Viele Lärmquellen lassen sich zum Glück vermeiden oder im Nachhinein beseitigen, nämlich durch entsprechenden Lärmschutz in Wohnungen und Arbeitsräumen. <BR /><BR /><b>Kann man Lärm definieren? Oder stuft Geräusche jeder anders ein? Immerhin fühlt sich der eine von Kuhglocken gestört oder von den Schritten in Nachbars Wohnung und den anderen bringt der nahe Flughafen oder eine vielbefahrene Straße nicht aus der Ruhe...</b><BR />Luca Marcona: Prinzipiell ist Lärm jedes unerwünschte laute Geräusch. Und es stimmt, dass Lärm etwas sehr Subjektives ist. Jeder Mensch empfindet Geräusche unterschiedlich, den einen stört etwas, während der andere es gar nicht hört. <BR /><BR /><b>Gibt es trotzdem Standardwerte, ab wann Geräusche so laut sind, dass sie gesundheitliche Folgen haben?</b><BR />Marcona: Geräusche im Bereich zwischen 40 und 65 Dezibel (dB) empfinden Menschen in aller Regel als „normal“ laut. Aber schon bei einer Lautstärke von 80 bis 85 Dezibel kann unser Gehör laut Studien dauerhaften Schaden nehmen. Laute Geräusche ab ca. 85 Dezibel können die empfindlichen Haarzellen schädigen und ein akustisches Trauma auslösen. Wichtig ist dabei die Dauer der Lärmeinwirkung. So kann zum Beispiel täglich 8 Stunden Lärm über viele Jahre hinweg zu einer Beeinträchtigung der Sinneshärchen führen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="865949_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie laut sind 65 Dezibel oder 85 Dezibel? Können Sie Beispiele nennen?</b><BR />Marcona: Ein normales Gespräch ist zum Beispiel 65 Dezibel laut, der Fernseher in Zimmerlautstärke oder die Nähmaschine sind ähnlich „laut“, werden also als normal und angenehm wahrgenommen. 85 Dezibel erreicht jemand, der zum Beispiel mit dem Saxofon spielt oder wenn man sich an einer Hauptverkehrsstraße aufhält. Ein Presslufthammer bringt es auf über 100 Dezibel. Auch in der Disco und beim Rockkonzert geht es ähnlich laut zu. <BR /><BR /><b>Was passiert in unserem Körper, wenn wir permanenten Lärmquellen ausgesetzt sind?</b><BR />Marcona: Typische Symptome sind ein erhöhter, also beschleunigter Herzschlag, verengte Blutgefäße mit Absinken der Körpertemperatur und Bluthochdruck, verspannte Muskeln, Konzentrationsstörungen und Schlafprobleme. In einer Bar mit Überakustik beispielsweise wird der Kunde die Geräuschkulisse als Störquelle wahrnehmen, die er zeitlich begrenzen will – was der Kunde auch kann. Die Mitarbeiter hingegen, die 8 Stunden in der Bar arbeiten müssen, sind dieser Lärmquelle permanent ausgesetzt und das kann zu den genannten gesundheitlichen Beschwerden führen. <BR />Zudem hat eine Studie in Deutschland – die Gutenberg-Studie – einen Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und psychischen Leiden bestätigt. Menschen, die permanent Lärm ausgesetzt sind, entwickeln häufiger Angststörungen und Depressionen als ihre Mitmenschen, die ruhiger leben. Auch nimmt die Häufigkeit von Vorhofflimmern zu, wie Kardiologen der Universitätsmedizin Mainz anhand von Daten der genannten Gesundheitsstudie nachweisen konnten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="865952_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie befassen sich mit Lärm in Arbeits- und Wohnräumen. Welche Lärmquellen plagen am häufigsten?