Im Gespräch mit s+ erklärt Eikemann, wann Paare eine Begleitung durch Fachleute brauchen, wie groß der zeitliche und finanzielle Aufwand ist und welches Problem schwieriger zu lösen ist als ein Seitensprung. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="815201_image" /></div> <BR /><b>Jede Ehe und Partnerschaft erlebt ihre Krisen. Wann ist es Zeit für eine Paartherapie?</b><BR /> Stefan Eikemann: Ja, Partnerschaften erleben notwendigerweise Krisen, weil sich die Herausforderungen im Leben ändern. Keiner von uns kann ehrlicherweise sagen, wie er auf neue Situationen reagieren wird, noch weniger können wir es vom Partner wissen. Gleichzeitig verbinden wir mit neuen Situationen aber trotzdem Erwartungen an den anderen. Dies führt zu Missverständnissen, Unsicherheit und Krisen. Die meisten Partnerschaften werden durch jede Krisen stärker. Jede Krise, die man gemeinsam überwunden hat, stärkt das Vertrauen. Paartherapie oder Paarberatung sollte man in Anspruch nehmen, wenn man längere Wochen oder gar Monate um den gleichen Punkt kreist und darin fest hängt. Da macht es keinen Unterschied, ob man die Krise beschweigt, vernünftig bespricht oder im Gespräch emotional wird. Man kann sich mit allen drei Konfliktstilen verhaken und auf der Stelle treten.<BR /><BR /><b>Was ist, wenn aber nur ein Partner zu einer Paartherapie bereit ist?</b><BR /> Eikemann: Natürlich hat Paartherapie nur einen Sinn, wenn beide dazu bereit sind. Am Ende braucht man die Zustimmung von beiden. Es gibt aber legitime Befürchtungen und Ängste, die damit verbunden sein können. Um die wichtigsten zu nennen: der Andere verbündet sich mit dem Therapeuten; wie soll jemand unser Problem lösen, wenn wir es nicht lösen können; es ist mir unangenehm evtl. sogar peinlich vor einer fremden Person über unsere Situation zu sprechen; Hilfe in Anspruch nehmen wird auch oftmals als Entehrung, bzw. als Entwertung erlebt. Dies sind legitime Befürchtungen, die die Paartherapeutinnen und -therapeuten kennen. Sie sind geschult dafür zu sorgen, dass dies nicht oder nur wenig eintritt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56197997_quote" /><BR /><BR /><b>Und wenn es beim Nein bleibt?</b><BR />Eikemann: Wenn der Partner nicht definitiv bereit ist, dann kann man Zwischenlösungen anbieten. Man kann ihm sagen, dass man ja mal 1 oder 2 Treffen machen kann und dann auch wieder aufhören, wenn es einem nicht passt. Man kann eine Therapeutin, einen Therapeuten wählen, bei der oder dem die Befürchtungen geringer sind, dass er/sie sich mit dem Anderen verbündet. Therapeutinnen und Therapeuten wissen um die Schwierigkeit und erwarten nicht, dass beide schon am Anfang zu 100 Prozent entschieden sind, die Begleitung zu wollen. Bevor man allerdings die Beziehung wirklich verlässt, empfehle ich bei sehr weit fortgeschrittenen Konflikten, es noch einmal mit einem Ultimatum zu versuchen, um den Partner zu überzeugen, sich gemeinsam begleiten zu lassen.<BR /><BR /><b>Wie läuft so eine Paartherapie konkret ab?</b><BR />Eikemann: Vor allem wird Therapeutin oder der Berater keine Position beziehen und dem einen oder anderen Recht geben. Oder anders: Der Therapeut oder die Therapeutin werden versuchen, jeden einzelnen in seinem Anliegen zu verstehen und er bzw. sie wird das persönliche Anliegen niemals abwerten, sondern immer wichtig finden. Wer also einen Alliierten im Ringen um die bessere Position sucht, wird enttäuscht sein; wer aber Verständnis sucht für die eigene Position kann viel bekommen. Manchmal ist es schwierig für uns Menschen, hinter einem Gefühl – einer Kränkung, einem diffusen Unbehagen, Überreaktionen auf Alltagssituationen – das eigene Anliegen in geeignete Worte fassen zu können. Therapeuten und Beraterinnen helfen angemessene Worte zu finden, um das, was uns innen bewegt, gut auszudrücken. Vor allem gestaltet die Therapeutin eine Atmosphäre, in der es möglich ist, ohne die üblichen Dynamiken miteinander zu reden. <BR /><BR /><b>Das heißt...