Rückenschmerzen: Verbreitete Irrtümer – und was wirklich hilft - Gesundheit

&bdquo;Bei Rückenschmerzen hilft Bettruhe“: Wer das glaubt, liegt falsch, erkärt der Bozner Fachmann für Schmerztherapie. Woher kommen die unangenehmen Rückenschmerzen? Jürgen Heiler: Rückenschmerzen sind leider unangenehme Begleiterscheinungen unserer modernen Lebensweise. Der Mensch entwickelt sich immer mehr vom ursprünglichen Aufrechtgeher zum Sitzwesen. 80 Prozent der Bevölkerung leiden unter teilweise starken Rückenschmerzen. Besonders sitzende Berufsgruppen sind betroffen. Bewegungsmangel und Stress sind weitere Gründe für Rücken – und Nackenbeschwerden. Wie wichtig ist es, Rückenschmerzen vorzubeugen und wie kann man das machen? Heiler: Multidisziplinäre Programme belegen, dass ein Zusammenschluss von Training, Rückenkursen und verhaltenstherapeutischen Schulungen eine positive Veränderung bei falscher und schmerzerzeugender Haltung am Arbeitsplatz bewirken können. Dementsprechend sollen durch das Training die körperliche Fitness verbessert und Kenntnisse über ergonomisches Verhalten am Arbeitsplatz und im Alltag vermittelt werden. Dies alles reduziert den Schmerz und hilft beruflich wie auch privat schmerzfrei zu bleiben. Gepaart mit gesunder Ernährung und einer ausgewogenen Work – Life Balance kann man unangenehmen Schmerzen bestmöglich vorbeugen. Hilft ein solches Training auch, wenn bereits Rückenschmerzen bestehen? Heiler: Ja, die Ergebnisse zahlreicher, an über 500 Probanden im Gesundheitszentrum Cam durchgeführter Rückenstudien zeigen, dass bei chronischen Rückenschmerzpatienten ein gerätegestütztes Krafttraining zu einer Verbesserung der Aktivität im Alltag führt. Dabei reduzierten sich die Schmerzen innerhalb ein bis 3 Monaten bei 70 Prozent der Probanden im Schnitt zwischen 40 bis 80 Prozent. Gleichzeitig kam es zu einem Kraftzuwachs der Rücken- und Bauchmuskeln von zwischen 15 bis 35 Prozent. Deshalb ist ein längerfristiges Training immer empfehlenswert. Was sollten Menschen mit akuten Rückenschmerzen tun? Heiler: Bei akuten Schmerzen hilft ein erfahrener Physiotherapeut oder Osteopath, bestehende Blockaden zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern. Die Priorität ist hier schnellstmöglich die Schmerzfreiheit zu erreichen. In einigen Fällen ist auch die Zusammenarbeit mit Fachärzten wie zum Beispiel einem Orthopäden oder einem Neurologen nötig. Ein die physiotherapeutische Behandlung begleitendes Rückentraining und ein anschließendes Krafttraining helfen den gesamten Halteapparat zu stabilisieren. Es gilt sich regelmäßig Zeit für Aktivität und Mobilisation der Bauch- und Rückenmuskulatur nehmen, um möglichst schmerzfrei zu bleiben. Nicht alle Annahmen über Rückenschmerzen, die im Umlauf sind, sind auch wahr. Welche Irrtümer zum Thema Rückenschmerzen gilt es aufzuklären? Heiler: Da gibt es mehrere. Zum Beispiel: &bdquo;Bei Rückenschmerzen hilft Bettruhe.“ Zieht und sticht es bereits unangenehm, kommen viele Betroffene auf die Idee, sich besonders zu schonen. Dabei tut meist genau das Gegenteil dem Rücken gut – Sport und Bewegung stärken den Rücken! Sanfte, dem Schmerz angepasste Bewegungen, leichte Mobilisierungsübungen und ein Spaziergang helfen eher aus dem Teufelskreis heraus, als langes Liegen und das Einnehmen von Schonhaltungen und Schmerzmitteln. Ein weiterer Irrtum ist: &bdquo;Eine harte Matratze hilft bei Rückenschmerzen“. Es sind weder zu harte, noch zu weiche Matratzen bei Rückenschmerzen geeignet. Die Matratze soll sich an den Körper anpassen und nicht umgekehrt, das heißt der Härtegrad muss immer individuell ermittelt werden. Auch hört man oft: &bdquo;Wer einen Bandscheibenvorfall hat muss operiert werden.“ Das ist falsch. Ein Bandscheibenvorfall wird nur sehr selten operiert, wenn zum Beispiel im Bein ein ausgeprägter Kraftverlust auftritt, oder Blase und Darm nicht mehr richtig funktionieren. Der Großteil der Beschwerden kann mit gezielter Physiotherapie oder Osteopathie und Trainingstherapie erfolgreich behandelt werden. ZUR PERSON Jürgen Heiler wurde 1965 in Deutschland geboren. Nach der Ausbildung an der Claudiana in Bozen und der DFZ Mainz praktizierte er an der Unfallklinik Murnau, der Klinik Schwabing München, und im Kinderrehadienst in Brixen. Seit 28 Jahren ist er Mitinhaber des Gesundheitszentrums Cam in Bozen.