beim Abschied vor den Marktständen zeigt sich, dass Yoga-Walking auch eine Art zwischenmenschliche Wärme-Energie-Übertragung bedeutet.<BR /><BR /> Von Zurückhaltung lässt sich nun nicht mehr viel bemerken. Es wird eifrig durcheinandergeschnattert, der Wärmepegel ist hoch. „So ist es immer“, sagt Paola Dal Farra, als Hände gehoben werden, als gewunken wird und es „Ciao Ciao, bis zum nächsten Mal!“ heißt. „In meinem früheren Leben“, grinst die Yoga-Lehrerin, „da waren die Abschiede nach dem Arbeitstag nicht so herzlich.“ <BR />