Leerlauf und Langeweile können für den guten Umgang mit der Zeit sehr hilfreich sein, erklärt die Psychologin. Allerdings sollten wir lernen, mit den damit verbundenen negativen Gefühlen besser umzugehen. Wie gelingt das?<BR /><BR /><b>Kein Gut der Welt ist so gerecht verteilt wie die Zeit: Warum haben trotzdem so viele das miserable Gefühl, dass ihre Zeit so knapp ist?</b><BR />Lisa Gamper: Das hat zum einen mit dem rasanten technischen Fortschritt und der ständig wachsenden Vernetzung der Gesellschaft zu tun. Elektrisches Licht, Computer und Internet erlauben es uns, rund um die Uhr aktiv und produktiv zu sein und schalten natürliche Schutzmechanismen wie Dunkelheit oder Unerreichbarkeit aus. Wir schaffen die Möglichkeiten und die Möglichkeiten schaffen uns. Auf der anderen Seite stellt der schnelle, hektische Lebensstil, den wir heute kultivieren, ein modernes Statussymbol dar. Wer viel zu tun hat, belastet und erschöpft ist, zeigt der Welt (und sich selbst!) seinen Wert. Gerade wenn man sich dessen nicht bewusst ist, wird es schwierig, aus diesem Muster auszusteigen. <BR /><BR /><b>Holen wir mehr aus unserer Zeit heraus, wenn wir schneller werden, länger arbeiten, noch genauer planen?</b><BR />Gamper: Wenn dem so wäre, hätten wir die Lösung ja bereits gefunden und das Thema würde uns nicht immer wieder so intensiv beschäftigen. Tatsächlich glaube ich, dass unsere bisherigen Versuche, mehr Zeit zu haben nur an der Oberfläche kratzen und das Problem nicht an der Wurzel packen. Wenn wir unseren zu vollen Alltag durchtakten, Abstriche bei der Freizeit machen und irgendwie versuchen „alles unter einen Hut zu bekommen“, behandeln wir damit lediglich Symptome. Das eigentliche Problem – sprich die krankmachenden Strukturen, die dem Ganzen zugrunde liegen – ändern sich dadurch jedoch nicht. Natürlich ist gutes Zeitmanagement sinnvoll und hilfreich. Wir sollten uns jedoch auch mal trauen außerhalb gesellschaftlicher Konventionen zu denken und zu handeln. Anstatt zu überlegen „Wie machen es alle anderen?“ können wir uns die Frage stellen „Wie passt es am besten für mich?“.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59817193_quote" /><BR /><BR /><b>Wie kommen wir also im Alltag zum guten Gefühl: Ich habe jede Zeit der Welt?</b><BR />Gamper: Das ist zugegeben schon ein ziemlich hoch gestecktes Ziel, das nur in kleinen Schritten erreicht werden kann. Ich behaupte: Wir alle haben genug Zeit, wenn wir sie richtig nutzen und vor allem Prioritäten setzen! Es geht dabei um die Entwöhnung von hinderlichen und die Gewöhnung an hilfreiche Denk- und Handlungsmuster. Wir dürfen uns immer wieder bewusst machen, dass es genug ist zu sein und unser Wert als Mensch unantastbar und absolut unabhängig von unserem Machen und Tun ist. Wenn wir es schaffen, diese beiden Komponenten voneinander zu trennen, weitet sich unser Blick und die wahrgenommene Zeitqualität kann sich positiv verändern. <BR /><BR /><b>Funktioniert Multitasking, um Zeit zu sparen?</b><BR />Gamper: Bei den meisten Menschen nicht. Laut Schätzungen ist nur ein sehr geringer Prozentsatz der Bevölkerung überhaupt multitaskingfähig. In der Regel arbeiten wir langsamer und machen häufiger Fehler, wenn wir uns auf mehr als eine Sache konzentrieren müssen. Zudem verbraucht das ständige Umschalten zwischen den verschiedenen Aufgaben enorm viel Energie, da wir unseren Fokus am laufenden Band neu ausrichten und uns immer wieder neu auf das einstellen müssen, was wir gerade tun. Daher gilt: Besser eins nach dem anderen und alles zu seiner Zeit!