Im Interview erklärt der Sanitätsdirektor des Medical Spa im Hotel Therme Meran, wie sich der Luftdruck auf die Ohren auswirkt und welche Behandlung aus der Psychotherapie erfolgreich sein kann.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="789065_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wer ist von Tinnitus besonders häufig betroffen?</b><BR />Dr. Alessandro Peracchi: Viele Jahre lang habe ich Tinnitus vor allem bei älteren Menschen festgestellt, mittlerweile aber sehe ich zunehmend mehr junge Menschen mit den Ohrgeräuschen. <BR /><BR /><b>Worauf ist dieser Anstieg der jungen Bevölkerung zurückzuführen?</b><BR />Dr. Peracchi: Meiner Meinung nach sind junge Menschen sehr anfällig für ein Hörtrauma: Geräusche aus Lautsprechern mit übertriebener Lautstärke, unsachgemäßer Gebrauch von Kopfhörern, mit denen meist Musik von Smartphones gehört wird, unangemessener Ernährungsstil – diese Faktoren können das Gehör verändern und zu den störenden Geräuschen im Ohr führen.<BR /><BR /><b>Dass dauerhaft zu laute Musik zu Hörschäden führt, das ist naheliegend, aber wirkt sich die Ernährung wirklich auf das Gehör aus? Was ist unangemessene Ernährung?</b><BR />Dr. Peracchi: Die heutige Ernährung ist voll von verarbeiteten und abgepackten Lebensmitteln; es werden zu viele salzige Lebensmittel, Pflanzenöle, gesättigte Fette, Süßstoffe und Zucker verwendet, ganz zu schweigen vom Missbrauch von Alkohol und Koffein.<BR /><BR /><b>Und ohne diese Lebensmittel würde sich ein Tinnitus verbessern?</b><BR />Dr. Peracchi: Aus meiner Sicht schon. Ich sage dies aufgrund der Studien, die ich seit 20 Jahren mit der Komplementärmedizin durchführe. Ich rate meinen Tinnitus-Patienten immer, auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten und bei einem guten Prozentsatz verbessern sich die Symptome.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55167048_quote" /><BR /><BR /><b>Probleme im Ohr und mit dem Hörsinn können auch auf Luftdruckschwankungen zurückzuführen sein. Können Sie das erklären?</b><BR />Dr. Peracchi: Die Veränderung des atmosphärischen Drucks ist eines der Themen, das uns Ärzte, die Komplementärmedizin praktizieren, am meisten interessiert. Die wahren Experten auf diesem Gebiet waren die alten chinesischen Ärzte, die bereits vor Tausenden von Jahren die Auswirkungen des Wetters beschrieben. Hoher und niedriger Luftdruck sind ein echtes Problem für Tinnitus-Betroffene, ein Problem, das manchmal so unterschätzt und missverstanden wird, dass die Betroffenen aus Unverständnis in einen depressiven Zustand verfallen.<BR /><BR /><b>Aber wie kann der atmosphärische Druck unseren Körper beeinflussen?</b><BR />Dr. Peracchi: Klimatische Veränderungen und auch geografische Bedingungen verursachen Störungen in der Umwelt. Regnerisches oder windiges Wetter verändert die Schwingungsatmosphäre der Umgebung, in der wir leben (Ionisierung), aber auch der Ort, an dem wir leben, kann unsere Gesundheit verändern, egal ob wir am Meer oder in den Bergen, an einem See usw. leben. Deshalb ist es wichtig, dass wir Ärzte dem Patienten gut zuhören und selbst scheinbar unbedeutende Aussagen als wichtig erachten. Sie können nämlich bei der Behandlung von Tinnitus und Ohrgeräuschen wichtig sein. <BR /><BR /><b>Sie setzen bei der Behandlung von Tinnitus auch auf EMDR, ein Behandlungsansatz aus der Psychotherapie. Wie funktioniert EMDR?</b><BR />Dr. Peracchi: EMDR ist die Abkürzung für „Eye Movement Desensitisation and Reprocessing“, was auf Deutsch „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen“ bedeutet. Mit der Methode können die Folgen von psychischen Traumata behandelt werden, vor allem die posttraumatische Belastungsstörung. Die Methode hat sich aber mittlerweile bei verschiedenen psychischen Störungen als effizient erwiesen. Diese Technik wirkt auf Traumata und Stresszustände ein und stimuliert das Verarbeitungssystem des Gehirns, so dass dysfunktional gespeicherte Erinnerungen aufgearbeitet und schmerzhafte Erinnerungen so weit bearbeitet werden, dass eine Art Desensibilisierung stattfindet und die Beschwerden auf null reduziert werden. Konkret folgt der Patient bei der Therapie mit den Augen den Fingerbewegungen des Therapeuten. Diese Therapie zeigt in vielen Fällen eine deutliche Verbesserung des Tinnitus.