</b><BR />Marcona: Dabei müssen wir zwischen Bau- und Raumakustik unterscheiden. Die Bauakustik beschäftigt sich mit der Schall- bzw. Lärmübertragung zwischen Räumen bzw. von außen nach innen. Dabei wird Lärm, also die Schallwellen zum Beispiel über Trennwände, Böden, Fenster oder Abwasserrohre übertragen. Deshalb hört man in seiner Wohnung zum Beispiel, was der Nachbar gerade im Fernseher schaut, wenn er die Klospülung betätigt oder von einem Raum in den nächsten geht. Auch Verkehrslärm gelangt auf diese Weise in den Raum. <BR /> Bei der Raumakustik geht es um die Akustik in einem Raum, wenn sich eine Schallquelle dort befindet. Ein Beispiel hierfür ist unerwünschter Hall. In Arbeitsräumen sind Beispiele für die Bauakustik der Maschinenlärm, der von der Werkshalle in die Büros übertragen wird, Verkehrslärm von der Straße und Trittgeräusche von anderen Räumen. Ein Problem der Raumakustik sind „hallige“ Besprechungsräume, wenn die Telefongespräche der Mitarbeiter weitum hörbar sind oder überakustische Räume zum Beispiel Videokonferenzen erschweren. <BR /><BR /><b>Also sind die Tritte aus Nachbars Wohnung eine Lärmquelle...</b><BR />Marcona: Ja, es gibt sogar Normen, die eingehalten werden müssen. Zum Beispiel gilt bei der Kategorie A – Wohnhaus oder ein ähnlich genutzte Gebäude – ein Trittschallgrenzwert von L„n,w 63 Dezibel. Allerdings zeigt die Praxis, dass aus wirtschaftlichen Gründen oft am richtigen Material gespart wird. Die Berechnung stimmt dann zwar laut Normen, aber das Endergebnis entspricht nicht der Zufriedenheit. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58303742_quote" /><BR /><BR /><b>Kann man dann – also danach – noch was tun? Also kann man das Gebäude lärmtechnisch nach dem Bau noch „nachrüsten“?</b><BR />Marcona: Eine optimale Planung im Vorfeld ist effizienter und vor allem auch kostengünstiger. Im Nachhinein kann man Optimierungen durchführen, die das Problem auch lösen können, wenn sie gezielt angeordnet werden. Man kann die Fenster austauschen und geeignete Schallschutzfenster montieren, bei der Lüftung einen Schalldämpfer einbauen, einen neuen Bodenaufbau in der Wohnung des Nachbarn anbringen, um Trittgeräusche zu reduzieren oder Aufzugsschächte bzw. Schallschutzwände richtig entkoppeln. Im Nachhinein muss man aber immer auch den Aufwand und den optischen Aspekt berücksichtigen. Man kann zum Beispiel auch eine Raum-in-Raum-Isolierung nachträglich vornehmen, also alle Wände, Böden und die Decke mit geeignetem Schallschutzmaterial auskleiden. Allerdings verliert man dann 5 bis 20 Zentimeter Raum an jeder Wand, am Boden und an der Decke. <BR /><BR /><b>Ist es vor dem Einzug in eine Wohnung oder ein Büro nicht schwierig zu erkennen, ob später etwas stören wird? Eben weil das Lärmempfinden individuell ist?</b><BR />Marcona: Für den Laien ist es natürlich schwieriger. Aber Lärmschutztechniker, Architekten und Geometer können beratend zur Seite stehen. Durch Normen, Messgeräte, Simulationsprogramme und Erfahrungswerte kann ein befähigter Lärmschutztechniker in der Planungsphase genau erkennen, wo Lärm in Gebäuden störend wirken kann und was man bereits in der Bauphase berücksichtigen sollte. Zum Vorteil des Kunden muss dieser Aspekt bereits in der Planungsphase berücksichtigt und während der Bauphase die richtige Verarbeitung und Montage kontrolliert werden. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="865955_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das heißt, man sollte sich schon in der Planungsphase von einem Experten beraten lassen?</b><BR />Marcona: Ja, es gibt Experten im Bereich Raum- und Bauakustik oder befähigte Lärmschutztechniker, die im nationalen Verzeichnis eingetragen sind. <BR /><BR /><b>Viele Betriebe setzen auf Großraumbüros, weil dies die Absprachen und die Zusammenarbeit erleichtert. Gleichzeitig bedeuten viele Personen in einem Raum auch Lärm. Muss man das in Kauf nehmen oder gibt es Großraumbüros, in denen es ruhig ist?