„In dem Moment war ich total am Boden“: So erinnert sich der Intensiv-Krankenpfleger Armin Wurzer an einen besonders tragischen Turnusdienst auf seiner Station. Aber es gibt auch Lichtblicke – der Applaus von Balkonen gehört für ihn nur bedingt dazu.<BR /><BR /><BR /><BR /><i>Interview: Michael Eschgfäller</i><BR /><BR /><BR /><b>Herr Wurzer, haben Sie so etwas wie im letzten Jahr schon einmal annähernd erlebt?</b><BR />Armin Wurzer: Ich habe schon einiges gesehen, seitdem ich 1994 meine Ausbildung abgeschlossen habe und war als Intensiv-Krankenpfleger auch an verschiedenen Krankenhäusern im In- und Ausland tätig. Auch an einem Einsatz mit dem Roten Kreuz im Kriegsgebiet im Irak hatte ich teilgenommen. Aber Vergleichbares wie das letzte Jahr habe ich nicht einmal dort annähernd erlebt. <BR /><BR /><b>Wie haben Sie den Anfang der Pandemie in Erinnerung?</b><BR />Wurzer: Ich bin vor eineinhalb Jahren wieder nach Bozen zurückgekommen, in die Anästhesie. Plötzlich hat es geheißen, es braucht die OP-Säle für Covid-Intensivplätze. Und dann haben wir begonnen, diese Patienten zu behandeln. Zum Glück hatten ein paar von uns bereits Erfahrung in der Intensiv-Pflege. <BR /><BR /><b>Wurden Corona-Patienten gleich behandelt wie „normale“ Intensiv-Patienten?</b><BR />Wurzer: In den ersten Monaten war es reine Überbrückung. Wir alle haben versucht, unser Bestmögliches zu gegeben. Vieles wusste man ja noch nicht über Virus, Erkrankung und Behandlungsmethoden. Wir alle mussten erst lernen. Diese Zeit war ein reines Arbeiten und Hoffen. Wenn ich denke, wie viele Menschen uns unter den Händen weggestorben sind, weil die Therapie nicht angesprochen hat oder die Mittel fehlten ... An einem Tag in einer der ersten Wochen der Pandemie sind in nur einem Turnus 5 Patienten gestorben.<BR /><BR /><embed id="dtext86-48185250_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was hat diese Erfahrung mit Ihnen gemacht?</b><BR />Wurzer: In dem Moment, in dem es passiert ist, war ich total am Boden. An dem Tag war für mich klar, dass da ein großes Problem auf uns zukommt. <BR /><BR /><b>Der absolute Tiefpunkt für Sie?</b><BR />Wurzer: Nein, den habe ich dann erreicht, als wir einen 20-Jährigen über mehrere Wochen bei uns auf der Intensivstation zu betreuen hatten. Bis dahin waren es vor allem ältere Patienten, die zu uns kamen. Zugleich war es aber auch die schönste Erfahrung – als ich diesen jungen Mann einige Zeit nach der Entlassung aus der Intensivstation bei einem TV-Interview gesehen habe. <BR /><BR /><b>Wie ist es Ihnen persönlich im letzten Jahr ergangen?</b><BR />Wurzer: Es war eine sehr schwierige Zeit. Oft bin ich heimgegangen, war einfach mies drauf. Die Bilder haben mich logischerweise verfolgt. Auch nach Hause, im Hinterkopf immer den Gedanken, die eigene Familie vor einer Infektion zu schützen. Geholfen hat in dieser Zeit der tägliche Austausch im Team mit Ärzten und Kollegen, so wie er auch heute noch stattfindet. Aber auch die Familie gibt einem große Kraft. <BR /><BR /><BR /><b>Wie wirkt sich Corona auf Sterben und Tod aus?</b><BR />Wurzer: Die Zahl der Patienten, die bei uns auf der Intensivstation sterben, ist hoch. Covid erschwert vor allem den Abschied um ein Vielfaches. Aber wir setzen alles daran, dass die Angehörigen ihre Lieben noch begleiten können. Das Traurige in der ersten Welle war, dass viele unserer Patienten allein sterben mussten, da ein Besuch eines Angehörigen zu deren eigenem Schutz nicht möglich war. Da haben eben wir versucht, diese Patienten bestmöglich bis zum Schluss zu begleiten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-48185253_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Vielfach gab es den Vorwurf, die Sanitäts-Verantwortlichen hätten den Sommer völlig verschlafen ...</b><BR />Wurzer: Nein. Inzwischen hat sich auf der Covid-Intensivstation in Bozen sehr viel verändert. Wir arbeiten nicht mehr in OP-Sälen, sondern in einer richtigen Intensivabteilung mit der neuesten Technik und Maschinen, die es bis vor kurzem im Krankenhaus Bozen noch nicht gab, z.B. das ECMO-Gerät, das bei Patienten für einen gewissen Zeitraum die Atmung ersetzt. Und auch sonst hat sich viel getan – von den Arbeitstechniken, den anderen Apparaturen und Beatmungsgeräten angefangen bis hin zum Team. Ich bin sto<Frage></Frage>lz, in diesem Team von Pflegern und Ärzten zu arbeiten, das sehr gut funktioniert und so unterschiedlich ist. Wir haben ein kleines Stammteam mit Personal aus Bozen. Der Großteil aber kommt von auswärts, aus anderen Abteilungen des Hauses, Krankenhäusern des Landes und einige Ärzte aus Österreich und Deutschland.<BR /><BR /><b>Reicht Ihnen ein Applaus als Anerkennung für die Leistung in den Krankenhäusern?</b><BR />Wurzer: Das Klatschen auf Straßen und Balkonen damals war eine schöne Aktion. Aber es ist ja auch unser Job, Menschen zu helfen. Mehr als Applaus würde ich mir Respekt vor meiner Arbeit wünschen. Respekt, damit die Menschen verstehen, warum sie Maske tragen, Abstand halten, sich die Hände desinfizieren, soziale Kontakte vermeiden sollen. <BR /><BR /><b>Dabei gibt es auch nach einem Jahr noch immer Corona-Leugner und Masken-Muffel...</b><BR />Wurzer: Diese Menschen sehen nicht, was wir täglich sehen. Wenn jemand infiziert ist, ist es schon zu spät. Wenn jemand bei uns auf der Station landet, erst recht. Ich würde jeden von diesen Menschen einladen, einmal bei uns vorbeizuschauen. Ich bin überzeugt, danach würden sie anders denken.<BR />