Doch wie erkennt und wie behandelt man eine Schilddrüsenstörung? Der Komplementärmediziner Dr. Alexander Angerer (Naturns) hat Antworten auf diese Fragen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="822581_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was ist die Schilddrüse, und welche Funktionen hat sie?</b><BR />Dr. Alexander Angerer: Die Schilddrüse ist ein kleines, normalerweise nicht mehr als 25 Gramm schweres Organ, das die Form eines Schmetterlings hat und unterhalb des Kehlkopfs der Luftröhre liegt. Ihre Aufgabe besteht in der Produktion und Freisetzung der beiden Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyrononin (T4 oder Thyroxin). Diese Hormone bestimmen entscheidend die Stoffwechsellage des Organismus und beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen. Dazu gehören unter anderem der Energieverbrauch, die Regulation der Körperwärme, die Aktivität von Nerven, Muskeln, Herz, Kreislauf, Magen und Darm, das seelische Wohlbefinden, die Sexualität sowie – insbesondere bei Kindern – die körperliche und geistige Entwicklung.<BR /><BR /><b>Diese Hormone steuern also sehr viele wichtige Körperfunktionen. Wie kann es passieren, dass sie plötzlich „durcheinander geraten“, die Schilddrüse also nicht mehr so arbeitet, wie sie sollte?</b><BR />Dr. Angerer: Dazu muss man verstehen, dass die Produktion und Freisetzung der Schilddrüsenhormone von der Hirnanhangdrüse, auch Hypophyse genannt, und einer weiteren Region im Gehirn reguliert wird, die wir als Hypothalamus bezeichnen. Diese beiden Regulationsstellen überwachen den Hormonspiegel im Blut. Sinkt dieser ab, gibt die Hypophyse den Botenstoff TSH ab, der in der Schilddrüse eine verstärkte Hormonfreisetzung bewirkt. Übersteigt der Spiegel der Schilddrüsenhormone hingegen den Normalwert, hält die Hypophyse weiteres TSH so lange zurück, bis wieder normale Hormonverhältnisse hergestellt sind. Dass dieses System durcheinander gerät, kann verschiedene Ursachen haben. Tatsache ist, dass die Schilddrüse ein sehr sensibles Organ ist. Als eine der Hauptursachen für Störungen gilt auf jeden Fall Stress, der immer eine Mehrbelastung für den Körper darstellt und in der Folge auch den Hormonhaushalt der Schilddrüse durcheinander bringt. Auch in der Schwangerschaft wird die Schilddrüsenfunktion manchmal beeinträchtigt. Zudem führen Jod-, Eisen- und Selenmangel oft zu Fehlfunktionen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="822584_image" /></div> <BR /><BR /><b>Welche Symptome deuten auf eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse hin?</b><BR />Dr. Angerer: Die Symptome sind vielfältig und unterscheiden sich oft nicht von jenen anderer Erkrankungen. Bei einer Überfunktion ist die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut erhöht. Die Störung zeigt sich zum Beispiel durch Nervosität, Gewichtsabnahme trotz normaler Ernährung, Schlaflosigkeit, durch Hitzegefühle und Schwitzen, Abgeschlagenheit, Durchfall und durch hohen Blutdruck. Diese Symptome können, müssen aber nicht auftreten. Frauen sind übrigens rund 5 Mal häufiger von einer Überfunktion der Schilddrüse betroffen als Männer. <BR /><BR />Bei der Unterfunktion werden umgekehrt zu wenige Hormone produziert, wodurch es zu Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Verstopfung, zu trockener Haut, Heiserkeit, Muskelschwäche oder Gelenkschmerzen kommen kann. Der Cholesterinspiegel ist mitunter erhöht, und vor allem im Gesicht bekommt die Haut eine teigige Konsistenz. <BR />Allerdings darf man sich bei der Interpretation dieser Symptome nicht täuschen lassen. Manchmal tritt die paradoxe Situation ein, dass eine Person die Symptome einer Unterfunktion hat, jedoch unter einer Überfunktion leidet – oder umgekehrt.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56516539_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie stellen Arzt oder Ärztin die tatsächliche Krankheit fest?</b><BR />Dr. Angerer: Sie können oft schon nach einem Gespräch mit den Patienten eine Schilddrüsenfehlfunktion als Ursache der Beschwerden in die engere Wahl nehmen. Definitive Antworten liefert dann eine Blutuntersuchung, bei der die Hormone T3 und T4 überprüft werden. Um die Diagnostik zu vervollständigen, wird die Schilddrüse zudem visuell betrachtet und gründlich abgetastet.<BR /><BR /><b>Wie wird die Fehlfunktion in der Regel behandelt?</b><BR />Dr. Angerer: Die Vorgangsweise hängt von der Situation ab. Wurden bei einer Blutuntersuchung Abweichungen festgestellt, ohne dass es schon zu dauerhaften Symptomen gekommen ist, kann eine zeitweise Beobachtung der Situation ins Auge gefasst werden, ohne gleich Medikamente zu verschreiben. Ist die Diagnose dann eindeutig und sind die Normwerte überschritten, werden in der Regel Hormontabletten verschrieben, die die Produktion der Schilddrüsenhormone entweder fördern oder hemmen. <BR /><BR /><b>Und damit ist es getan …?</b><BR />Dr. Angerer: Nun, mit den Tabletten werden die Symptome behandelt. Sinnvoll wäre es darüber hinaus natürlich auch, dass Betroffene den eigenen Lebensstil betrachten und gegebenenfalls ändern, etwa durch Stressabbau oder den Einbau von stresshemmenden Techniken in den Lebensalltag. Dadurch kann sich die Situation unter Umständen bald zum Positiven verändern.<BR /><BR /><b>Inwieweit beeinflusst die Ernährung die Schilddrüse?</b><BR />Dr. Angerer: Sie kann einen maßgeblichen Einfluss haben. Eine angepasste Ernährung kann im besten Fall eine Verringerung der Tablettendosis bewirken, in Einzelfällen können sie sogar abgesetzt werden. Das ist jedoch sehr individuell, und deshalb ist eine Absprache mit dem Arzt bzw. der Ärztin sehr wichtig. In der Ernährung von Menschen mit Unterfunktion kann sich die Zugabe von Jod in Form von Jodsalz, Seefisch und Milch positiv auswirken, um einige Beispiele zu nennen. Ebenso günstig ist Selen etwa in Form der Paranüssen, und Eisen in Form von eisenhaltigem Gemüse, rotem Fleisch oder eisenhaltigen Präparaten aus der Naturapotheke. Bei einer Überfunktion sollte man diese Spurenelemente hingegen eher meiden. Auch Weißdorn, Hopfen, die Passionsblume und Vitamin A zeigen bei einer Unterfunktion oft beeindruckende Wirkung. Doch wie gesagt: Alleingänge sind hier fehl am Platz. Denn zu viel Jod kann zum Beispiel schnell zu einer Schilddrüsenüberfunktion führen. Und wenn sich die Tabletten als sinnvoll erweisen, sollte man sie auch unbedingt einnehmen, denn eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse kann sehr schwerwiegende Folgen haben.<BR /><BR /><b>Wie gefährlich sind Schilddrüsenstörungen, wenn sie über längere Zeit bestehen, ohne diagnostiziert und behandelt zu werden?</b><BR />Dr. Angerer: Eine Schilddrüsenüberfunktion kann bedrohliche Formen annehmen. Aufgrund der erhöhten Konzentration wirken die zu stark vorhandenen Hormone wie Giftstoffe auf den Körper. In akuten und schweren Fällen kann sich eine sogenannte thyreotoxische Krise entwickeln mit lebensgefährlichen Zuständen wie Herzrasen, einer Funktionsschwäche der Nebenniere bis hin zu Kreislaufversagen. Auf Dauer kann auch eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion gefährlich sein, weil der verlangsamte Stoffwechsel dem gesamten Körper schadet. Oft kommt es zu Veränderungen am Herzen, die zu einer Herzmuskelschwäche führen. Der verlangsamte Stoffwechsel, der durch die Unterfunktion entsteht, schränkt außerdem die Aufnahme von Vitaminen und Mineralien ein, sodass ernsthafte Mangelerscheinungen auftreten können. Nicht zu unterschätzen sind die psychischen Beschwerden in Folge einer Unterfunktion. Das kann sogar zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen führen. Andere Betroffene fühlen sich wie von außen gesteuert. <BR /><BR /><b>Stimmt es, dass die Blutwerte nicht immer Rückschluss auf eine Schilddrüsenfehlfunktion geben?</b><BR />Dr. Angerer: Ja, das stimmt leider. Es kommt vor, dass der TSH-Wert in den besten Normwerten liegt und dennoch ein Schilddrüsenproblem vorliegt. Entsprechend verheerend ist die Diagnose „alles ok“ für Patienten, wenn aufgrund anhaltender Symptome eben nicht alles ok ist. Oft liegt es daran, dass die offiziellen Normwerte eine riesige Bandbreite an Werten noch als normal einstufen, die außerdem von Labor zu Labor unterschiedlich sein können. Meist sind aber Werte im unteren oder oberen Drittel dieser Normspanne bereits ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. In diesem Stadium könnten viele Schilddrüsenstörungen mit naturheilkundlichen Therapien noch rückgängig gemacht werden. Verlassen die Werte schließlich die „Normspanne“, ist die Krankheit oft schon so weit fortgeschritten, dass man sie tatsächlich nur noch mit Medikamenten therapieren kann.<BR /><BR /><b>Was ist eigentlich das Hashimoto-Syndrom?</b><BR />Dr. Angerer: Hashimoto ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Schilddrüse chronisch entzündet ist und das Immunsystem Schilddrüsenzellen zerstört. Die Schilddrüse wird hierbei also langsam, aber sicher aufgelöst. Oft beobachtet man zunächst schwankende TSH-Werte, auch eine Über- oder Unterfunktion. Anhand von Bluttests lässt sich Hashimoto diagnostizieren und muss mit Medikamenten behandelt werden.<BR /><BR />