Wie sich die Pandemie auf Paare auswirkt, was wir gegen Streit beim Thema Impfen tun können und warum es uns gut tut, Sexualität nicht nur als Geschlechtsverkehr zu sehen. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="714479_image" /></div> <BR /><b>Wir haben seit bald 2 Jahren Pandemie. Sind die Folgen auch in Ihrer Arbeit spürbar?</b><BR /><BR />Michael Peintner: Es gibt viel mehr zu tun! Viele Menschen stehen vor Problemen, bei denen sie vor dieser Pandemie das Gefühl hatten, dass sie es schon von alleine schaffen, sie zu lösen. Jetzt merken sie, dass das nicht mehr so geht, auch weil ihnen diese dauernde Belastung viel Kraft nimmt. Ich beobachte eine gewisse Hilflosigkeit.<BR /><BR /><b>Was sind solche Probleme?</b><BR /><BR />Peintner: Das sind zum Beispiel schwere Krisen, etwa von Menschen im Tourismussektor, denen finanziell alles weggebrochen ist. Die Frage der Impfung treibt einen Keil in den Freundeskreis und sogar in die Familien. Da passiert es, dass Mutter und Tochter gar nicht mehr miteinander reden. Leider hat der Lockdown therapeutische Prozesse abgebrochen. Etwa bei Menschen, die unter sozialen Ängsten leiden. Sie haben dann überhaupt keine Übungsfelder mehr.<BR /><BR /><b>Die Corona- und Impfdebatte belastet viele. Ist es besser, dieses Thema einfach auszuklammern?</b><BR /><BR />Peintner: Das kommt darauf an. Im Freundeskreis oder in der weiteren Verwandtschaft kann es sicher sinnvoll sein, einfach nicht mehr über dieses Thema zu reden, weil es sehr konfliktreich ist und oft im Streit endet. Den Kontakt völlig abbrechen, ist meist eine enorme Belastung. Die geringere Belastung ist es, das Thema auszuklammern. Im engeren Familienkreis und in der Partnerschaft, wo wir täglichen Kontakt haben, ist das Ausschweigen über ein so wichtiges Thema aber ein Bruch. Hier sollte es möglich, eine Art Basisakzeptanz zu bewahren, bei aller Meinungsverschiedenheit. Es geht darum, dass ich das Verhalten eines Mitmenschen nicht gutheißen und seine Meinung nicht teilen muss, aber dass ich diesen Menschen in seiner Persönlichkeit, in seiner Würde und in seinem Wert trotzdem schätze.<BR /><BR /><embed id="dtext86-51917721_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>In Zeiten des Lockdown war oft zu lesen, dass diese Zeit eine Art Nagelprobe für Paare ist:Entweder sie überstehen sie gut und wachsen noch mehr zusammen, oder die Konflikte brechen richtig auf und es geht auseinander. Können Sie das bestätigen?</b><BR /><BR />Peintner: Die ersten Lockdowns waren für Paare und Familien sicher schwierig. Mit Homeoffice und Homeschooling waren sie praktisch 24 Stunden, rund um die Uhr, beisammen. Das vielleicht oft in einer kleinen Wohnung, wo es kaum Rückzugsmöglichkeiten gibt. Da blieb auch zu wenig Zeit für die Pflege der Partnerschaft. Denn eine Partnerschaft muss eben gepflegt werden. Am Anfang geht alles automatisch, aber danach müssen Paare in ihre Beziehung investieren, dafür Zeit aufwenden, miteinander reden. Auch über die Sexualität,die ein sehr wichtiger Teil der Partnerschaft ist. <BR /><BR /><b>Das ist ein Thema, vor dem sich viele eher drücken. Ist es denn so wichtig, auch darüber zu reden?</b><BR /><BR />Peintner: Auf jeden Fall! Aber was ganz wichtig ist: Sexualität ist eben nicht nur Geschlechtsverkehr, sondern ist viel mehr. Wenn über dieses Thema nur Schweigen herrscht, entstehen Unzufriedenheit und Konflikte. Daher ist es wichtig, darüber zu reden. <BR /><BR /><b>Genau über dieses delikate Thema?