<i>Interview: Michael Eschgfäller</i><BR /><BR /><b>Werden Corona-Patienten in den Intensivstationen anders behandelt als andere Intensivpatienten?</b><BR />Dr. Andreas Clara: Eine intensivmedizinische Behandlung wird bei jeder Form von lebensbedrohlichem Organversagen notwendig, um den unmittelbaren Tod oder irreversible Schädigungen abzuwenden. Hierfür müssen im Grunde 3 Voraussetzungen gegeben sein: Es besteht eine reelle Chance auf Heilung, der Patient verfügt über die notwendigen Reserven, eine mitunter wochenlange intensivmedizinische Behandlung zu überstehen, und der Patient ist mit all den notwendigen Maßnahmen und den damit verbundenen Risiken einverstanden. <BR /><BR /><b><BR />Werden Covid-Intensivpatienten spezifisch behandelt?</b><BR />Dr. Clara: Bei einer Covid-19-Infektion führt in der Regel das Lungenversagen durch die ausgedehnte Lungenentzündung zur Aufnahme auf die Intensivstation. Es folgen Einleitung des künstlichen Tiefschlafs, Intubation und künstliche Beatmung, ganz ähnlich wie bei einer Vollnarkose. Alle Körperfunktionen müssen von nun an überwacht, von außen gesteuert werden: Atmung, Herzschlag, Blutdruck, Nieren-, Leberfunktion, Wasser- und Salzhaushalt, Blutzucker, Ernährung und einiges mehr. Entsprechend aufwendig und ressourcen-hungrig ist eine intensivmedizinische Betreuung. Aber auch für den Patienten selbst stellt eine tage- bis wochenlange künstliche Beatmung eine enorme Belastung dar. <BR /><b><BR /><BR />Macht man jetzt bei der Behandlung von Corona-Intensivpatienten etwas anders als noch im Frühjahr?</b><BR />Dr. Clara: Eine Covid-19-spezifische Behandlung gibt es leider nicht, der Körper muss das Virus nach wie vor selbst besiegen. Und die Intensivmedizin unterstützt ihn dabei, indem im Grunde Zeit gewonnen und versucht wird, alle möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen der tage- bis wochenlangen künstlichen Beatmung abzuwenden oder so gering wie möglich zu halten.<BR /><BR /><b><BR />Und bei der Beatmung?</b><BR />Dr. Clara: Bei Covid-19-Intensivpatienten liegt der Schwerpunkt der Behandlung natürlich in der Beatmung. Hierbei richten wir uns nach den jahrzehntelangen Erfahrungen der Beatmung beim sogenannten ARDS (acute respiratory distress syndrome), also der Maximalform des Lungenversagens jedweder Ursache. Hauptaugenmerk ist, die künstliche Beatmung so wenig schädlich wie möglich durchzuführen und durch die korrekte Beatmung und Lagerung funktionell „verlorenes“ Lungengewebe wieder zurückzugewinnen. <BR /><BR /><b><BR />Wie lange müssen Covid-Patienten im Schnitt intensivmedizinisch betreut werden?</b><BR />Dr. Clara: Im Schnitt sind 14 Tage intensivmedizinische Behandlung notwendig. Die Patienten sind anschließend dermaßen ausgezehrt, dass sich nach der Entlassung aus der Intensivstation eine wochenlange Nachbetreuung bzw. Rehabilitation anschließt. Hierbei müssen die Patienten zum Teil die einfachsten Dinge wie sprechen, schlucken, sitzen und gehen wieder neu erlernen und aufarbeiten. Entsprechend wichtig ist eine ganzheitliche Rehabilitation nach jedem Intensivaufenthalt.<BR /><BR /><b><BR />Gibt es neue Medikamente für die Behandlung von Covid-Patienten?</b><BR />Dr. Clara: Der Hauptunterschied der Covid-19-Lungenentzündung zu anderen Formen der Lungenentzündung ist der, dass es im Grunde keine kausale Therapie gibt, sondern nur eine unterstützende: Es gibt kein Antibiotikum wie bei einer normalen Lungenentzündung, es gibt keine Operation wie bei einem Unfall, es gibt keine Chemo- oder Bestrahlungstherapie wie bei einem Tumor. Entsprechend ernüchternd sind auch die Ergebnisse der experimentellen Behandlungsmethoden mit Medikamenten wie Plaquenil, Remdesivir, Rekonvaleszens-Plasma usw. Keines dieser Mittel konnte bisher den wissenschaftlichen Beweis für einen Behandlungsvorteil im Vergleich zu Placebo, also Wasser, erbringen.<BR />