<BR /><b>Wie wichtig ist ein gesundes Leben in jungen Jahren? Steckt ein junger Körper nicht mehr weg als ein erwachsener?</b><BR /><b>Dr. Astrid Marsoner</b>: Ein junger Körper steckt tatsächlich mehr weg, auch mehr Kalorien im Verhältnis zum Körpergewicht. Aber gerade in jungen Jahren werden viele Weichen gestellt, und auf lange Sicht rächt sich ein ungesunder Lebensstil: Das Wachstum wird negativ beeinträchtigt und die Tendenz zu Übergewicht – durch die Bildung einer vermehrten Anzahl von Fettzellen – dauerhaft verfestigt. Auch Zähne wachsen nur einmal nach. Ein ungesunder Lebensstil hat Folgen für die persönliche Entwicklung und das soziale Verhalten.<BR /><BR /><b>Ab heute machen sich wieder Kinder mit zu schwerer Schultasche, ohne Frühstück und mit Handy in der Hand auf den Weg in die Schule. Welche dieser drei „Schulkrankheiten“ macht Ihnen am meisten Sorgen?</b><BR /><b>Dr. Marsoner:</b> Alle drei. Ein schwerer Ranzen ist im digitalen Zeitalter nicht mehr zu rechtfertigen, und warum Handys nicht längst am Schuleingang abgegeben werden, ist mir ebenso ein Rätsel. Beim Frühstück ist es komplizierter: Viele Kinder wollen morgens nichts essen, weil der frühe Unterrichtsbeginn ihrem Biorhythmus widerspricht. Studien zeigen: Wer morgens später zur Schule muss, hat einen geringeren Körperfettanteil, Body-Mass-Index und Taillenumfang als jene, die früher aufstehen müssen. Ein späterer Unterrichtsbeginn kann sich zudem positiv auf die psychische Gesundheit auswirken. Wenn es schwierig ist, Kinder zu einem gesunden Frühstück zu bewegen, könnte eine gute Jause ein Kompromiss sein.<BR /><BR /><embed id="dtext86-71298649_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Wird das Frühstück also überbewertet?</b><BR /><Fett>Dr. Marsoner:</Fett> Die Behauptung von der „wichtigsten Mahlzeit des Tages“ stellte John Harvey Kellogg auf, der Gründer der Cornflakes. Der Slogan ist also kein ernährungswissenschaftlicher Ratschlag, sondern eine Marketingidee. <BR /><b>Dr. Michael Kob:</b> Trotzdem finde ich, dass für Kinder und Schüler das Frühstück in der Regel sinnvoll ist, da es ihnen die nötige Energie für die kognitiven Leistungen im Unterricht liefert.<BR /><BR /><b>Gibt es einen Zusammenhang zwischen Matheleistung und Pausenbrot – und wenn ja, wie sieht die perfekte Pause aus?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Es gibt tatsächlich Hinweise aus der Ernährungs- und Bildungsforschung, dass Ernährung die schulische Leistung beeinflusst, insbesondere durch den Verzehr komplexer Kohlenhydrate. Die perfekte Ernährung in der Pause besteht aus einem ausgewogenen Snack mit Vollkornprodukten, Eiweiß – zum Beispiel Käse, Joghurt, Hummus oder Nüsse – sowie frischem Obst oder Gemüse. Dazu sollte Wasser oder ungesüßter Tee getrunken werden, um Energie und Konzentration zu fördern.<BR /><BR /><b>Gibt es „Brainfood“, also Lebensmittel, die Konzentration und Lernfähigkeit steigern?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Ja, es gibt einige Lebensmittel, die kognitive Funktionen messbar unterstützen: Komplexe Kohlenhydrate – z. B. Vollkornprodukte – sorgen für eine stabile Glukoseversorgung des Gehirns, Omega-3-Fettsäuren – z. B. aus Fisch, Leinsamen oder Nüssen – fördern die Gehirnentwicklung, und Obst und Gemüse liefern Antioxidantien und Mikronährstoffe, die Konzentration und Gedächtnis unterstützen. Entscheidend ist aber das Gesamtmuster einer ausgewogenen Ernährung, nicht einzelne „Wundermittel“.<BR /><BR /><b>Viele Eltern greifen zu Müsliriegeln oder Smoothies, weil es gesund klingt. Stimmt das?</b><BR /><b>Dr. Kob</b>: Viele Müsliriegel, Smoothies oder Fruchtjoghurts enthalten mehr Zucker als Nährstoffe und sind daher eher Süßigkeiten als gesunde Snacks. Besser geeignet sind frisches Obst, Naturjoghurt, Nüsse oder ein Vollkornbrot mit Aufstrich.<BR /><BR /><b>Was würden Sie sofort vom Schülerteller verbannen und was gehört unbedingt drauf?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Streichen würde ich verarbeitete Fleischprodukte, wie Aufschnitt und Wurstwaren, die langfristig weder der Gesundheit noch der Konzentration gut tun, auch rotes Fleisch sollte nur selten und in kleinen Mengen auf den Speiseplan kommen. Sehr empfehlenswert sind dagegen ballaststoff- und eiweißreiche Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen oder Bohnen, die – kindgerecht als Aufstrich, in Suppen oder in kleinen Frikadellen zubereitet – eine wertvolle und nachhaltige Energiequelle sind.<BR /><BR /><embed id="dtext86-71299023_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Dürfen Kinder auch fasten?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Für Kinder und Jugendliche ist zum Beispiel Intervallfasten nicht geeignet, da sie sich im Wachstum befinden und ihr Körper regelmäßig Energie und Nährstoffe benötigt. Empfehlenswert sind drei ausgewogene Hauptmahlzeiten sowie ein bis zwei gesunde Zwischenmahlzeiten – etwa Obst, Joghurt, Nüsse oder ein kleines Vollkornbrot –, um Konzentration, Leistungsfähigkeit und Entwicklung optimal zu unterstützen.<BR /><BR /><b>Was wiegt mehr: das gesunde Pausenbrot in der Schultasche oder das Vorbild der Eltern am Esstisch?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Das Pausenbrot ist wichtig für Energie und Konzentration im Schulalltag – doch entscheidend ist das Vorbild am Esstisch. Kinder ahmen nach, was Eltern leben: Wer zuhause Freude an frischem Gemüse und ausgewogenem Essen zeigt, prägt nachhaltiger als jede Brotdose.<BR /><b>Dr. Marsoner</b>: Wenn es gelingen würde, Kochen und Essen wieder zu einem sozialen Erlebnis zu machen, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Die Nahrungsaufnahme sollte einen Stellenwert bekommen, der über die Kalorienaufnahme hinausgeht, die bewusst zelebriert wird und nicht nebenbei geschieht. <BR /><BR /><b>Sollten Schulen mehr Verantwortung für Gesundheit übernehmen oder ist das Familiensache?</b><BR /><b>Dr. Kob:</b> Gesundheitskompetenz entsteht im Zusammenspiel: Schulen können durch Aufklärung und gesunde Rahmenbedingungen viel bewirken – aber das Fundament wird in der Familie gelegt. Erst wenn beides zusammenkommt, erreichen wir Kinder wirklich nachhaltig.<BR /><b>Dr. Marsoner:</b> Die Aufgabe von Schulen ist es, Wissen zu vermitteln, warum also nicht auch Gesundheitswissen. Kinder wirken dann als Multiplikatoren: bei den Eltern, im Freundes- und Bekanntschaftskreis, und später bei eigenen Kindern.