Über 20 Jahre lang war Dr. Markus Markart Direktor der Abteilung für Kinderheilkunde am Krankenhaus Brixen. Mit Ende Mai trat Markart in den Ruhestand. Im Interview spricht über die Gesundheit von Südtirols Kindern, den Anstieg von Essstörungen bei Kinder und Jugendlichen und über den Stellenwert von Kinder im Lichte der Jahrzehnte. <BR /><BR /><b>Herr Dr. Markart, Sie blicken auf eine jahrzehntelange Erfahrung als Kinderarzt zurück. Wie steht es um die Gesundheit des Südtiroler Nachwuchses?</b><BR /><div class="img-embed"><embed id="1035423_image" /></div> Dr. Markus Markart: Südtirol hat – im Vergleich zu anderen Regionen Italiens oder Deutschlands – gesunde Kinder, die sich viel bewegen, nicht übergewichtig sind und in der Regel in gesunden Familienverhältnissen aufwachsen. Natürlich gibt es Ausnahmen – wir haben Menschen aus sozial schwächeren Schichten, vor allem Familien aus dem Ausland, die schlechtere Voraussetzungen mitbringen. <BR /><b><BR />Wo zeigt sich dieser Unterschied?</b><BR />Dr. Markart: Diese Kinder sind oft nicht der Jahreszeit entsprechend gekleidet, sie sind verrotzt, es kümmert sich teilweise niemand wirklich darum. Sie sind teilweise verwahrlost und müssen mitunter Gewalt erleben. <BR /><BR /><b>Hat sich in dieser Hinsicht in den Südtiroler Familien etwas zum Besseren verändert?</b><BR />Dr. Markart: Als ich als Arzt angefangen habe, war die Sensibilität der Eltern gegenüber ihren Kindern und deren Gesundheit noch nicht so ausgeprägt wie heute. Früher lagen die Kinder länger krank zu Hause im Bett, bevor die Eltern mit ihnen zum Arzt gingen. Auch in Bezug auf die Gewaltbereitschaft hat es einen positiven kulturellen Wandel gegeben. Ein Kind hat heute einen anderen Stellenwert als noch vor 20 oder 30 Jahren. Aber es gibt auch Fehlentwicklungen: Es gibt Familien, in denen zu viel Druck auf die Kinder ausgeübt wird, sie müssen perfekt sein, leisten, liefern. Ihr Leben ist durchgetaktet. Mein Wunsch: Eltern sollten ihre Kinder mehr Kind sein lassen und sie weniger wie Manager führen. <BR /><BR /><b>Werfen wir einen Blick auf Ihre Abteilung. Wie stark ist sie ausgelaste</b>t? <BR />Dr. Markart: Die Belegung der Pädiatrie hängt stark von den Jahreszeiten ab – je nach Infektionslage: Im Winter hatten wir bis zu 19 Kinder auf der Station. Im Sommer ist es ruhiger. Und die Frühgeborenen kann man nicht planen, die kommen dann unerwartet. Insgesamt verfügt die Station über 12 Betten und 15 Betten für Neugeborene bei rund 1000 Geburten im Jahr. In der Pädiatrischen Ambulanz des Krankenhauses Brixen werden jährlich bis zu 10.000 Leistungen erbracht.<BR /><BR /><b>Die Pädiatrie Brixen ist in Südtirol das Referenzzentrum für die stationäre Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit Essstörungen. Wie akut ist das Problem?</b><BR />Dr. Markart: Die 4 Betten für Kinder und Jugendliche mit Essstörungen sind das ganze Jahr über belegt, es gibt auch eine Warteliste. In den 2 Jahren nach Corona hat sich die Situation deutlich verschärft, wir haben eine Zunahme der Fälle um 30 Prozent beobachtet. Im Moment hat sich das auf diesem hohen Niveau stabilisiert, aber ich hoffe, dass wir wieder etwas runterkommen.<BR /><b><BR />Wie alt sind die Patienten im Durchschnitt?</b><BR />Dr. Markart: In der Regel zwischen 15 und 17 Jahren. Die Statistik sagt uns, dass von 10 Patienten 9 Mädchen und ein Junge sind, die jüngste Patientin war 9 Jahre alt. Aber Gott sei Dank haben wir große Erfolge in der Therapie. <BR /><BR /><b>Gibt es Momente, die Sie als Arzt besonders geprägt haben?</b><BR />Dr. Markart: Natürlich gibt es im Leben eines Arztes Erlebnisse, die einen ein Leben lang begleiten. Es gibt viele schöne Momente, aber sehr belastende. Aber: Als Arzt muss man lernen, die Schicksale im Krankenhaus hinter sich zu lassen, sonst hält man das auf Dauer nicht aus. Und es gibt Ausnahmesituationen, die einen sehr mitnehmen. Bei schweren Fällen machen wir im Team Fallbesprechungen hinterher, wo jeder zu Wort kommt, ohne Schuldzuweisungen, sondern um die Dinge aufzuarbeiten.<BR /><b><BR />Gestern war Ihr letzter Arbeitstag im Krankenhaus. Wer wird Ihnen nachfolgen und was planen Sie für Ihren Ruhestand?</b><BR />Dr. Markart: Bis zur Ausschreibung der Stelle wird mein bisheriger Stellvertreter Dr. Michael Zöbl die Abteilung leiten. Mit ihm und dem gesamten Team arbeite ich seit Jahren sehr gut zusammen. Persönlich habe ich noch einige Projekte vor mir. Ich bin nicht erschöpft oder müde, sondern freue mich auf einen völlig neuen Lebensabschnitt. <BR /><BR /><BR /><b>Zur Person</b>:<BR />Markus Markart promovierte 1986 zum Doktor der gesamten Heilkunde an der Universität Innsbruck. Von 1988 bis 1993 legte er seine Ausbildung als Assistenzarzt am Krankenhaus Brixen ab; seit 1993 ist er Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Er absolvierte diverse Ausbildungen, u.a. im Bereich der Kinderkardiologie. Von 1994 bis 2003 war Markart Oberarzt an der Kinderabteilung am Krankenhaus Brixen, ab 1998 dann stellvertretender Primararzt der Kinderabteilung. Von 2005 bis 2007 war Markart Leiter des Eltern-Kind-Departments. Markus Markart war von 2003 bis zum 31. Mai 2024 Direktor der Abteilung für Kinderheilkunde am Krankenhaus Brixen sowie von 2015 bis zum 31. Mai 2024 ärztlicher Direktor des territorialen Bereiches und <BR />Sanitätskoordinator des Gesundheitsbezirkes Brixen/ Sterzing.<Rechte_Copyright></Rechte_Copyright>