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="789068_image" /></div> <BR /><BR />STICHWORT TINNITUS<BR /><BR />Vorübergehende Ohrgeräusche hat Schätzungen zufolge jeder Vierte. Unter anhaltenden und belastenden Geräuschen im Ohr leiden weniger, man geht von 5 bis 15 Prozent der Bevölkerung aus. <BR />Das Wort Tinnitus kommt vom lateinischen Wort „tinnire“ und bedeutet „klingeln, klimpern, schellen“. Die Ohrgeräusche können aber noch vielfältiger sein: pfeifen, zischen, rauschen, sausen, brummen, pulsieren, hämmern – Patienten berichten von verschiedensten Hörempfindungen, die von außen, also von anderen Personen nicht wahrgenommen werden.<BR /><BR />Beim Tinnitus wird zwischen subjektivem und dem sehr viel seltener vorkommenden objektiven Tinnitus unterschieden. <BR /><BR />Beim <b>objektiven Tinnitus</b> liegen den Ohrengeräuschen eine Erkrankung bzw. Beschwerden in Strukturen in der Nähe der Ohren zugrunde, zum Beispiel können sie durch Verspannungen des Kiefers oder im Gaumen entstehen, mitunter auch durch zu hohen Blutdruck. Das Geräusch im Ohr hört nicht nur der Betroffene, sondern auch der Arzt, wenn er den Patienten mit dem Stethoskop untersucht. Durch die Behandlung der Grunderkrankung verschwinden meistens auch die Ohrgeräusche.<BR /><BR />Im Gegensatz dazu kann die Geräusche beim <b>subjektiven Tinnitus</b> nur der Patient selbst hören. Er bildet sich das Geräusch aber nicht ein, meistens entsteht es im Innen-, Mittel- oder Außenohr, erklärt Dr. Alessandro Peracchi. „Bei der subjektiven Tinnitus-Form, die im Innenohr entsteht, kann das laute Brummen auf Barotraumen, das heißt plötzliche Luftdruckänderungen, zurückzuführen sein, auf Infektionen oder auf ototoxische, also das Gehör schädigende Medikamente.“ Auch die Meniére-Krankheit, eine Erkrankung des Innenohrs, kann neben Drehschwindel und Schwerhörigkeit zu Ohrgeräuschen führen. <BR />Außerdem kann Tinnitus auch ein Symptom einer Mittelohrentzündung sein. „Die subjektive Form, die vom Außenohr ausgeht, zeigt sich meist am einseitigen Ohr mit Schwerhörigkeit, Hörstörungen und der sehr lästigen Autophonie, das heißt dem Dröhnen der eigenen Stimme im Kopf“, erklärt Dr. Peracchi.<BR /><BR />Weil die Geräusche im Ohr unterschiedlichste Ursachen haben können, rät der Komplementärmediziner im Medical Spa des Hotels Therme Meran zu einer eingehenden Anamnese. <h3> Lebensumstände unter der Lupe</h3>„Als Arzt und Sanitätspersonal sollte man sich ausreichend Zeit nehmen, um mit dem Patienten zu sprechen und alles über ihn zu erfahren – Ernährungsgewohnheiten, Schlaf, körperliche und sportliche Aktivitäten. Darüber hinaus sollte man auf die Beschreibung der Umgebung achten, in der ein Patient lebt oder arbeitet, um besser zu verstehen, ob es Umweltstörungen gibt, die seine Gesundheit beeinträchtigen könnten. Auch eine zu feuchte oder zu trockene Umgebung kann sich auf den Gesundheitszustand eines Menschen auswirken“, erklärt Dr. Peracchi. Dazu kommen natürlich labordiagnostische Untersuchungen und verschiedene Tests, bis sich ein Gesamtbild der Problematik ergibt. <h3> Verschiedene Therapieansätze</h3>Als erfolgreiche Behandlungsmethode hat sich laut Dr. Peracchi die Magnettherapie erwiesen, aber auch Ohrakupunktur (Aurikulotherapie) zusammen mit akustischen Vibrationstherapien. „Sehr oft sind Menschen, die an Tinnitus leiden, sehr gestresst, nervös, sie schlafen schlecht, sind also dauernd müde“, erklärt der Komplementärmediziner. Deshalb sei häufig auch eine psychotherapeutische Behandlung notwendig. <BR /> Eine Technik, die sich als erfolgsversprechend erwiesen hat, sei das EMDR (Eye Movement Desensitisation and Reprocessing), gewissermaßen eine Therapie über Augenbewegungen, die sich in der Traumatherapie bewährt haben, aber auch bei Tinnitus positiv wirken.<BR />