</b><BR />Eikemann: Die Situation wird so gestaltet, dass sich beide Partner im Beisein des Therapeuten sicher fühlen: sicher, dass die Therapeutin sich für mich und was mich bewegt interessiert, und sicher, dass sich die Gefühle in der Situation sich nicht wieder überschlagen, sondern sie in einem aushaltbaren Rahmen bleiben. Des weiteren übersetzt die Therapeutin oder der Paarberater gelegentlich Aussagen eines Partners, damit die Ganzheit der Aussage verstanden werden kann, und nicht nur der Teil, auf den in der eingefahrenen Dynamik des Paares bisher fokussiert worden war. Als Beispiel: Oft sind Vorwürfe versteckte Bitten um Nähe. Gleichzeitig wird begonnen, sich den schwierigen Themen in der Paarbeziehung anzunähern. Diese können sehr unterschiedlicher Natur sein: Alltag, Kommunikation, Ursprungsfamilien, Erziehung. Sie werden je nach Schwierigkeitsgrad nach und nach oder eher in einem „spiralförmigen“ Prozess bearbeitet. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="815204_image" /></div> <BR /><b>Das klingt nach sehr viel Arbeit und daher auch viel Zeit. Wie groß ist der Aufwand?</b><BR />Eikemann: Das hängt von Paar zu Paar ab. Die Frage ist, wie sehr das Vertrauen zerrüttet ist. Oft braucht es Zeit, dieses wieder aufzubauen und langsam reflexartigen Reaktionen auf Gesagtes nachlassen. Es hängt auch davon ab, ob und wie lange jeder für sich braucht, Teile der eigenen Sicht loszulassen und akzeptieren zu können, dass sowohl meine als auch die Sicht des anderen legitim und OK ist. Jeder muss vom Ziel ablassen, den anderen in der Paartherapie verändern zu wollen. Es geht eher in die Richtung: Wir sind wie wir sind, was machen wir daraus, damit sich beide wohl fühlen? Bei kleineren Fragen reichen vielleicht wenige Monate, bei Konflikten, die sich über Jahre gebildet haben, kann es auch 2 bis 3 Jahre dauern, mit 20 bis 25 Treffen im Jahr. Bei sehr aktuellen Fragen, die nicht in bereits gebildeten Dynamiken festhängen, genügt manchmal ein Gespräch.<BR /><BR /><b>Wie sieht es mit den Kosten aus?</b><BR />Eikemann: Grundsätzlich gibt es zu wenig Paarberater und Paartherapeutinnen in Südtirol. Zum Glück startet das systemische Institut demnächst eine Ausbildung, ich hoffe da gibt es genügend Interessierte. Private Kollegen verlangen pro Beratungsstunde etwas mehr als für Einzeltherapie, Paartherapien sind auch für die Kolleginnen emotional anspruchsvoller. Es sind so um die 100 Euro. Aber wenn man bedenkt, dass eine Trennung Kosten hat, die man realistisch je nach persönlichen Verhältnissen und wenn Kinder da sind im unteren bis mittleren 6-stelligen Bereich veranschlagen kann, dann kann man sich dafür viel Hilfe holen. Konventionierte und öffentliche Dienste sind günstiger, aber auch sie benötigen Beiträge, in Ticket oder anderer Form. Die Angebote dort sind noch begrenzter und es gibt entsprechende Wartezeiten.<h3> „Seitensprung ist leichter zu überwinden als Rechthaberei“</h3><b>Aus Ihrer Erfahrung: Wie groß sind die Chancen, dass sich noch etwas kitten lässt?</b><BR />Eikemann: Wenn beide ernsthaft die Beziehung weiter wollen, dann ist die Chance sehr groß. Ich würde sagen mindestens 80%, eher 90%.<BR /><BR /><b>Wer sind diese restlichen 10 oder 20 Prozent, bei denen auch eine Paartherapie nichts bringt?</b><BR />Eikemann: Die zwei wesentlichen Hindernisse sind: Zum einen, dass einer von beiden im Grunde schon abgeschlossen hat, dies aber vielleicht dem andern oder sogar sich selbst gegenüber noch nicht zugeben kann. Das zweite Hindernis ist, wenn es zumindest einem der Partner nicht gelingt, Stück für Stück aus der Position des Rechthabens raus zu gehen. Diese Position ist verständlich, weil sie in einem Moment des Sich-Angegriffen-Fühlens und des Scheiterns den eigenen Selbstwert aufrecht erhält. Leider entwertet sie aber wiederum den Anderen und führt deshalb nicht zum Aufbau von Vertrauen, sondern führt die Beziehungen auseinander. In heißen Konfliktphasen ist dieses Verhalten verständlich und jede oder jeder von uns fällt da oft genug hinein. Wenn eine von beiden oder gar beide davon aber gar nicht lassen können, bleibt der Kreislauf der gegenseitigen Entwertung bestehen. Ein Seitensprung ist im Übrigen leichter zu überwinden, als nicht endende Rechthaberei. <BR /><BR />