<b>von Miriam Roschatt</b><BR /><BR />Frauen fürchten sich im Alter vor Falten, Männer vor dem Haarverlust. Der große Unterschied: Frauen sprechen über ihre Sorgen, Männer meistens nicht.<BR /><BR />Oliver Götsch, der einen Friseursalon („Atelier“) in Eppan führt, war zunächst einer von denen, die ihre Probleme für sich behielten. Heute spricht er offen über das, was ihn lange zum Schweigen gebracht hat. „Mit 21 Jahren hat es angefangen“, erinnert sich der heute 35-Jährige. Anfangs bemerkte er den Haarausfall kaum. „Mir ist lediglich aufgefallen, dass ich morgens länger im Bad an meinen Haaren zupfte.“<BR /><BR />Was damals noch harmlos wirkte, entwickelte sich bald zu einem merklichen Verlust. Mit jedem Haar, das zu Boden fiel, fühlte sich der gebürtige Möltner unsicherer – ähnlich wie jene Männer, die seinen Salon aufsuchen. Dort bietet Götsch seit drei Jahren eine Beratungsstelle für Männer an, die unter Haarverlust leiden. Hier nimmt er sich ihrer Sorgen an. <h3> „Kenne Männer, die nicht mehr schwimmen gehen“</h3>Drei bis vier Männer kommen pro Woche zum Beratungsgespräch zu ihm nach Eppan, berichtet Götsch. Es seien vorwiegend Südtiroler, aber auch Italiener aus Rovereto und Tiroler aus Innsbruck. Es seien Männer, deren Schamgefühl so groß sei, dass sie sich nicht einmal mehr trauen, auswärts essen zu gehen: „Ich habe einen Kunden, der nicht mehr in Restaurants geht, weil er denkt, <?Uni SchriftWeite="95ru"> dass die Lichtstrahler am Tisch direkt auf seine kahlen Stellen fallen.“ <?_Uni> „Andere“, erzählt der Friseur weiter, „vermeiden es, Sport zu treiben, weil sie sich schämen, den Helm beim Radfahren abzunehmen. Sie fürchten, dass unter dem zerzausten Haar ihre Geheimratsecken sichtbar werden.“ Oliver Götsch kenne auch Männer, die deshalb nicht mehr schwimmen gingen, wie er sagt: „Und wieder andere fürchten sich vor einem Windstoß wie vor einem unvorhergesehenen Blitzschlag.“<BR /><BR />Es sind Ängste, die Götsch selbst kennt – und denen er in seinem Salon Raum schenken möchte. „Die betroffenen Männer sprechen nämlich in den seltensten Fällen mit ihrem Umfeld darüber“, berichtet er und zeigt auf sein Smartphone. „Darauf fokussieren sich die allermeisten.“ Viele Männer fänden nämlich erst nach einer echten Internet-Odyssee den Weg zu Oliver in den Salon. Und genau darin sieht er das Problem: „Viele Foren versprechen schnel<?TrVer> le Lösungen“, sagt er, „meistens werden nur Vorher-Nachher-Bilder gezeigt. Die vielen Zwischenschritte, Geduldsproben und möglichen Rückschläge, die bei der Anwendung verschiedener Haarwuchsmittel oder bei Haartransplantationen auftreten können, werden jedoch kaum erwähnt,“ erklärt der Haarexperte.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1064760_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Bis vor Kurzem probierte auch er zahlreiche chemische Mittel aus und massierte sie in seine Kopfhaut ein – nur um die Anwendung schließlich frustriert abzubrechen. Doch das Absetzen solcher Mittel birgt Risiken, wie er heute weiß. „Wenn man diese Mittel absetzt, können sie sogar noch größeren Schaden anrichten,“ warnt er. Vor zweieinhalb Jahren entschied sich Götsch schließlich für eine Eigenhaartransplantation und reiste dafür in die Türkei. Heute berät er Männer, die diesen Schritt ebenfalls in Erwägung ziehen, und zeigt ihnen in der Beratung auch Bilder von Operationen, die bei anderen nicht das gewünschte Ergebnis erzielt haben. „Mir geht es um Transparenz und darum, den Menschen zu vermitteln, dass sie sich gründlich informieren und umfassend beraten lassen sollten.“ Solche Eingriffe seien nämlich kein Kinderspiel. „Die Haare wurden mir mit einem Hohlbohrer entnommen, und anschließend wurden mit einer feinen Klinge Schlitze in die Kopfhaut gemacht, um die Haare gleichmäßig zu verteilen. Bei mir hat es funktioniert, weil ich nach sorgfältiger Recherche und zahlreichen Gesprächen mit Dermatologen und Schönheitschirurgen schließlich auf erfahrene Fachärzte gestoßen bin.“ Und auch das gehöre zu seiner Beratung, erzählt Oliver Götsch: genau zu erklären, was bei einer solchen Operation eigentlich gemacht wird – ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen oder irgendetwas schönzureden. <BR /><BR />Letztendlich war es nicht nur die Haartransplantation, die Oliver Götsch zu neuem Selbstbewusstsein verholfen hat, sondern auch die vielen Beratungsgespräche mit seinen Kunden. Diese Gespräche sind für ihn weit mehr als nur ein Service; sie geben ihm das Selbstvertrauen zurück, das er durch seinen eigenen Haarverlust und die fehlende Beratung verloren hatte. <h3> Alltagstaugliche Ratschläge für „Oben ohne“-Betroffene</h3>Und dann plaudert der Friseur noch aus dem Nähkästchen und gibt alltagstaugliche Ratschläge für Männer, die mit Haarausfall zu kämpfen haben:<BR /><BR /> „Bei leichten Geheimratsecken sollte man dazu stehen und die Haare eventuell etwas kürzer tragen, da dies oft vorteilhafter wirkt.“<BR /><BR /> „Es ist wichtig, sich von der Vorstellung zu lösen, dass man wieder wie mit 18 Jahren aussehen muss.“<BR /><BR /> „Die Haare sollten nicht zu stark künstlich nach vorne gekämmt werden, um kahle Stellen zu verdecken, da dies weder vorteilhaft noch gepflegt aussieht.“<BR /><BR />„Versuchen Sie, bereits als junger Mensch den Haarausfall zu akzeptieren, dann mindern sich die Probleme im Alter. “ <BR /><BR />„Auch Frauen leiden unter Haarausfall oder haben Geheimratsecken. Trauen Sie sich, darüber zu sprechen, wenn es belastend ist.“