<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="902522_image" /></div> <BR /><BR /><b>Viele haben Angst vor Leerlauf und Langeweile: Ist diese Angst berechtigt?</b><BR />Gamper: Für viele Menschen sind die alltäglichen Abläufe geprägt von Atem- und Rastlosigkeit, wobei Wartezeiten und Ruhephasen meist deutlich zu kurz kommen. Folglich kann das plötzliche Vorhandensein von Leerläufen ungewohnt sein, gerade wenn man lange Zeit nur funktioniert und die eigenen Bedürfnisse nicht gut gespürt hat. Es ist wie bei einem Suchtentzug: Wenn chronische Spannung plötzlich nachlässt, werden wir unruhig, sind gereizt und unzufrieden. Viele kennen das vom Urlaub: Man hatte sich so auf die Ferien gefreut, kann sich dann aber nicht entspannen. Die Angst ist also nachvollziehbar, aber keineswegs berechtigt. Ganz im Gegenteil! Langeweile fördert kreative Prozesse und wir brauchen Leerläufe um die Effizienz unserer Arbeit aufrechterhalten zu können. Wenn wir diese Zustände zulassen, gewinnen wir allmählich ein ganz neues Gefühl für die Zeit. <BR /><BR /><b>Wie gehen wir am besten mit solchen Situationen um?</b><BR />Gamper: Wenn wir etwas Neues lernen, dürfen wir nicht erwarten, dass es sofort reibungslos funktioniert und schon gar nicht, dass es sich unmittelbar gut anfühlt. Veränderung braucht Zeit und ist nicht immer leicht. Manchmal reicht es schon, die Spannung, die z.B. beim Empfinden von Leere oder Langeweile entstehen kann, auszuhalten und sich nicht zu sehr in diesem Gefühl zu verstricken. Das eigene innere Geschehen möglichst neutral und mit Neugier zu beobachten, hilft uns schwierige Emotionen zu regulieren. <BR /><BR /><b>Was ist Ihr bester persönlicher Tipp für den Umgang mit der Zeit?</b><BR />Gamper: Am schönsten ist die Zeit, wenn wir nicht versuchen, sie krampfhaft zu füllen. Auch Hobbies und Freizeitaktivitäten können anstrengend werden, wenn ein mehr oder weniger bewusstes „Muss“ dahintersteht. Erholung gelingt, wenn wir lernen uns treiben zu lassen und uns das zu geben, was der Körper und die Seele gerade brauchen. Denkmuster wie „Heute ist schönes Wetter, also muss ich auf den Berg gehen“ ziehen wieder Druck und Anspannung nach sich. Das sonst so negativ charakterisierte „In den Tag hineinleben“ birgt ungeahnte Vorteile, denn es lehrt uns, Entscheidungen auch mal spontan und nach Gefühl zu treffen. Immerhin: Den freien Tag in der Hängematte zu verbringen ist auch okay.<BR /><BR /><BR />BUCHTIPP<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="902525_image" /></div> <BR /><BR />Lisa Gamper: Die Kunst es leichtzunehmen. Aufräumen im Unterbewusstsein für ein glückliches Leben in Balance. 208 Seiten, Athesia Verlag, 19,90 Euro. Erhältlich unter <a href="www.athesiabuch.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.athesiabuch.it</a><BR /><BR />In diesem Ratgeber geht die Psychologin Lisa Gamper auf die häufigsten Denkfehler, Irrtümer und Fehlinterpretationen ein, die uns Menschen im Alltag zu schaffen machen und uns an einem glücklichen und erfolgreichen Leben hindern. Sie räumt mit limitierenden Glaubenssätzen auf, löst Missverständnisse, zeigt neue Perspektiven auf und schlägt eine Brücke zu gesunden Alternativen. Themen wie Stress und Entspannung, Selbstwert und Selbstfürsorge, Träume und Ziele, Resilienz und innere Widerstandskraft, Konzentration, Achtsamkeit und Vertrauen ins Leben werden angesprochen.<BR /><BR /><BR />