</b><BR />Marcona: Mit einer akkuraten akustischen Planung ist es mit dem heutigen Stand der Technologie möglich, jeden Raum akustisch so zu gestalten, dass er für die jeweilige Nutzung optimal funktioniert. So kann z.B. in einem Großraumbüro mit dem Einsatz und der Positionierung geeigneter Materialien eine optimale Raumakustik geschaffen und somit eine gute Zusammenarbeit und Teamwork gefördert werden. Dafür gibt es zum Beispiel Akustikdecken, Akustikstellwände oder Bürotisch-Abtrennungen.<BR /><BR /><b>Sie sind Experte für Raum- und Bauakustik. Woran sollte man beim Bau eines Hauses oder beim Einzug in neue Räumlichkeit unbedingt denken?</b><BR />Marcona: Ich rate zu einem richtigen Bodenaufbau mit einer zertifizierten Trittschallmatte, dann zu einer massiven Bauweise, Beton statt Ziegel, Schallschutzfenster, Schallschutztüren und Rollo-Kästen als Aufputz-Element. Wichtig ist auch die richtige Einteilung der Räume und deren Nutzung. So sollte man ein Wohnzimmer nicht neben dem Schlafzimmer planen, auch nicht das WC direkt Wand an Wand mit dem Schlafzimmer. Achtgeben sollte man auch bei großen Räumen mit schallharten Flächen, also mit Glas, Fliesen oder anderen glatten Oberflächen. Ein Tipp: Jedes Material, das z. B. Licht reflektiert, reflektiert auch Schall. In solchen Räumen sollte man unbedingt absorbierende Flächen wie Akustikdecken oder -wände, Akustikbilder oder Teppichboden miteinplanen.<BR /><BR /><b>Bei derartigen Maßnahmen denken viele ans Geld, das gerade beim Bauen und Kaufen häufig begrenzt ist...</b><BR />Marcona: Die anfangs höheren Kosten für einen effizienten Lärmschutz kompensieren sich auf längere Sicht klar durch die positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität der Nutzer. Egal, ob Einfamilienhaus, Wohnung, Büro, Fitnessstudio, Bar, Schule, Kindergarten oder Produktionshalle – eine Bauweise mit hoher Schalldämmung ermöglicht ein optimales Raumklima und Wohlbefinden. Ich sage immer: Das ist deshalb gut investiertes Geld, weil wir heute gestresster denn je sind. Der zunehmende Verkehr, die Schnelllebigkeit, der Leistungsdruck und noch so einiges mehr beeinflussen unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität. Deshalb suchen wir umso mehr Ruhe in unseren 4 Wänden. Raum- und Bauakustik wird also ein immer wichtigeres Thema, auf das zunehmend mehr Menschen Wert legen. <BR /><BR /><BR /><BR />WANN LÄRM KRANK MACHT<BR /><BR /><BR />Ob Autolärm, Rasenmäher, Presslufthammer oder ein tropfender Wasserhahn: Der Mensch ist nahezu ständig Geräuschen ausgesetzt. Von Lärm spricht man, wenn Geräusche als unerwünscht, störend und belästigend empfunden werden. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, dennoch gelten Lärmquellen ab einer bestimmten Messgröße (in Dezibel) nicht nur als beeinträchtigend für das subjektive Wohlbefinden, sondern auch als gesundheitsschädlich. <BR /><BR />So kann Lärm ab etwa 80 Dezibel, vor allem wenn man der Lärmquelle länger ausgesetzt ist, bereits zu Hörschädigungen führen. Lärm lässt des Weiteren den Blutdruck steigen, und die Atem- und Herzfrequenz erhöht sich. Damit nimmt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zu. Außerdem können bei Lärmeinwirkung veränderte Hirnströme und Muskelaktivität gemessen werden. Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab, Schlafstörungen treten auf, ebenso Konzentrations- und Lernstörungen, Kopfschmerzen und psychische Beeinträchtigungen.<BR />