</b><BR /><BR />Peintner: Oft kommen Paare zu mir, die angeben, dass sie in ganz anderen Lebensbereichen ihre Probleme haben. Dann stellt sich heraus, dass es auch dort nicht mit der Kommunikation klappt. Aber es kommt in einer Partnerschaft eben darauf an, dass ich zuerst meine Bedürfnisse kenne und diese dann ausspreche. Sonst klappt es nicht. Und das gilt auch für die Sexualität. Diese ist oft ein Kompromiss zwischen den Partner:innen, denn nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden. Männer wünschen sich zum Beispiel etwas, das für ihre Frau – im Falle von heterosexuellen Partnerschaften – nicht in Frage kommt. Also muss es einen Kompromiss geben. Dieser ist aber erst möglich, wenn beide ihre Wünsche kennen und auch der anderen Person mitteilen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="714482_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Muss ein Paar dazu gleich zur Therapie?</b><BR /><BR />Peintner: Nein, aber es fällt oft leichter, mit einem „fremden“ Menschen darüber zu reden, von dem man weiß, dass er alles Gesagte für sich behält und niemand etwas davon erfährt. Eine Therapie ist ein Übungsfeld, wo Menschen lernen können, über ihre Sexualität zu reden. Das gehört zum Erwachsensein einfach dazu. So wie ich lerne, beim Bäcker zu sagen, welches Brot ich gerne hätte. Bei sexualpädagogischen Projekten in der Schule sehe ich, dass es jüngeren Menschen während dem Projekt dann nicht mehr schwerfällt, über ihre Sexualität zu sprechen. Die nicht so ganz junge Generation tut sich da sicher schwerer. <BR /><BR /><b>Können Sie einen Tipp geben, wie das vielleicht besser klappt?</b><BR /><BR />Peintner: Zu Hause können Partner:innen zum Beispiel auf einem Zettel getrennt ihre sexuellen Wünsche aufschreiben. Das geht meist leichter als einfach darüber zu reden, da sind manche überfordert. Aber es ist schon mal spannend, zu erfahren, was der oder die andere geschrieben hat. Und so beginnt das Gespräch. <BR /><BR /><b>Sie sagten: Sexualität ist nicht nur Geschlechtsverkehr. Warum ist Ihnen das so wichtig.</b><BR /><BR />Peintner: Eine ganzheitliche Sicht ist sehr wichtig für eine erfüllte Sexualität. Dazu gehören eben auch Nähe, Gefühle, Körper, Interessen, Emotionen. Vor allem Männer sind oft darauf programmiert, sich vor allem auf den Geschlechtsverkehr zu fokussieren. Das schafft Stress und Druck, etwa dass es mit der Erektion klappt – und es schafft Enttäuschung, wenn das nicht der Fall ist. Wer Sexualität viel weiter sieht, entdeckt ganz andere Facetten, erlebt sie als Freude und Entspannung. Dazu gehört Küssen, Streicheln, Umarmung. Für mich gehören bei der Sexualität 4 Elemente wesentlich dazu: Die Identität, denn ich finde mich selbst, meine Wünsche, meine Bedürfnisse; die Beziehung mit anderen, also der soziale Aspekt; die Lust als Kraftquelle in unserem Leben, und der Aspekt der Fruchtbarkeit, also die Weitergabe des Lebens. <BR /><BR /><b>Wenn es also in der Ehe oder in der Partnerschaft nicht mehr so knistert, wenn Flaute im Bett ist: Was hilft?</b><BR /><BR />Peintner: Darüber reden! Über die Wünsche und Bedürfnisse. Und vor allem das eigene Unbehagen aussprechen. Aber nicht in der Art: Ich wünsche das und das, aber du machst es nicht! Sondern in der Art: Ich finde es nicht angenehme, dass es so ist. Ich bin traurig darüber, dass wir das und das nicht haben. Damit klagen wir andere nicht an, sondern geben ihnen die Möglichkeit, auch ihre Sicht einzubringen und eine Lösung zu finden.<BR /><BR /><b>Wie lange arbeiten Paare an solchen Problemen, wenn sie sich für eine Therapie entscheiden?</b><BR /><BR />Peintner: Das ist sehr unterschiedlich. Aber ich beobachte, dass sich oft schon nach 5 Sitzungen der Knoten löst. Andere brauchen etwas länger. Aber insgesamt würde ich sagen, dass der Aufwand sehr überschaubar ist. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />